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Erich Moechel

E-Privacy-Verordnung wird zur unendlichen Geschichte

Die wichtigen Artikel zu datenschutzkonformen Standardeinstellungen von Apps und Browsern bzw. der verpflichtenden Zustimmung der Benutzer zur Weitergabe ihrer Daten bleiben weiterhin gestrichen. Im EU-Ministerrat gibt es gegen die Streichung großen Widerstand.

Von Erich Moechel

Morgen, Donnerstag, steht die E-Privacy-Verordnung wieder auf der Agenda des EU-Ministerrats. Dazu wurde eine neue, vorläufige Version des Texts veröffentlicht. Der ist zu entnehmen, dass der Rat in den umstrittenen Punkten genauso uneins ist wie Anfang 2017. E-Privacy wächst sich langsam zu einer unendlichen Geschichte aus, dafür sorgt eine ebenso mächtige, wie heterogene Interessensgruppe aus alteingesessenen Medien, US-Werbungskonzernen und Internetindustrie.

Deutschland und andere Staaten wiederum beharren etwa auf dem Verbleib des gestrichenen Artikels zehn, der datenschutzkonforme Grundeinstellungen für Browser, Apps und andere Softwares vorschreibt. Zur Position Österreichs in dieser und anderen offenen Fragen wurde eine Anfrage an das Verkehrsministerium (BMVIT) gerichtet, das für Österreich im Rat verhandelt.

E-Privacy Verordnung

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In welchem Zustand die Verordnung ist, zeigt sich an Artikel Zehn besonders deutlich. Der unter der österreichischen Ratspräsidentschaft gänzlich gestrichene Text ist eine bereits dreimal im Rat verwässerte Version des ursprünglichen Kommissionsentwurfs von Ende 2016 (siehe Screenshot weiter unten)

Die ursprüngliche Version der EU-Kommission zu E-Privacy wurde Ende 2016 durch ein Leak bekannt. Sie war der Datenschutzgrundverordnung eng gefolgt

Verwässert und dann gestrichen

Neben Artikel Zehn zu datenschutzkonformen Grundeinstellungen für alle Softwares wurde auch Artikel Neun gestrichen. Der behandelt die verpflichtende Zustimmung der Benutzer zu jeder neuen Datenverarbeitung, auch hier wurde eine bereits mehrfach verwässerte Version gänzlich eliminiert. Die Frage der Zustimmung der Benutzer zu Datenverarbeitungen und die datenschutzfreundlichen Grundeinstellungen sind mithin das Herzstück der Verordnung.

Mit der E-Privacy-Verordnung wird die neue Datenschutzgrundverordnung, die als solche natürlich allgemein gehalten werden musste, auf die wichtigste Regelung im Bereich Konsumentenschutz im Netz angewendet. Die verpflichtende Zustimmung des Benutzers zu jeder neuen Art von Verarbeitung seiner persönlichen Daten ist auch die Kernaussage der DGSVO. Dass sie allerdings direkt in eine EU-Verordnung zum Konsumentenschutz einfließt, die in den Mitgliedsstaaten im Wortlaut umgesetzt werden muss, stieß von Anfang an auf den Widerstand einer merkwürdigen Allianz.

E-Privacy Verordnung

Public Domain

Hier ist die ursprüngliche Fassung von Artikel Zehn im Text der Kommission. „Privacy by Design“ - die durch DGSVO vorgeschriebenen Grundeinstellungen - fiel zuerst aus dem Text. Dann wurde der Text immer inkonsistenter und widersprüchlicher. Einer der ersten Akte der österreichischen Ratspräsidentschaft im Sommer 2018 war die Streichung von Artikel zehn.

Widerstand der Vermarktungskette

Im Sommer 2017 startete die erste Großkampagne von Medien- und Werbekonzernen gegen E-Privacy. Im Netz wurde sie zum Flop, in politischen Kreisen reüssierte sie.

Am lautesten gegen den Schutz der Privatsphäre der Benutzer agieren die alteingesessenen, europäischen Verlagshäuser, die gleichzeitig das weitaus schwächste Glied in der Vermarktungskette personenbezogener Daten sind. Sie liefern alle nur denkbaren Metadaten ihrer Leser bei den großen, globalen Werbenetzwerken ab, die fast alle US-Unternehmen sind. Dort werden aus den riesigen Datenmengen Benutzerprofile generiert, die laufend mit immer neuen Detaildaten zu Eigenschaften, Verhaltensweisen, Kaufgewohnheiten der jeweiligen Person angereichert werden.

In Auszügen werden diese Profile dann wieder den Verlagen zur Verfügung gestellt, das große Geschäft aber machen diese Schaltagenturen, die eigentlich Datenhändler sind. Die ganz großen Player in dieser Branche sind dann Werbevermarkter mit eigenen Plattformen, also Google, Facebook, Amazon und Co. Dazu kommen noch europäische Internetkonzerne wie Spotify oder Zalando und Service-Provider aller Art. Diese Gruppe eint ein großes Interesse an möglichst wenigen nötigen Klicks des Benutzers für seine Zustimmung zu möglichst vielen Datentransfers- und -verarbeitungen seiner persönlichen Daten. Die E-Privacy-Verordnung verfolgt seit 2002 genau das Gegenteil, nämlich die Kontrolle über die eigenen Daten individuell zu sichern.

E-Privacy Verordnung

Public Domain

Dieser Screenshot stammt aus der Antwort der deutschen Bundesregierung vom 2. Juli auf eine Anfrage der FDP zu einer Reihe von Themen der Digitalisierung, unter anderem auch E-Privacy.

Wie es im Ministerrat nun weitergeht

Wie aus Brüsseler Kreisen zu erfahren war, werden ab Donnerstag Artikel 12 bis 16 diskutiert, das ist der letzte der Teil der insgesamt relativ schlanken Verordnung. Bis Anfang September müssen die Delegation dann ihre Kommentare zu den Artikeln 6 bis 10 beim Rat abgeliefert haben. Das darf mit einiger Spannung erwartet werden, vom Verbot des Tracking ohne explizite Zustimmung des Benutzers bis zu datenschutzkonformen Grundeinstellungen von Apps und Browsern ist dies das Herzstück der Verordnung.

Sachdienliche Informationen, Metakritiken et al. sind über dieses Formular verschlüsselt und anonym beim Autor einzuwerfen. Verbindungen via TOR-Netz willkommen. Wer eine Antwort will, gebe tunlichst eine Kontaktmöglichkeit an.

Wie lange sich diese schier unendliche Geschichte der Novelle zu E-Privacy noch weiterzieht - im Herbst geht der Verordnungsentwurf in sein viertes Jahr - ist derzeit unmöglich abzuschätzen. Brüsseler Insider gehen davon aus, dass die EU-Kommission nur ein einziges Ziel verfolgt. Im Ministerrat soll es irgendwie zu einer irgendeiner Einigung kommen. Die braucht es nämlich, um überhaupt erst mit dem Parlament die Trilog-Verhandlungen starten zu können. Dort aber sind Konflikte bereits programmiert, denn im EU-Parlament wird das Geschubse und Gezerre um E-Privacy zunehmend argwöhnisch verfolgt.

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