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EU-Fahne verwebt mit Copyright-Zeichen, hat einen Riss

CC0

Erich Moechel

Das EU-Copyright-Karussell setzt sich wieder in Bewegung

Im Oktober starten die „Stakeholder-Dialoge“ zum umstrittenen Thema der „Upload-Filter“ in Brüssel. In Deutschland steht die Umsetzung der Copyright-Richtlinie bereits kurz vor dem Start.

Von Erich Moechel

Die EU-Kommission will offenbar eine Neuauflage der zuletzt mit Erbitterung geführten Diskussion um Upload-Filter verhindern. Für 15. Oktober ist bereits der erste „Stakeholder-Dialog“ in Brüssel angesetzt, neben Rechteverwertern und Internetfirmen sind diesmal auch Daten- und Konsumentenschützer eingeladen.

In Deutschland ist das Karussell bereits auf Touren, Anfang September hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) das deutsche Leistungsschutzrecht wegen eines Formfehlers annulliert. Fast gleichzeitig ging eine große öffentliche Konsultation zur Umsetzung der Coypright-Richtlinie in Deutschland zu Ende. Wie aus den Eingaben hervorgeht, kann vom behaupteten Gleichklang der Interessen von Urhebern und Verlegern keine Rede sein.

Copyright directive

Public domain

Artikel 17, der Upload-Filter impliziert, in der Endfassung der Coypright-Richtlinie]. Dazu die Ausschreibung der EU-Kommission für die Stakeholder-Dialoge, bis zu 80 Personen werden für die Sitzungen akzeptiert.]

Hin und Her um Filter und Leistungsschutz

Die Video- und Musikpiraterie ist weltweit im Rückgang, der einzige statistisch signifikante Faktor dabei ist die Ausweitung des legalen Angebots.

Der „Stakeholder-Dialog“ am 15. Oktober ist nur der erste einer Reihe solcher Treffen, die sich bis weit ins nächste Jahr hineinziehen sollen. Bei allen Dialogen wird es ausschließlich um die möglichen Umsetzungen von Artikel 17 gehen, der die Provider von Publikumswebsites für Copyright-Verletzungen haftbar macht. Die stehen dann vor der Wahl, entweder eine Generallizenz für das betreffende Land zu lösen, oder Uploads solchen Materials mit welchen Mitteln auch immer zu verhindern.

Upload-Filter soll es auch nach Willen der deutschen Bundesregierung nicht geben, die deshalb vor Beginn der Umsetzung ebenfalls eine öffentliche Konsultation veranstaltet hat, die am 6. September zu Ende ging. Direkt danach kam das Urteil des EuGH, mit dem das seit 2013 in Deutschland gültige Leistungsschutzrecht für Presseverleger wegen eines Formfehlers sang- und klanglos aufgehoben wurde. Dieses völlig verunglückte Gesetz hatte letztlich dazu geführt, dass einzig Google eine kostenlose Lizenz der deutschen Verlage erhalten hatte, Links mit Titeln auf Artikel in deutschen Zeitungen zu publizieren.

Forenbetreiber

Public domain

Bei der Copyright-Konsultation in Deutschland hat sich auch eine Gruppe von WWW-Einzelunternehmern zu Wort gemeldet, die in der Richtlinie mit Facebook und Co über denselben Kamm geschoren wird. Diese Fachforen, mit denen deutsche Kleinunternehmer mäßiges Geld verdienen, stehen in direkter Konkurrenz zum Geschäftsmodell von Facebook. Mit mehr als zehn Millionen Mitgliedern sind sie jedoch ein Faktor, der für die Politik nicht zu unterschätzen ist.

Der Griff in die Sozialkassen

Der geplante „Digital Services Act“ der neuen EU-Kommission sieht unter anderem umfassende Überwachungspflichten für Anbieter von Publikums-Websites vor

Dieses Leistungsschutzrecht soll nun auf europäischer Ebene mit der Umsetzung der Copyright-Richtlinie wiederkehren. Und die droht ausgerechnet den Urheberinnen und Urhebern in Deutschland reale Verluste einzutragen, weil damit eine Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2016 voraussichtlich fallen wird. Der hatte die jahrzehntelang in Deutschland geübte Praxis, die Verlage an den jährlichen Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaft VG Wort mit 30 bis 50 Prozent zu beteiligen, aufgehoben.

Die „VG Wort“ sammelt pro Jahr verschiedene Pauschalabgaben auf Drucker, Kopiergeräte, SAT-Receiver usw. ein. Diese Abgaben werden im Namen der Urheber erhoben, etwa um damit die Sozialkassen von notorisch unterversicherten Schriftstellern, Autoren oder freien Journalisten aufzufüllen. Das war ursprüngliche Gedanke des Gesetzgebers. Pro Jahr kommen da in Deutschland mittlerweile über 70 Millionen Euro zur Verteilung, von denen bald wieder die Hälfte nicht bei den Urheberinnen und Urhebern sondern bei den Rechteverwertern landen wird, den Verlagen.

VG Wort

Public domain

Wo die Urheber geblieben sind

Und so reagierte die Verwertungsgesellschaft VG Wort: „Nachdem nunmehr einer klare europarechtliche Grundlage für die Verlegerbeteiligung geschaffen ist, sollte schnellstmöglich die nationale Umsetzung erfolgen“, heißt es da. Den „Beteiligungsanspruch der Verleger“ umzusetzen, sollte allerdings „nur von einer Verwertungsgesellschaft wahrgenommen werden können, die Rechte von Urhebern und Verlegern gemeinsam vertritt“. Das ist auch die Erklärung für die großen Sorgen der VG Wort um die Medienbetriebe.

Erste, mögliche Kollateralschäden durch die neuen Copyright-Richtlinie hatten sich gleich nach ihrer Verabschiedung im Frühjahr abgezeichnet.

Diese Gelder für die Kreativen landen nicht nur in Deutschland, sondern in einer ganzen Reihe von EU-Staaten, zum Teil erst wieder auf den Konten der Rechteverwerter - in diesem Fall der Verlage - in anderen EU-Staaten wiederum nicht. Die EU-Kommission konnte daher gar keine EU-weit verbindliche Regelung für alle schaffen, obendrein fallen solche Abgeltungen für Urheber in die Kompetenz der Mitgliedsstaaten. Wie ein Blick in den Text der Richtlinie zeigt, sind dort zwar alle möglichen Mechanismen und rechtlichen Vorgänge inklusive Beschwerderecht rund um die Abgeltung für Urheber geregelt. Welche Anteile an den Erlösen in welcher Höhe den Urhebern zufließen sollen, steht dort aus den erwähnten Gründen nicht.

Fleckerlteppiche und Kollateralschäden

Die zum frühestmöglichen Zeitpunkt gestarteten Stakeholder-Konsultationen zeigen die Nervosität der EU-Kommission über die unvermeidbaren Kollateralschäden dieser Richtlinie. Zum einen will man damit einen erneuten Aufstand der reichweitenstarken YouTuber hintanhalten, der maßgeblich zu den Verlusten der großen Koalition in Deutschland bei den EU-Wahlen beigetragen hat. Zum anderen droht für die Kommission, deren Ziel ja eine möglichst einheitliche Gesetzgebung in Europa ist, gerade dabei neues Ungemach.

Nachdem die Kritiker der Richtlinie von der Kommission als „Mob“ und „Bots“ beschimpft worden waren, kam es im März in mehreren deutschen Städten zu spontanen Protestkundgebungen mit tausenden Teilnehmern.

Wie schon bei der Vorratsdatenspeicherung, die eine ähnlich umstrittene Genese hatte wie jetzt die Regelung zu Copyrights, droht hier durch ganz unterschiedliche Implemenationen in nationale Rechtssysteme ein neuer legistischer Fleckerlteppich in der EU zu entstehen. Deswegen will man in Brüssel nun die Kollateralschäden für die europäische Internetwirtschaft durch die bgeleitenden Stakeholder-Gespräche wenigstens begrenzen, denn angerichtet sind sie schon. Kein Investor wird in den nächsten Jahren auch nur daran denken, Geld in neue WWW-basierte Services in Europa zu versenken, bei denen Interaktionen der Benutzer irgendeine Rolle spielen.

Sachdienliche Informationen, Metakritiken et al. sind über dieses Formular verschlüsselt und anonym beim Autor einzuwerfen. Wer eine Antwort will, gebe tunlichst eine Kontaktmöglichkeit an.

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