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Sylvie Goulard

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Erich Moechel

Copyright-Troubles warten auf die neue EU-Kommission

Die designierte EU-Kommissarin für den Binnenmarkt, Sylvie Goulard (Frankreich) ist noch nicht in ihrem Amt bestätigt, da besteht für sie schon Handlungsbedarf. Die Troubles um die Coypright-Richtlinie kommen noch dazu aus Frankreich, Goulards Entsenderland.

Von Erich Moechel

Zwei Nominierte (Ungarn, Rumänien) wurden bereits abgelehnt, jetzt wackelt auch die designierte EU-Kommissarin Dubravka Suica (Kroatien). In allen drei Fällen sind ungeklärte finanzielle Verhältnisse das Problem. Unter diesen turbulenten Umständen starten am Montag im EU-Parlament die Hearings der Kommissare und Vizepräsidenten der neuen EU-Kommission unter Ursula von der Leyen.

Die designierte Binnenmarkt-Kommissarin Sylvie Goulard (Liberale, Frankreich) wird schon vor Amtsantritt mit Problemen konfrontiert, die ausgerechnet von Frankreich ausgehen. Dort wurde die Copyright-Richtlinie bereits umgesetzt, das neue Leistungsschutzrecht für Verleger wurde von Google sofort konterkariert. Presseartikel in Frankreich werden nun ohne Text-Snippets und Bildvorschauen dargestellt, bezahlt wird dafür nichts. Frankreichs Kulturminister Franck Riester interveniert deshalb bereits im EU-Ministerrat.

Sylvie Goulard

APA/AFP/Patrick KOVARIK

Sylvie Goulard (Liberale Fraktion „Renew“), Vertraute von Frankreichs Premier Emmanuel Macron, ist designierte Kommissarin für den Binnenmarkt. Ihr Ressort wurde durch weitere, großteils digitale Kompetenzen zu einem Super-Ressort erweitert (siehe unten)

Von „Opt Out“ auf „Opt In“

Schon am 15. Oktober starten die „Stakeholder-Dialogue“ der EU-Kommission zur Umsetzung des ebenso umstrittenen Artikels zu Upload-Filtern in der Richtlinie

In Goulards neuem Ressort besteht dringender Handlungsbedarf, denn es brennt bereits der Hut. Die Entscheidung Googles geht nämlich weit über Frankreich hinaus, denn damit zeichnet sich erstmals ab, in welche Richtung es mit der Implementation der Copyright-Richtlinie in Europa weitergeht - die Zeichen stehen auf Konfrontation. In welchem Staat auch immer das neue Leistungsschutzrecht schlagend wird und Google für seine Hyperlinks auf Print-Artikel zahlen soll, werden dann weder Textschnipsel aus dem Anriss des Artikels noch Vorschauen auf das Titelbild angezeigt.

So bleiben nur der Titel des betreffenden Artikels samt dem Hyperlink darunter, außer der Verlag erteilt Google eine Lizenz zur Anzeige der erwähnten Text-Snippets samt Foto-Thumbnails. Im Grunde macht Google also nichts anderes, als einen Service von „Opt Out“ auf „Op In“ umzustellen, der nach Einschätzung aller Fachleute für gut ein Drittel der Umsätze von Print-Verlagen verantwortlich ist. Anders als bei der Einführung des deutschen Leistungsschutzrechts 2013 ist davon nicht nur Google News betroffen, sondern der gesamte Google-Suchkatalog.

Google Blog Screenshot

Google Blog Screenshot

Mit dieser Illustration verdeutlicht Google die Unterschiede der Darstellungsformen von Treffern bei der Suche. Medien können selbst über die Größe des Bild-Thumbnails in der Anzeige bestimmen, dafür will Google eine freie Lizenz, diese Links anzuzeigen. Es sieht zwar alles nach dem beliebten „lorem ipsum“-Blindtext aus und dennoch ist darin eine Aussage enthalten. Der Suchbegriff „Ut enim ad minima veniam“ ganz oben bedeutet etwa „Damit ich nämlich zum Minimalen komme“. Das Minimum findet sich hier im ersten Link, denn so werden französische Presseartikel in Kürze bei Google dargestellt, als nackter Titel mit Link. Diese Wortfolge stammt aus Ciceros Schrift De finibus bonorum et malorum, die „lorem ipsum“ zugrunde liegt.

Der erste Fall für Kommissarin Goulard

Hauptaufgabe Goulards wird der „Digital Services Act“. Auch dort sind umfassende Überwachungspflichten für Anbieter von Publikums-Websites vorgesehen

Das ist also ein klarer Fall für die Binnenmarktkommissarin in spe Sylvie Goulard, die bis jetzt niemand in dieser neuen Rolle so richtig einschätzen kann. Goulard war davor Vizegouverneurin der französischen Nationalbank, Abgeordnete im EU-Parlament und zuletzt wenige Monate Ministerin der Regierung Emmanuel Macron. Goulard gilt zwar als erfahrene Diplomatin, genauso wie ihre Kabinettschefin Stephanie Riso - derzeit Direktorin für Strategie für das Brexit-Verhandlungsteam der Kommission - von Berührungspunkten beider mit digitalen Agenden ist allerdings nichts bekannt.

Als Binnenkommissarin wіrd Sylvie Goulard den Ton in der Generaldirektion CNECT der Kommission angeben. Das wichtigste Vorhaben der Kommission in diesem Bereich ist der „Digital Services Act“, das gesamte Online-Geschäft in der Union soll ein neues Regelwerk erhalten, das die seit 2001 gültige E-Commerce-Richtlinie ablösen soll. Zudem wird Goulards Portfolio mit wichtigen weiteren Zuständigkeiten erweitert, sodass unter Beobachtern bereits von einem Super-Ressort die Rede ist.

Von Blockchain bis zu „Künstlicher Intelligenz“

Der geplante „Digital Services Act“ der neuen EU-Kommission sieht unter anderem umfassende Überwachungspflichten für Anbieter von Publikums-Websites vor

Diese Auflistung der speziellen Aufgaben von Kommissarin Sylvie Goulard durch Beamte von der Leyens zeugt nicht eben von technischer Kompetenz. Wenn eine Aufzählung der wichtigsten neuen Technologien mit „Blockchain“ beginnt, dann bleibt zumindest die Hoffnung, dass die Adressaten dieses „Mission Letters“ doch etwas mehr Ahnung haben, was an neuen technischen Herausforderungen wirklich ansteht. Dazu gehört zweifellos die Entwicklung im Bereich „Künstlicher Intelligenz“ (AI).

Hierfür soll im Ressort Binnenmarkt ein Regelwerk für den Einsatz von „machine learning“-Methoden erstellt werden, was schon allein eine enorme Aufgabe ist. Zudem wird Goulard auch für die Entwicklung der 5G-Standards zuständig sein und muss daneben noch ein umfassendes gesetzliches Regelwerk erstellen, das alle nur denkbaren Internetservices umfasst. Außerdem soll das Kommissariat Binnenmarkt nichts weniger als „einen echten, einheitlichen Markt für Cybersicherheit“ in Europa aus dem Boden stampfen und zum „digitalen Bildungsplan“ der Union Maßgebliches beitragen.

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