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Voodoo it Yourself!

Lisa Spalt wirbelt sich und uns in ihrem Roman „Das Institut“ durch Dystopie, Charade und Lehrstück.

Von Boris Jordan

Es ist sehr kompliziert. Wir sind in einer erfundenen, autoritären Welt, einer weltgroßen,„sehr provinziellen“ Stadt namens „Lands“. Alle sind Künstler, alle sind Untertanen. Beherrscht wird diese Welt vom Diktator Cramp, der die Oberhoheit über die Realität beansprucht. Der Diktator ist der größte Künstler von allen. Jeden Morgen kritzelt Cramp etwa eine Skizze auf das Titelblatt der einzigen Tageszeitung, dieses wird allen EinwohnerInnen zugestellt und alle müssen sich „Kunstkritisch“ dazu äußern.

Die Protagonistin, eine Autorin, macht (durch einen Schreibakt) ihren Körper und ihr Inneres zum „Institut“, einem „offenen Kunstwerk“, alle können und sollen teilhaben. "Das Institut“ - genauer: Das „Institut für poetische Alltagsverbesserung (IPA)“ - ist zugleich intimer Körper der Protagonistin, eine poetische Institution und ein gleichnamiger Roman im Roman. Auf das Tor des Instituts schreibt die Protagonistin den Satz: „Das Institut“ ist ein öffentlich zugänglicher Roman. Der Diktator macht sich die Poesie des Instituts zu Nutze, er ahmt es nach, ihre poetischen Erfindungen werden von seinen Agenten und Medien zum eigenen Machtausbau missbraucht - einmal entsteht sogar die Wall Street aus ihrer Imagination, einmal wird das Institut zur Bank.

Buchcover "Institut" von Lisa Spalt

Czernin Verlag

„Das Institut“ von Lisa Spalt ist im Czernin Verlag erschienen.

Doch gelingt es, ihn mit eigenen Mitteln zu schlagen, ihn gar aufzuhalten? Und darf man in diesem Verwirrgarten von Text überhaupt auf einem Ausgang beharren...?

Eine Story ist das alles nicht. Nicht einmal ein Roman.

Aber was für ein großer Entwurf! Was für ein im besten Sinne größenwahnsinniges Monstrum von einem postmodernen Sprachspiel!

„Das Institut“ springt herum, von intellektueller Referenz zu etymologischer Erklärung, von Traumsequenz zu kaum versteckter, politischer Alltagsbeobachtung.

Lisa Spalt scheint an absolut Allem interessiert. Sie ist in der Poetik ebenso zuhause wie in der Traumdeutung, in der Insekten- wie der Sternenkunde, der europäischen Literatur und der Science Fiction, der mittelalterlichen Mystik wie der modernen Musik, der Künstlerischen Avantgarde und der antiken Poetik - fast möchte man sagen, sie kommt von Homer und Cervantes.

Ihr Buch ist schwer zu lesen, man versteht vieles Gelehrte nicht, man verzeiht ihm einiges allzu offensichtlich Witziges und einige „phantasievoll“ gemeinte Volten nicht (etwa die Namen „Crump“ und „Klone Zeitung“ oder „George Kloni“). Am Ende liebt man (ok, ich) es allein dafür, wie dicht die Gelehrsamkeit und die Quellenverliebtheit der Autorin in diese undurchschaubare Geschichte eingewebt ist.

Man fühlt sich erinnert an den grausamen William Burroughs, der die Zettel mit seinen drogeninduzierten Visionen herumwirbelt, um der Geschichte innerhalb seiner Geschichte mit Zufall (der sich auch „Schicksal“ nennen lässt) jeden „Realismus“ und jede Plausibilität auszutreiben.

Man hört das berühmteste paranoid gewordene Gewaltopfer, Senatsrat Schreber, lautmalerisch Vögel nachahmen, weil er glaubt, sie lassen sich nur mit Reimworten vertreiben.

Man glaubt dabei zu sein, wie die hunderttausend gelesenen Bücher in dem knirschenden, greisen Gehirn von Jorge Luis Borges sich zu erfundenen Monsterregistern über erfundene Monstren zusammentürmen, zu lebensgroßen Landkarten und unmöglichen, achteckigen Gebäuden.

Man stellt sich Lewis Caroll, Boris Vian oder Raymond Queneau vor, die der deprimierenden Realität und Banalität von Logik, Regeln und Beziehungen die größtmögliche poetische Absurdität entgegen setzen.

Man findet sich inmitten von H.P. Lovecrafts Welt, in der, wie Spalt schreibt, "das Nichtvermögen des menschlichen Geistes, die Geschehnisse der Welt miteinander in Verbindung zu bringen“ hochgehalten wird.

Die IPA im Buch hat auch eine reale Entsprechung in unserer Welt, in Linz, wo Lisa Spalt als einzige feste Mitarbeiterin des IPA lebt. Eine besondere von ihr erfundene poetische Technik sind die „Schluckbildchen“ , wo – in Analogie zur katholischen Hostie – Poesie, Literarische Technik oder Handlungsanweisung auf Oblaten gedruckt und dann „einverleibt“ (also gegessen oder im Müsli aufgelöst) werden, um „literarisch autonom“ zu werden - diese Technik wird im Institut „Voodoo it yourself“ genannt. Kopiervorlagen zu den Schluckbildchen – mit hochinteressanten literarischen Referenzen - sind dem Buch angehängt – man kann sie aber auch direkt beim IPA bestellen.

Das IPA verbessert auf Anfrage deine Träume oder verkauft kleine Kunstwerke aus gefundenem Plastik: Derzeit ist Lisa Spalt auf der Suche nach Utopien. Wer soviel von ihrem Geist hält wie ich, möge ihr eine Utopie schicken.

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