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Yung Hurn in einer Tiefgarage

Yung Hurn

Yung Hurn, wieso machst du das?

Die Beziehung zwischen Yung Hurn und mir ist lang und kompliziert. Und vielleicht ist jetzt der Punkt gekommen, wo es an der Zeit ist diese Beziehung zu beenden.

Von Alica Ouschan

„Yung Hurn, wieso machst du das?“, so hieß es in einem Track des letzten Albums „1220“, das im Vorjahr erschienen ist. Und es ist auch die Frage, die einem in den Kopf schießt, wenn man sich das neue Album anhört. „Y“, so der Titel, bildet (englisch ausgesprochen) ironischerweise die Fassungslosigkeit ab, die es hinterlässt.

Ich war Yung Hurn Fan der 1. Stunde – die sexistischen Auswüchse seiner Texte habe ich bis jetzt immer als „künstlerische Freiheit“ verteidigt und die Ansicht vertreten, dass Yung Hurn diese als bewusstes Stilmittel einsetzt. Die mangelnde Reflektiertheit seines Einflusses auf das Selbstbild seiner Fans und das Ausmaß an problematischen Aussagen sind inzwischen aber einfach zuviel geworden.

Als Yung Hurn im Juni „Cabrio“ als ersten, heiß ersehnten Vorboten des neuen Albums veröffentlichte, war alles noch „Ok cool“. Der Track war etwas zu lahm für einen echten Sommerhit und konnte mit keiner der Vorgängersingles so richtig mithalten. Trotzdem hatten die eingängigen Beats, die irgendwie an Fahrstuhl-Loungemusik erinnerten, ihren Charme. Als dann mit der zweiten Single „Rauch“ ein Track veröffentlicht wurde, der C-Seiten Charakter hatte und musikalisch wie lyrisch gesehen eher zu Yung Hurns bösem Zwillingsbruder K.Ronaldo gepasst hätte, kam erstmals der Verdacht auf, dass der Hype um die ganze Cloudrap-Geschichte vielleicht schon langsam am Abklingen war.

Es ist einfach nicht mehr so lustig wie früher

Die Beats sind zwar immer noch catchy und gut ausproduziert, die Jokes, die seit Jahren immer wieder gemacht werden, sind aber einfach nicht mehr so lustig wie früher. Wo man bei älteren, bereits problematischen Tracks wie „Blume“ noch ein (oder auch manchmal zwei) Auge(n) zudrücken konnte, muss man schon blind sein, um das Ausmaß an Sexismus in (ausnahmslos allen) neuen Yung Hurn Texten überhören zu können. Oder man ignoriert ihn und ist damit genau so misogyn wie der Künstler selbst.

Falcosüßgott, so sein Spitzname, ist längst nicht mehr so charmant und süß wie früher. Mit Zeilen wie „S-Bahn, Backjump, Hietzing / Asia-Bitch heißt Ling-Ling / Ich bin hoch, ich sing’, sing’ / Für deine Bitch, sie rinnt, rinnt“ (Rauch) zeigt der Wiener aus dem 22. Bezirk nicht nur sexistische, sondern erstmals auch sehr deutlich rassistische Züge.

Auch war der Cloudrapper selten zuvor so explizit wie auf seinem neuen Album: „Lachs heißt, sehr viele Zehner / Ich hab sehr viele Zehner / Sie hat Wichse auf ihrem Gesicht, sie braucht Zewa (ups) / Wisch‘ weg, weil da klebt was“ (Ponny).

Wurden sie in „Diamant“ oder „Opensänger“ noch mit Pseudo-Liebesliedern besungen, so stehen Frauen auf dem neuen Album lediglich als Sexobjekte im Zentrum. Und wer jetzt noch nicht vor Wut und Empörung zittert schaut sich am besten das neueste Video an – wie tief man sinken muss, um es okay zu finden Frauen als „Kleine Bitch ist mein Ponny“ zu bezeichnen sei dahingestellt.

„Danke Yung Hurn, du bist der Beste!“

Auf der letzten Tour waren alle Konzerte restlos ausverkauft und auch die Stehplatz-Tickets fürs die Shows im Dezember 2019 werden schnell knapp. Yung Hurn ist der österreichische Rapper mit der größten Fanbase. Er hat somit – ob es ihm passt oder nicht – auch eine Vorbildfunktion. Das legt nahe, dass sich die Art und Weise, wie er über Frauen spricht, darauf auswirkt, wie seine männlichen Fans über Frauen - und nicht zuletzt seine weiblichen Fans über sich selbst - denken. Zero Fucks given, lautet offensichtlich das Motto, was auch der eigene Tweet zum neuen Album vermuten lässt.

Ob ironisch gemeint oder nicht - und selbst wenn die problematischen Texte außen vor gelassen werden – ist das Album auch musikalisch gesehen schlichtweg lame. Kein einziger Track sticht als „Hit“ hervor, während sich auf der Vorgängerplatte „1220“ ein Banger an den nächsten reihte. Vielleicht ist sein Potential erschöpft. Mehr als gut produzierte aber durchschnittliche 808’s und dieselben, seit 2016 dahergelallten Phrasen sind jetzt anscheinend nicht mehr drin.

Wenn wir uns fragen, was österreichischer Cloudrap alles kann und Yung Hurn als Maßstab für Qualität und Erfolg sehen, war der Höhepunkt mit „1220“ erreicht – vielleicht hätte er einfach aufhören sollen, als es am schönsten war. Und vielleicht hätte ich das auch tun sollen.

Beziehungsstatus: Es ist gar nicht so kompliziert ...

Wenn man an sich selbst den Anspruch stellt, ständig nach Möglichkeiten zu suchen, misogyne, sexistische Verhaltensweisen und Rollenbilder nicht mehr weiter zu reproduzieren, ist Yung Hurn weiterhin zu feiern offensichtlich der falsche Ansatz.

Natürlich war Yung Hurn nie Feminist und Gründe, ihn als Künstler in Frage zu stellen gab es immer schon. Einen Kompromiss zwischen dem Feiern seiner Musik und dem Infragestellen seiner problematischen Aussagen zu finden war nie leicht. Jetzt ist der Zeitpunkt endgültig erreicht, wo es für mich schlichtweg unmöglich wird.

Yung Hurn, es war schön mit dir - es liegt nicht an mir, es liegt an dir. Es tut mir Leid, aber wir müssen Schluss machen.

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