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Portraitfoto Yajin

Andreas Gstettner-Brugger

Yajin: Elektronische Musik der glücklichen Zufälle

Es rauscht, knistert und knackst. Es pluckert und fiept. Darunter liegen hypnotische Beats und manchmal taucht eine poppige Stimme auf. Das ist die zarte und experimentelle Musik der Österreichers Yajin.

von Andreas Gstettner-Brugger

Sanfte Keyboardflächen, ein dumpfer Beat und verhallte Stimmsamples. Weißes Rauschen, zwitschernde Synthesizer, gesampelte Saiteninstrumente und das alles zu einer eigenwilligen Melange zusammengemischt. Der erste Track, den der junge österreichischen Produzent Yajin vor rund zwei Jahren gemacht hat, nennt sich „Overture“.

Gleich am Anfang hört man das Stimm-Sample you call yourself a free spirit, a wild thing - darauf angesprochen, ob er selbst so ein freier Geist sei, meint Fabian Wohlfarth alias Yajin:

„Beim Musik machen versuche ich sehr, einen freien Geist zu haben und mich nicht an diverse Theorien zu halten. Ich versuche immer, einfach darauf los zu arbeiten. ‚Overture‘ war mein erster Versuch, Musik zu machen. Da habe ich noch gar keine Ahnung gehabt und einfach nur gehört, was gut klingt. Diese kindliche Experimentierfreudigkeit ist mir geblieben.“

Gegen die muscle memories

Aufgewachsen ist Fabian Wohlfarth ja eigentlich mit der Musik der Arctic Monkeys. Überhaupt hat ihn alles fasziniert, was im rockigen Bandkontext so zu hören war. Bis er auf einem FM4 Frequency Festival den australischen Produzenten Flume live erlebt hat. Zwar war es sich anfänglich noch gar nicht so sicher, ob ihm dieser Style gefällt, doch bald verliebte er sich in die Sounds des DJs und Produzenten.

Mittlerweile liebt es Yajin, mit Beats und Samples zu experimentieren. Bei dem Song „Velvet“ arbeitet Fabian geschickt mit dem Überraschungsmoment der Stimm-Samples, die er wie zufällig in die dichte Klanglandschaft hineinfallen lässt und dadurch eine Spannung aufbaut. Es entsteht eine ganz eigene, intensive Stimmung, die nicht selten an Tracks wie „Cloudlight“ des Produzenten Eskmo aus San Francisco erinnern.

Wie der junge Produzent auf seine Klänge und Sounds kommt, ist ein sehr experimenteller Prozess. Mit Instrumenten werden einzelne Töne aufgenommen und derart entfremdet, wieder aufgenommen, nochmals gesampelt und geloopt, dass dadurch ganz neue Soundlandschaften entstehen.

Portraitfoto Yajin

Yajin

„Es geht mir beim Musik machen darum, durch das Experimentieren mehr diese glücklichen Zufälle zu haben, wo Tracks entstehen und weniger diese eingespeicherte muscle memories zu haben. Diese eingeübten Bewegungen führen oft dazu, dass du gewissen Melodien spielst und dann nur bestimmte Abwandlungen davon. Mir ist es wichtig, immer mit neuen Klängen und Ideen zu kommen, dass ein Track quasi eine neue Evolution von mir hörbar macht.“

Yajins Produktionsweise ist mittlerweile auch von Größen wie Aphex Twin, Mura Masa oder Skrillex inspiriert, vor allem wie letzterer mit Vocals umzugehen weiß. Apropos Vocals: Über das Internet hat Yajin auch eine Gastsängerin gefunden, die schon für ein paar seiner Tracks die Vocals beigesteuert hat. Die junge Schülerin und Sängerin MINOVA, die in Dubai lebt, singt auf dem bislang poppigsten Track von Yajin „Inner Us“. Ein Song über eine Liebesbeziehung, die droht, in die Brüche zu gehen, und der das Hin und Her zwischen Weiterführen oder Trennung thematisiert.

Die Auswirkungen unseres Handelns

Vor kurzem ist Yajins EP „Audio Fallout“ erschienen, ein kurzes und intensives Werk, dass zwar schon vor der Corona-Krise seinen Anfang genommen, sich im Laufe des Lockdowns allerdings verändert hat.

EP Cover "Audio Fallout" von Yajin

Yajin

Fabian wollte in seine Musik einfließen lassen, dass diese Krise zu einem Teil durch uns Menschen und unseren Umgang mit der Umwelt, der Natur und dem Tierreich entstanden ist. So findet sich auch in den drei Nummern durchwegs eine apokalyptische Stimmung, mit atmosphärischen Sounds wie Gewitter und verzerrten Klängen umgesetzt. Bei dem Track „U Heater“ meint man fast einen Boiler oder Kochtopf zu hören, der kurz vor der Explosion ist.

Auch der Titelsong „Audio Fallout“ vermittelt etwas Unheimliches, Bedrohliches. Wie Geigerzähler und in der Entfernung aneinanderschrammendes Metall erklingen da die Sounds, hin und wieder gibt ein Klavierakkord noch den Anküpfungspunkt an unsere Gegenwart, während die Future-Beats uns in eine dunklen Zukunft führen.

Die letzten beiden Jahren haben sich die Stücke von Yajin sehr stark entwickelt und seine Produktionsweise hat sich verbessert und verfeinert. Was als nächstes ansteht, ist laut Fabian ein bisschen mehr „wumms“. Also vielleicht einen Dance-Track zu produzieren, dabei aber nicht ganz auf den atmosphärischen, zurückgelehnten Sound zu verzichten. Eine nicht ganz leichte Aufgabe, die der junge österreichische Produzent jedoch sicherlich gut meistern wird. Wie sind gespannt.

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