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Verifiziert

Kayra Aslan

Soundpark Act des Monats

Pure Melancholie und verzechte Nächte: Verifiziert ist unser Soundpark Act des Monats November

Erinnerungsfetzen an endlose Nächte, Heartbreaks und jede Menge Sad Vibes: Die 24-jährige Wienerin Verifiziert hat im Cloud-Pop ihre eigene Nische gefunden und ist unser FM4 Soundpark Act des Monats November.

Von Melissa Erhardt

Eigentlich war das alles ja gar nicht so ernst gemeint, als Verifiziert vor ein paar Jahren mit dem Musikmachen begonnen hat. Mit ein paar Freunden trashige Beats auf Garage Band basteln, drüber rappen und das ganze just for fun über Soundcloud der Außenwelt zugänglich machen – mehr war da eigentlich nicht dahinter. „Irgendwann hab ich das dann alleine gemacht, dann sind die Sachen immer ernster geworden und dann gab es plötzlich halt wirklich Leute, die gesagt haben: Hey, ich hör mir das wirklich oft an, das ist echt gut.“

Seither hat die Wienerin nicht nur ihre erste EP „Sonntag 17 Uhr“ herausgebracht und sich mit ihrem melancholischen Sound auch über die österreichischen Landesgrenzen hinaus einen Namen gemacht, zuletzt hat sie mit dem Kollabo-Track „Rotkäppchen“ zusammen mit ihrem deutschen Producer-Kollegen Florida Juicy (Erotic Toy Records) und dem Berliner Rapper Longus Mongus (BHZ) sogar die eine Million-Stream-Marke auf Spotify geknackt. Höchste Zeit also, mehr über die Wiener Künstlerin zu erfahren.

Wiener Cloud Pop

Gleich vorweg, weil im letzten Absatz mehrmals das Wort Rap gefallen ist: Wirklichen Rap macht Verifiziert eigentlich gar nicht. Zumindest nicht, wenn es nach ihr geht: „Ich würde eigentlich gar nicht sagen, dass ich rappe, weil ich halt sing. Wir haben da auch schon mal länger überlegt, wie wir dieses Genre überhaupt bezeichnen können und sind dann auf Cloud Pop gekommen, weil es eben so viele verschiedene Genres sind - und ich auch gefühlt jede Woche ein anderes Genre ausprobiere“, erzählt sie im FM4-Interview.

Seit ihrem ersten Release 2019 switcht die 24-jährige genretechnisch gekonnt zwischen ballernden Trap-Beats, elektronischem Radio-Pop und langsamen Balladen, hier und da geschmückt mit einer ordentlichen Portion Auto-Tune, dann wieder ein paar Indie Gitarren-Samples oder verträumten Synths. Manchmal wirkt es fast so, als ob sich Verifiziert die Genres stützend zum Inhalt ausdenkt – aber jetzt nicht à la „traurige Songs brauchen Moll-Akkorde“: Auf „Rote Gauloises“ etwa singt Verifiziert von einem Kennenlernen im Club: Es ist fünf Uhr morgens, sie trifft jemanden, er will draußen eine Zigarette mit ihr rauchen, sie geht mit. Der dumpfe Techno-Beat, der die Story trägt, wird erst mit der Hook klarer, ein bisschen so, als ob man eben gerade vor einem Club stehen würde und den Bass schon abgestumpft spüren und hören kann, den satten Klang aber erst mitkriegt, sobald man die Türe nach innen öffnet.

Mit diesem Mix eckt sie an, testet Spielräume aus und schaut eben, was passiert, wenn sie einfach mal macht. Oben erwähnte Streaming Zahlen oder das sich-verstellen, um vorgeformte Geschmäcker zu beglücken, interessieren sie dabei herzlich wenig: „Ich finde es gut, wenn es nicht jedem gefällt. Das ist dann viel besonderer, viel wertvoller. Wenn es jedem gefallen würde, wäre es glaube ich nicht mehr so cool.“

Erinnerungsfetzen und Feelings

Während die Produktionen, die mal von ihrem guten Freund und Day-One-Begleiter sepfl, mal von den Wiener Produzenten food for thought (Edwin, Dirty Sanchez) und skyfarmer (skofi) oder dem Bremener Produzenten Florida Juicy kommen, immer wieder für kleine Überraschungen sorgen, steht textlich klar fest, worauf wir uns bei Verifiziert einlassen: Reinste Melancholie komprimiert in wenigen Worten, die auf der Stelle klare Bilder in unseren Köpfen schaffen.

Es sind verzechte, endlose Nächte und die verkaterten Tage danach, Crushes und Heartbreaks, an denen Verifiziert uns teilhaben lässt. Gefühle nehmen viel Platz bei ihr ein, so wie auch der Drang, diese zu betäuben. Das Ganze hat dabei etwas Filmisches, als wären die verschiedenen Songs einzelne Szenen eines Coming-of-Age-Films, der gerade vor uns abläuft. So singt sie etwa auf „Tschick“, der ersten Single ihres bald erscheinenden Tapes:

„Kirchglocken läuten, ich rauch’ hundert Tschick / Verlier’ die Kontrolle am Dach und es blitzt / Die Raben, sie fliegen so schnell ins Licht / Du nimmst meine Hand und sagst: „Girl, komm jetzt mit!“ / Es fängt an zu regnen, die Jacke wird nass / Ich kann nichts mehr hören, ich spür’ nur den Bass / Seh’ mein Handy leuchten, du fragst, was ich mach’ / Schießt den Pfeil in mein Herz und ich lieg’ wieder wach“

Für die Wienerin sind diese Texte Collagen aus ihrer Vergangenheit, so kitschig das jetzt klingen mag: „Es sind jetzt nicht unbedingt Tagebucheinträge, aber wenn ich Songs schreibe, denke ich an diese Zeit zurück, so zwischen 14 und 20, wo wir einfach viel unterwegs waren, viele Heartbreaks im Freundeskreis hatten, viel Streit und einfach viel erlebt. Irgendwie ging es uns so gut, aber auch so scheiße, da gibt es halt einfach so viel zu schreiben. Wenn ich einen Song schreibe, ist es so ein Drittel vom Song mir passiert, beziehe dann einen Streit zwischen zwei Freundinnen mit ein und mal daraus so quasi ein Bild aus mehreren Erinnerungsfetzen.“

Scheinbar nahtlos switcht sie in ihrer Musik zwischen ehrlichen, aufrichtigen Gefühlen und fast schon dadaistischen Spaß-Texten. Zweiteres findet man zuhauf auf einer ihrer ersten Singles „Butterflies“ oder auf „Flat White“:

„Wake up, Altbauwohnung, Wände cremeweiß / Würd’ gerne weiterschlafen
Flat White mit Hafer on Ice / Verschütte ihn auf meinem Teppich, was für ein Scheiß / Lass’ mir ein Bad ein mit viel Schaum / Dreh’ mich um und kann meinen Augen nicht trau’n / Liegt da am Sofa ein Hoodie mit gelbem Saum“

Durch diese Mischung bringt sie einen gewissen Sarkasmus rüber, eine Art des Wiener Humors, der sich aus tiefen Abgründen speist. Dass gerade dieser Wiener Charme in Deutschland so gut ankommt wird bei Verifiziert ganz deutlich, die dort schon länger als eine der spannendsten Newcomer*innen gefeiert wird: „Ich glaube, dass ganz viele meine Musik gar nicht hören würden oder mich gar nicht so feiern würden in Deutschland, wenn ich nicht aus Wien wär. Das kommt wirklich immer wieder als Argument, wenn ich irgendwo gespielt werde oder irgendwer über mich redet, ist es immer der der Wiener Charme und die Wienerinnen und bla. Also ich glaube, das ist mittlerweile schon sehr wichtig für meine Musik und für mich.“

Verifiziert

Kayra Aslan

Wohlfühl-Tape 40100

Geht es um Zukunftspläne, wird die Musikerin relativ schnell still. Bei ihr würden sich Dinge immer erst kurzfristig ergeben. „Ich will einfach Musik machen und damit happy sein“, sagt sie etwas verlegen, aber bestimmt. Von dieser Spontanität lebt ihre Kunst, so viel steht fest. Was aber auch feststeht, ist, dass am 12. November ihr Tape „40100“ erscheint, ein Wohlfühl-Tape, wie sie es nennt, „weil das auch alles in einer voll schönen Umgebung entstanden ist und mit ganz vielen Erinnerungen zusammenhängt“.

Neun Tracks werden wir darauf zu hören bekommen, von traurigen Anti-Liebesliedern, über sehr persönliche Nummern bis hin zu Tracks, die sie „einfach zum Spaß aufgenommen und die auch nur zum Spaß da drinnen sind“, erzählt sie lachend.

Zwei Songs davon sind bereits draußen: „Tschick“ und „Hol dich ab“. Und wer Verifizierts Nummern schon mal gehört hat, der weiß, dass Auto-Referenzen (40100 ist ein Taxi-Unternehmen) nicht von irgendwo kommen. Ihr erster Song war eine Hommage an ihren Golf 4, es folgten Songs über das Cruisen über die Höhenstraße und das Weinen im Auto. Im Auto würden ihr die besten Ideen für Melodien oder Texte kommen, manchmal sei es aber auch einfach befreiend, Paramore-grölend durch die Gegend zu fahren. „Ich liebe einfach Autofahren, leider“, sagt sie und lacht.

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