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bandportrait Manic Youth

Manic Youth

soundpark act des monats

Manic Youth zelebrieren und umarmen den Verlust

Von My Bloody Valentine über Dinosaur Jr. bis Wu-Tang Clan. Manic Youth loten auf ihrem Debüt „Funland“ mit ihrem 90er-Jahre-Indierock die Dramen der menschlichen Existenz aus und sind unser Soundpark Act des Monats Dezember.

Von Andreas Gstettner-Brugger

Es wummert der Bass, es dröhnen und schlingern die Gitarren, es böllert das Schlagzeug. Inmitten des noisigen Infernos bettet sich sanft die Stimme in den vielschichtigen Sound der jungen Band Manic Youth. Und schon stehen wir mitten im „Funland“, dem Zufluchtsort von Dongsu Suh, Max Zamernik, Moritz Rauter und Leon Truschner. Bass und Schlagzeug bilden das sichere Fundament, auf dem die Traumschlösser aufgebaut sind. Die noisigen Gitarrenwände haben eine glitzernde Fassade und die samtenen Stimmen bilden das heimelige Inventar, deren Betten und Couches zum Verweilen einladen.

Manic Youth haben einen Ort geschaffen, an dem alles sein darf. Auch die schwierigen Themen und Emotionen.

Von Ängsten und Gefühlschaos

„Funland“ ist wie so einige Alben letztes Jahr im ersten Lockdown entstanden. Die vier Musiker haben sich manchmal auch illegalerweise im Proberaum getroffen und so hat sich unter die positive Aufregung, an neuen Songs zu arbeiten, die Paranoia gemischt, dass ein vorbeigehender Mensch hören könnte, dass hier Musik gemacht wird. Diese Paranoia hat auch den Weg auf das Album gefunden.

Manic Youth "Funland" Albumcover

Manic Youth/Sissi Records

„Funland“, das zweite Album von Manic Youth ist bei Sissi Records erschienen.

Immer wieder werden die „neuen Ängste“ der jungen Generation angesprochen. Gleich der erste Song „Telephobia (a new end)“, der explosiv mit schleppendem Beat und lauten, verzerrten Gitarren das neue Album eröffnet, verhandelt die Angst, ohne mobiles Telefon auskommen zu müssen. Schlagzeuger Moritz Rauter hat mittlerweile eine große Abneigung gegen social media und die ständige Erreichbarkeit entwickelt. Denn auch er kennt die Angst, zu glauben etwas zu verpassen, wenn man nicht ständig online und erreichbar ist.

Auch die Single „Crystal Mess“, die flockig locker in sanftem Pop-Gewand daherkommt, entwickelt sich vom anfänglichen Verliebtheitsgefühl zur angstvollen Desillusionierung und spiegelt den inneren Kampf und die Verwirrtheit, die sich aus romantischen Beziehungen ergeben kann. Wir stecken tief in der „Crystal Mess“, dem Gefühlschaos, wobei im Song offenbleibt, was am Ende passiert, hat man sich erst mal aus dem Schlamassel befreit.

Von der Verliebtheit zur Selbstliebe

Moritz beschreibt das Album sehr schön damit, dass es der Versuch sei, die tragische Wucht der irdischen Existenz auszudrücken. Was kann da tragischer sein, als im Taumel von schwierigen Beziehungen zu stecken? Man könnte dem Album auch einen gewisses Erwachsenwerden attestieren. Nicht umsonst nennt sich eine Nummer „Coming Of H“, in der die Jungs mit Cure-ähnlichen Phaser-Gitarren und verträumten Melodien davon sprechen, nur langsam älter zu werden, sich trotzdem an jedem Punkt gegen das „auto-tune perfume“ zu entscheiden und doch lieber ein bisschen „out of tune“ bleiben zu wollen.

Der immer etwas schiefe Gesang und die Magie der Songs, die oft in den kleinen Fehlern und „Ungenauigkeiten“ stecken, stehen ganz in der Tradition der Vorbilder von Manic Youth. Ganz oben auf der Liste stehen My Bloody Valentine, die mit ihren eiernden Gitarren, dem unglaublich breiten Noise-Sound und der versteckten Stimme, die eher wie ein Instrument eingesetzt wird, dem 90er-Gitarren-Indierock eine ganz besondere Prägung gegeben haben. Auch der immer etwas schief klingende Weltschmerz von Dinosaur Jr. ist herauszuhören, wie auch die Liebe zur Laut-Leise-Dynamik von The Notwist, die sie mit dem Album „Nook“ und „12“ perfektioniert haben. Und es sind - wie kann es anders sein - Parallelen zu Naked Lunch oft herauszuhören. Schließlich sind die Jungs nicht nur in Klagenfurt aufgewachsen, sondern mit Max Zamernik findet sich auch der Sohn von Herwig Zamernik alias Fuzzman und Bassist von Naked Lunch als Herr der tiefen vier Saiten in der Band wieder.

All diese Referenzen passen sehr gut zur mitschwingenden Melancholie, die bei Manic Youth trotz der Tragik immer wieder etwas Versöhnliches hat. Denn auch wenn Liebesbeziehungen zerbrochen sind, so wird doch in einer inneren Umarmung des Verlusts auf das „Queengirl“ geblickt.

So wachsen die Herzen von Manic Youth trotz Schrammen und Verletzungen, werden größer und schwenken von der Verliebtheit zur grenzenlosen Liebe, zur Selbstannahme mit all den Fehlern und Schwächen und dadurch zur Selbstliebe, die Grundlage ist für gute Beziehungen.

Shoegaze für das Ende der Traurigkeit

Das „Funland“ von Manic Youth, durch das wir spazieren können, bietet uns Raum und Zeit zu träumen, sich in den breiten, wattigen Sound der Band fallen zu lassen, wegzudriften und so vielleicht auf die verschütteten Gefühle und Bedürfnisse zu kommen, die uns nur allzu leicht im dahinrauschenden Alltag verloren gehen.

„Funland“ ist Zufluchtsort und Reflexionschance zugleich. Man kann sich einfach treiben lassen von den energiegeladenen Songs und sich eine Pause von „der Welt da draußen“ nehmen. Gleichzeitig bietet es die Möglichkeit, in sich zu blicken und die Resonanz der Themen wahrzunehmen, die sich in den verwaschenen Songs verstecken. Spaß macht diese grandiose musikalische Musiklandschaft allemal. Nicht zuletzt ist es in den Zeiten des Verlusts und der Distanz eine wärmende Umarmung, die uns daran erinnern soll, was uns Menschen ausmacht: füreinander da zu sein und uns gegenseitig mit all den Fehlern und Verwirrungen anzunehmen, die Stärken und den Mut zu fördern, die eigenen Träume zu verfolgen.

So kann das „Funland“ das Ende der Wut über Enttäuschungen und Traurigkeit über Verluste einläuten. Denn genau das hat das Aufnehmen der Platte für die vier Musiker bewirkt, ein Stück weit den Kampf mit der Welt und mit sich selbst loszulassen.

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