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Oskar Haag

Michelle Rassnitzer

Das große Talent von Oskar Haag: Einfach ein guter Popsong

Spätestens seit dem Wiener Popfest 2021 sind er und seine Musik talk of town: Oskar Haag ist einer der spannendsten neuen Musiker aus Österreich. Ein Porträt.

Von Lisa Schneider

Wie er nur wünschte, das mit der Schule und allem Rundherum wäre schon vorbei, seufzt Oskar Haag ins Mikro. Wir unterhalten uns einmal mehr virtuell, er zeichnet in seinem Schlafzimmer in Kärnten auf, ich auf der anderen Seite. Ich stimme zu, die siebte Klasse Gymnasium ist öd, in Anbetracht dessen, dass die achte mit Matura ja dann erst noch folgt. Es ist die Musik, auf die sich Oskar Haag viel lieber konzentrieren würde als darauf, Chemiereferate auf Englisch zu verfassen. Auch hier: zustimmendes Nicken an beiden Enden der Leitung.

Zuerst war da ein Lied, dann war da ein Gerücht. Fritz Ostermayer hat im Frühsommer im FM4 Sumpf einem Lied zur Radiopremiere verholfen, wie das ja schon häufiger - mit anschließend großem Erfolg - passiert ist. Oskar Haag heißt dieser junge Mensch, „Stargazing“ der Song. Alle mögen Sensationen, auch deshalb hat sich diese schnell in Gesprächen österreichischer Musikspürnasen manifestiert und ist gegipfelt im Livesommerhighlight 2021, am Wiener Popfest. Heuer erstmals in der Arena Wien angesiedelt, wurde aber zumindest am Abschlussabend, am Sonntag, die Karlskirche zum traditionsreichen Austragungsort.

Zurück zum Gerücht. Das Popfest Wien steht seit jeher dafür, vor allem auch den jüngst zu entdeckenden österreichischen Musiktalenten eine Bühne zu bieten. Auch wenn das Programm in den letzten Jahren verstärkt um schon etablierte Namen der Szene erweitert worden ist. Bei Oskar Haag war es aber dann tatsächlich eine Premiere, und was für eine: Er hat an besagtem Sonntagabend sein allererstes richtiges Konzert vor den rund 500 Kirchgeher*innen gegeben. Er war zu diesem Zeitpunkt 15 Jahre alt. Es wird bald Menschen geben, die sich gegenseitig beglückwünschen und sagen werden: „Ich war dabei.“

Nervös oder überbeeindruckt ob der sakralen Umgebung war Oskar Haag nicht. Er spielt einfach. Das ist die Art von Musik, die man mit ein bisschen Glück in einem guten englischen Pub hört. Junge Menschen vom österreichischen Land gründen oftmals eine Band, Austragungsort ist die Garage irgendeines Freundes oder vielleicht der Hobbykeller von Papa. „Mein Pop, sagen viele, ist halt sehr nah dran an mir als Künstler“, sagt Oskar Haag im FM4 Interview kurz vor dem Auftritt. Damit meinen sie wohl die Essenz des guten Singer-Songschreibertums, die Kunst also, Geschichten zu erzählen, die zu gleichen Teilen persönlich und universell sind. Oskar Haag schreibt genau solche Lieder und er schreibt sie in seinem Schlafzimmer.

Oskar Haag: ein Act to watch fürs Musikjahr 2022.

Zu diesem Zeitpunkt, Sommer 2021, war es noch möglich, sich mehrere Lieder von Oskar Haag - free for all - beim Online-Musikdienst Soundcloud anzuhören. Wie das halt läuft, man schreibt und nimmt auf und lädt hoch und hofft, irgendjemand, der was zu sagen hat, möge darüberstolpern. Und schon kurz nach dem Sommer 2021 und all dem Raunen und Staunen über Oskars Talent waren sie verschwunden, diese Lieder. Weil er Menschen hinter sich hat, die das Musikbusiness kennen. Verschenkt wird nichts. Oskar Haags Vater ist Oliver Welter, wir kennen ihn von der beinah schon altehrwürdig guten Band Naked Lunch.

„Stargazing“ bleibt also aktuell die erste und einzige Single, die Oskar Haag offiziell im Herbst letzten Jahres veröffentlicht hat. Andere Lieder (wir werden sie wohl bald wieder und dann offiziell veröffentlicht zu hören bekommen) tragen Titel wie „Your hands in mine“, „Don’t exist, just live“ oder „Lullaby“. Alles Lieder von komplizierter Schönheit, aber nur, was den Inhalt angeht: Es geht um die unbeantwortete, die mühsame, die manchmal doch noch gute Liebe. Wenn jemand in diesem Alter von Erfahrungen singt, die er so wohl selbst noch gar nicht gemacht haben kann, zeugt das entweder vom Studium der Großen oder von großem Talent. Bei Oskar Haag ist beides der Fall.

In all diesen Texten und Liedern steckt auch etwas rührend Ehrliches, eine wohltuende Naivität. Hier schreibt und spielt und singt jemand, dessen Gedanken noch nicht - oder noch nicht allzu lang - gejagt und angefüttert sind mit zu vielen erlebten Katastrophen und Nachrichten und Weltuntergängen. Das ist die totale Unmittelbarkeit.

Oskar Haag schreibt seine Lieder frei nach dem Motto „Es gibt keine kleinen Popsongs“, und spätestens da müssen die Referenzen herhalten, alle Superlative dürfen sein. Paul McCartney ist Oskars Lieblings-Beatle („weil der einfach alles kann“), man spürt da ein bisschen was von Bowies Harmoniegewalt. Schließlich hört man auch bei einem Song die „Masterplan“-Phase von Oasis heraus. Aber auch die haben ja alles von den Beatles gelernt.

Oskar Haag

Michelle Rassnitzer

Oskar Haags Lieder sind deshalb so gut, weil sie gleichzeitig nichts (Set-up, Instrumentierung) und alles (Komposition) neu erfinden. Weil sie in einer Zeit, in der Popmusik so facettenreich wie nie geschrieben wird, ohne Pomp und Kitsch und Ausschmückungen, ohne Angeberei auskommt. Einfach, aber dezidiert. Ein guter Popsong ist im Kern gut.

Im FM4 Gästezimmer hat Oskar Haag uns einige seiner Lieblingslieder vorgestellt. Von The Beatles über Beirut bis The Ronettes.

Ist man also ein Star, wenn man auf Instagram mit Harry Styles (die Single „Sign Of The Times“ hätte auch Oskar Haag gut gestanden) verglichen wird? Oder andere Menschen beginnen, das einzige Lied, das man bisher rausgebracht hat, zu covern? Wenn dieses auf Spotify in wenigen Wochen schon knapp 58.000 Mal gestreamt wurde? Wenn ja, ist Oskar Haag in der Zwischenzeit wieder drei Schritte weiter. Auch auf professioneller Ebene wurde angedockt: Oskar Haag wird von Stefan Redelsteiner unterstützt, der ja auch schon dem Nino aus Wien, Voodoo Jürgens oder Wanda zum Erfolg verholfen hat.

Oskar Haag hat es mit „Stargazing“ an die Spitze der letzten FM4 Charts 2021 und nochmal an die der ersten FM4 Charts 2022 geschafft. Aktuell schreibt er an seinem ersten Album, „weil auch, wenn das Album von vielen totgesagt worden ist, geht es mir dabei um den künstlerischen Ausdruck“, so Oskar. Es soll im Mai erscheinen.

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