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Franz Ferdinand

Franz Ferdinand

ROBERT ROTIFER

„Close to home“

Ein Wiedersehen mit Alex und Bob von Franz Ferdinand - und mit meiner eigenen Vergangenheit - zum heutigen Erscheinen ihrer Best-of-Compilation „Hits to the Head“.

Eine Kolumne von Robert Rotifer

„Hits to the Head“, das klingt gerade für eine Band, der es immer so sehr um die Bewegung der Füße ihres Publikums ging, eigentlich nach einer ziemlich zerebralen Ausrichtung. Als noch analoges Gemüt wäre mir ja eher so was wie „FF RWD“ eingefallen (Get it??), also vielleicht gut, dass mich niemand gefragt hat. Reden wir nicht drum herum, sprechen wir es aus:

Die Band Franz Ferdinand wurde vor zwei Jahrzehnten gegründet, ihr erstes Album ist bereits volljährig, man könnte auch sagen, sie sind offiziell eine alte Band.

Robert Rotifer moderiert FM4 Heartbeat und lebt seit 1997 in Großbritannien, erst in London, dann in Canterbury, jetzt beides.

„Wer heute 18 ist, wurde im Jahr der Erscheinung unseres ersten Albums geboren. Da geht es also nicht einmal um Kindheitserinnerungen, sondern jene andere Art von Nostalgie, die ich in diesem Alter für die Kinks empfand. Das war etwas Mysteriöses aus einer Zeit, die ich nie erlebt hatte."

So sprach Alex Kapranos, der nächsten Sonntag 50 wird, als ich ihn und Bob Hardy vor drei Tagen in einem Gastgarten in Islington traf. Ich darf berichten, er ist immer noch genauso schlank wie früher, immer noch glaubhaft Popstar, immer noch volles Haar (Bob not so much, aber kahl mit Bart steht ihm gut), dem eigenen Vergleich zufolge sind sie aber offenbar selbst ein Stück mysteriöse Vergangenheit.

Und es stimmt schon auch: Als im September 2003 die erste Single von Franz Ferdinand erschien, gab es noch nicht einmal Facebook, aber es gab eine FM4 Website, auf der war ich „Host“ und schrieb damals einen Blog über die „bright young things aus Glasgow“, den ich 19 Jahre später selbst nicht unamüsant finde (hier klicken: The Latest Contenders).

Ein Auszug:
„Franz Ferdinand haben jedenfalls das bestangezogene Publikum der Stadt, und sie haben es verdient. Zur Klärung für Unbekehrte: Der Name der mit deutschem und griechischem Blut durchmischten, in ihrer Anlehnung an die alte Postcard-Ästhetik aber zutiefst schottischen Band hat nichts mit fehlgeleitet nostalgischen Sehnsüchten nach verblichenen Monarchen zu tun, sondern allein mit der unschuldigen Freude an der Alliteration und obsoleten, in diesem Falle zufällig österreichischen Vornamen. Nicht unstolz darf man allerdings darauf sein, dass die Band in Form ihres Eindringens in die Top Ten der FM4 Charts in der Ex-Heimat des gleichnamigen Erzherzogs gerade ihren ersten kontinentalen Durchbruch erringt, was mir wiederum auf der heiß umfehdet, wild umstrittenen Gästeliste den knackigen Ehrentitel ‚Austrian dude‘ einbrachte. So soll es sein.“

Ziemlich begeistert von sich selber, der Rotifer damals. Na, es sei ihm gegönnt, später wird ihm dann der Rücken wehtun. Nur den bissel grenzsexistischen Satz, dass „das Rocken erfreulicherweise“ nicht dem Band-Motto „’Music for girls to dance to’ zum Opfer gefallen“ sei, den tun wir in der Anthologie dann raus.

Jedenfalls gab es 2003 im tiefsten West-London ein kleines, bis dahin eher kunstig verschrobenes, von Exilschotten betriebenes Indie-Label namens Domino Records, das steckte sein ganzes Kapital in diese Popband aus Glasgow mit der Dada- und Konstruktivismus-Ästhetik. Erst Mundpropaganda, dann ganz viele Plakate, bis man (wie ich später erfuhr) die Stromrechnung nicht mehr zahlen konnte.

„Das ist lustig“, sagt Alex heute, „Ich konnte meine Stromrechnung damals nämlich auch nicht zahlen. Zwei Jahre lang. Vielleicht hatten wir einfach beide (Franz und Domino, Anm.) diese Bedenkenlosigkeit zu sagen: Fuck it! Lass uns einfach alles da reinwerfen und schauen, was passiert.“

Doch bevor wir so tun, als wäre der Rest der Laufbahn von Franz Ferdinand 18 Jahre happy ever after gewesen: Der große Einschnitt, den man in „Hits To The Head“, einer streng chronologisch gereihten Compilation, ganz klar heraushört, ist der Abgang des halben Bayern Nick McCarthy im Jahr 2016. Es brauchte mit Dino Bardot und Julian Corrie gleich zwei Leute, um ihn zu ersetzen (schon ein Kompliment seitens der Ex-Kollegen), und es gab seither nur mehr ein neues Album, „Always Ascending“, im Jahr 2018.

Die Band in Team-Pose: Eine Staffel wird übergeben, man zieht am selben Strang

Franz Ferdinand

Im Vorfeld von „Hits to the Head“ wiederum hat Schlagzeuger Paul Thomson die Band verlassen (Eine lange Geschichte, die – sehr komprimiert ausgedrückt – auf den schweren Bruch seiner Hand durch ein herabfallendes Gemälde am Abend nach einem Gig in einer Hotellobby in Marokko zurückgeht. Am selben Tag hatte die Band dem Begräbnis von Produzent Philippe Zdar in Paris beigewohnt. Manchmal wird einfach alles zu viel, und manchmal braucht es seine Zeit, bis man das einsieht). Paul wurde inzwischen durch Audrey Tait ersetzt – die Bubenband, die etwas anmaßend behauptete, sie mache Musik, zu der Mädchen tanzen können, tanzt jetzt also selbst zum Beat einer Frau.

Als Originalmitglieder verbleiben Alex und Bob, dessen Bass bis heute den Aufkleber mit den Stimmtönen E A D G trägt, als selbstironischer Hinweis darauf, dass er die Band weniger als Musiker, denn als der Künstler mit den visuellen Ideen und den ästhetischen Grundsätzen geprägt hat.

„Die Band entstand daraus, dass Bob und ich über die Idee sprachen, in einer Band zu sein. Darüber, was es ist, Musik zu machen, und was uns daran aufregt. Und das ist die zentrale Frage.“

Stimmt’s, Bob?

„Ja“, sagt er, „da ist sicher was dran“.

Bob sagt auch noch einiges anderes, vor allem über die derzeitige Szene in Glasgow, die er immer noch so erfrischend DIY und speziell findet wie damals, nur eben neu. Er ist nämlich keineswegs wortkarg, sondern redet lieber über die Kunst anderer Leute. Das Wortführen für Franz Ferdinand erledigt Alex ohnehin immer schon bestens.

Auf „Hits to the Head“ sind jedenfalls die als Kaufanreiz für solche Compilations obligaten zwei neuen Songs drauf, der eine, „Billy Goodbye“, reflektiert songschreiberisch und produktionstechnisch das digitale Phänomen der schwellenlosen Gleichzeitigkeit von Gegenwart und Geschichte: „Ich wollte, dass sich das anfühlt, als käme es gleichzeitig aus 2022, aus dem Jahr unserer Gründung 2002, und dem Jahr meiner Geburt 1972", erklärt Alex, „Ich glaube, dass wir Musik heute so verstehen. Nicht auf eine postmodern ironische Art, sondern als natürliche Gegenüberstellung“.

„Curious“ wiederum, der andere neue Song, ist ganz klar programmatisch: Man ist immer noch neugierig auf die Zukunft, die alte Band will immer noch Neues erfahren.

Weil aber eben diese Zukunft allgemein ja gerade nicht so rosig aussieht, noch eine ernste Anmerkung zum Schluss: Als Franz Ferdinand gegründet wurden, war die Welt auch keine friedliche. Es war die Zeit der amerikanisch-britischen Invasion in den Irak. Vorgestern, am Tag nach meinem Interview, spielten sie im Roundhouse in Camden bei einem Benefiz für die von Russland angegriffene Ukraine (die Band hat alle ihre geplanten Russland-Konzerte abgesagt).

Plattencover mit Grafik

Domino Records

„Als wir diese Band gründeten und nach der Figur benannten, deren Tod den ersten Krieg des zwanzigsten Jahrhunderts in Europa auslöste, war das eine Sache aus den Geschichtsbüchern“, sagt Alex, „Wir dachten nicht, dass wir eine Zeit erleben würden, wo ein europäisches Land in ein anderes einmarschiert. Das geht einem sehr nahe, schließlich spazierten wir selbst durch Straßen von Odessa und Kiew, als wir auf unserer letzten Tour dort spielten. It feels very very close to home“.

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