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Mädchen mit Riesenei im Kinderzimmer. Szene aus "Hatching".

Crossing Europe

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Gustav Hoegen erweckt Filmgeschöpfe zum Leben

Dank Animatronics und Mechanical Character Design FX leben gar wunderliche Kreaturen im Kino auf. Gustav Hoegen ist ein Spezialist dafür: Seine Kunst ist u.a. in „Star Wars“-Filmen zu sehen und jetzt in „Hatching“ von Hanna Bergholm. Der gebürtige Niederländer ist zu Gast am Crossing Europe in Linz.

Von Maria Motter

Gustav Hoegen schaut am liebsten Filme, die im Realismus zuhause sind. „Boiling Point“ mit dem britischen Schauspieler Stephen Graham etwa fand er super, es geht um eine Nacht in einem Restaurant in London, gedreht in einem Take. Der Zauber von fantastischem Film ist dem gebürtigen Niederländer zu vertraut: Beruflich erweckt er fantastische Kreaturen zum Leben, Animatronics und Mechanical Creature FX sind sein Gebiet.

Nach Arbeiten für große Produktionen und Klienten wie Lucasfilm LTD und Universal Studios hat er sein eigenes Biomimic-Studio in London gegründet. In „Hatching", der am Eröffnungsabend des Crossing Europe“ in Linz zu sehen war, wird das jüngste Geschöpf zum Alptraum einer Vloggerfamilie. Und bei Quentin Dupieux’ nächsten Film hat er viel beigetragen, doch mehr dazu bleibt bis zur Cannes-Premiere geheim.

„Hatching“

Auf das Geschöpf Alli in “Hatching“ von Hanna Bergholm kann man nur im Trailer einen Blick erhaschen. „Darum, wie die Zunge aussehen sollte, haben sich 50 E-Mails gedreht“, erzählt Gustav Hoegen in Linz, wo „Alli“ sich schon auf der Leinwand voll entfaltet hat. Am Slash 1/2 Festival in Wien wird es auch zu erleben sein.

Im FM4-Interview lässt Gustav Hoegen uns hinter die Kulissen blicken und nimmt uns in seinen Schilderungen mit in sein Studio. Der Kopf der Kreatur „Alli“ hat die Größe eines Fußballs und darin mussten die Motoren und die Mechanik Platz finden, mit der die Mimik möglich wird. Den Augenausdruck lenkte Gustav Hoegen via Fernbedienung.

Der Rest der Kreatur wurde von Puppenspielern mit Metallstangen in Bewegung gesetzt. Und CG zauberte die Puppenspieler mit ihren Metallstangen für die finale Version aus dem Bild. „Das Puppenspiel mit Stangen ist eine so alte Methode und es lässt die Figur so lebendig aussehen“.

Mädchen mit Riesenei in ihrem Kinderzimmer. Szene aus "Hatching".

Crossing Europe

Schauspieler*innen haben so tatsächlich die Kreaturen gegenüber am Set. Und müssen sich nicht Dinge vorstellen, die später am Computer hinzugefügt werden. Für die 12-jährige Siiri Solalinna war „Hatching“ der erste Film, in dem sie mitgespielt hat. Und dann gleich mit einem vogelähnlichen, animatronischen Monster als Kompagnon.

„Alien“ und „Robocop“

Die 80er Jahre waren die goldenen Zeiten der Animatronik. „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ hat Gustav Hoegens Interesse für all das Handwerk und die Kunst geweckt, die in Filmkreaturen steckt und das ihm zuerst einfach nur wunderbar erschien. Sein Vater hat ihn als Sechsjährigen mit ins Tuschinski-Theater in Amsterdam mitgenommen. „Ich erinnere mich noch heute daran, ich war komplett überwältigt“, sagt Gustav Hoegen. Dann hat er „Alien“ und „Robocop“ gesehen – „‘Robocop‘ sehen manche als Parodie, aber für mich ist das ein sehr gut gemachter Film.“ –, die Fernsehserie „The Storyteller“ von Jim Henson mit Puppenspiel und derart viele Low-Budget-Horrorfilme, dass seine Eltern schon begannen, sich Sorgen zu machen. Doch das Interesse war groß und ernsthaft.

Gustav Hoegen

Gustav Hoegen

Was Gustav Verhoegen sah, versuchte er selbst umzusetzen. Er zeichnete Pläne, las Bücher über Spezialeffekte im Film und lernte, man verwendet Tonmodelle und Abdrücke. Kunstbücher mit den Werken der niederländischen Meister kamen hinzu. Hoegens Eltern haben in der Modebranche gearbeitet, der Vater als Designer, die Mutter später im Bereich Interior Design. „Wenn man seinen Kindern Kunst näherbringt, ist das ermutigend. Es ist das Schlimmste, wenn Kinder von Eltern hören, es wäre dumm und würde zu nichts führen, wenn sie kreativ sind. Es gibt definitiv Platz für kreative Menschen in dieser Welt“, sagt Gustav Hoegen. Und so ein Ort ist heute London.

„’Star Wars’-Filme wurden in den Elstree Studios in Hertfordshire, nahe London, gemacht. So viele Klassiker wurden in England gedreht. ‚Alien‘, ‚Aliens‘, ‚Indiana Jones‘, auch ‚The Shining‘. England hat eine große Filmproduktionskultur und gerade setzt sich das fort. Viele der Marvel-Filme werden dort gedreht, viele Netflix-Produktionen. Jetzt boomt es gerade und sie haben buchstäblich nicht genug Platz in den Studios für die Nachfrage, speziell von Streamingdiensten.“

CG und Animatronics kombiniert

Animatronische Kreaturen und Humanoiden zu erschaffen, ist ein sehr alter Wunsch in der Menschheitsgeschichte. Wie groß ist heute die Konkurrenz zwischen digitalen Animationen und Animatronik, also mechanisch gebauten Figuren? CG, also computergenerierte Arbeiten machen den größten Teil der Effekte aus. „Das ist ziemlich beängstigend geworden, als ich Ende der 1990er, Anfang der 2000er in meinem Beruf zu arbeiten angefangen habe. CG kam auf und die Menschen waren so angetan davon, dass die praktische Seite in Vergessenheit zu geraten schien. Es gab sie noch, aber viele in der Branche wurden nervös und dachten, es bleibt uns vielleicht noch ein Jahrzehnt, dann war’s das.“

Die Arbeit veränderte sich, Animatronik und angewandte Effekte waren kaum gefragt. Doch Gustav Hoegen blieb dabei, und ab 2010 stieg die Nachfrage nach greifbaren Dingen. „Vielleicht war es das Publikum, das sich sattgesehen hatte an digitalen Effekten, vielleicht war auch Nostalgie dabei – ich kann mich auch irren, doch viele der heute etablierten Regisseure sind in der Zeit aufgewachsen, in der E.T. und die Gremlins erschaffen wurden und das waren alles Puppen.“

CG ist augenscheinlich nach wie vor dominierend, aber Regisseur*innen nehmen Animatronik wieder wahr. „Ridley Scott ist ein Pionier, wenn es um Creature Films mit Aliens geht. Er hat vermutlich den besten Creature Film aller Zeiten gemacht. Mit ihm zu arbeiten, war so schön. Dieser legendäre Regisseur mit einem ganzen Studio mit der neuesten Technik und einer Crew immer zur Hand. Aber wenn er eine Einstellung drehen wollte, hat er es sich nicht nehmen lassen, eine Gummi-Kreatur an einer Schnur zu befestigen, sie zu ziehen und zu drehen. Ridley Scott ist so fortschrittlich in seiner Art, Filme zu machen, aber er verlässt sich auch noch gern auf alte Tricks und das ist wirklich erfreulich.“

„Hatching“, Schritt für Schritt

Hoegens Kreaturen sind am Set Charaktere. Zum Leben erweckt er sie lange vorher. Regisseurin Hanna Bergholm kam für ihren Body-Horror-Film „Hatching“ mit dem Design für die Kreatur auf Hoegen zu, der gerade die Arbeit für „Star Wars“ abgeschlossen hatte. Ein krasses, angsteinflößendes Geschöpf sollte es werden, das aber auch für ein Mädchen zum Verbündeten werden könnte.

Als Erstes hat Hoegen den Entwurf der Kreatur in vier Größen ausgedruckt. Ein 12-jähriges Nachbarkind stand Modell. Als Nächstes schuf ein Bildhauer Tonobjekte. „Man könnte auch 3D-Modelle stattdessen machen, aber ich mag es so, und Hanna hat sich das angesehen. ‚Lasst die Rippen mehr hervorstehen‘. In diesem Stadium kann man gut Veränderungen vornehmen.“

Dann macht jemand eine Glasfaser-Form der ganzen Figur, danach geht’s schon an die Latexhaut, für die es auch eine Form braucht. Somit ist alles da, in das die Mechanik passen kann und muss. Das Kopf des „Hatching“-Monsters ist voll Motoren, die über Fernbedienung gesteuert werden, die Glieder sind Faserrohre mit Aliminiumbeschlägen, an denen dann die Metallstangen andocken. „Die meisten Puppenspieler sind auch Schauspieler*innen, was will man mehr!“, freut sich Hoegen.

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