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Bilderbuch

Nikolaus Ostermann

Endlich wieder Dates mit Bilderbuch!

Die Dancemoves und die Songs sind neu - die Begeisterung ist gleich geblieben. So war Bilderbuchs fulminanter Start in ihre dreitägige Residenz auf der Open Air Bühne der Wiener Arena.

Von Alica Ouschan

Auch wenn es bisher erst einmal passiert ist: Die dreitägigen Bilderbuch-Festspiele haben genau wie die Band Kultstatus. Fünf Jahre ist es her, dass die Golden Retriever der österreichischen Popmusikszene schon einmal drei ausverkaufte Open Air Shows in der Arena gespielt haben. Seitdem ist viel passiert: drei Alben, größenwahnsinnige Shows in Schönbrunn, Headliner Slots am Frequency Festival.

Als die Menschen gestern ins Areal der Arena tigern und die gespannte Erwartung in der Luft auf Biergeruch und Frühlingsduft trifft, fühlt es sich aber eigentlich so an, als wäre das alles erst gestern gewesen. War es aber nicht, denn wenn wir den kurzen Auftritt beim Benefizkonzert im Ernst-Happel Stadion vor wenigen Wochen mal außer Acht lassen, ist es das erste Bilderbuch Open Air Konzert seit sage und schreibe drei Jahren.

Nach Hause kommen

Umso dringlicher ist auch das Bedürfnis, die leidenschaftliche Beziehung zwischen Band und Fans aufleben zu lassen. Die Arena füllt sich rasch, noch chillen die Leute sitzend auf der Wiese - but not for long, denn Bilderbuch haben auch für ihre diesjährigen Festspiele einen Support Act mitgebracht, der definitiv rotblinkend aufs Radar gehört. Haben die Oberösterreicher 2017 noch ihren Homeboy Mavi Phoenix mitgenommen, so steht auch diesmal Nachwuchs aus Linz auf der Bühne.

Uche Yara

Nikolaus Ostermann

Und wenn das bis heute nicht klar war: Bilderbuch haben ein Händchen für alles was gut ist. Die 19-jährige Uche Yara ist mit ihrer Band schon jetzt die Überraschung des Abends. Mit Sprüchen wie „diesen Song habe ich nach meiner Matura geschrieben“ und „Letztes Mal stand ich selber noch da unten in der ersten Reihe und war ein Bilderbuch-Fangirl“ kündigt sie ihre hitverdächtigen Songs an.

Reinhörenswert für Fans von Shamir, Tash Sultana, 070 Shake und Willow bringt Uche Yara energiegeladene Gitarrenmusik auf die Bühne. Früh kommen lohnt sich, denn auch der Bilderbuch-Flair kommt in ihrer Musik nicht zu kurz. Ihr astreines Set beendet sie mit den Worten: „Das war übrigens unser erstes Konzert. Alle Songs die ihr heute gehört habt, waren eine Uraufführung!“ - Tja, Mic gedropped könnte man sagen.

Uche Yara

Nikolaus Ostermann

Als nach kurzer Umbaupause endlich die strahlenden Bilderbücher vor die jubelnde Menge treten, fühlt es sich an wie nach Hause kommen. Vor einem für Bilderbuch-Verhältnisse fast schon minimalistisch gehaltenen Bühnenbild aus Reisentüchern in verschiedenen Grüntönen startet die Band mit dem neuen Track „Golden Retriever“. Der Song hat ähnliche Hit-Vibes wie andere Bilderbuch-Einzelstücke, wie „Mr. Refrigerator“ oder „Kitsch“.

Grün ist das Feld

Obwohl die Stimmung vom ersten Ton an bombastisch ist, halten sich Bilderbuch in der ersten Hälfte ihrer Show gefühlt noch zurück. Zwar haut Snacky Mac (huch, schon wieder ein neuer Nickname!) in die Seiten, Maurice packt unerwartete neue, explosive Dancemoves aus, Bassist Peter Horazdovsky bricht sich den Stöckel vom Schuh ab („8cm pure Freude!“) und spielt ab da Barfuß - die Crowdpleaser lassen aber noch auf sich warten.

Die Nummern von „Gelb ist das Feld“, die für die ein oder anderen Paar Ohren vielleicht auf Platte noch eher verhalten klangen, entpuppen sich live zu richtig gut funktionierenden Pop-Songs. Und funktionieren tut auch das Publikum auf Abruf, denn als Maurice die erste ältere Scheibn ankündigt ist der Mitmach-Chor vor der Bühne mehr als ready. Alle Kinder singen „Spliff“ - was auch sonst?

Das Feld ist also jetzt nicht mehr gelb sondern grün, Rosen fliegen auf die Bühne und Maurice beginnt gegen die Monster von Hochhäusern zu wettern, die aktuell direkt hinter der Arena gebaut werden: „Fuck die BUWOG Towers!“ sagt der Mann, der schon immer für seine extravaganten Bühnenansagen gefeiert wurde. Mit „Da bauen die das hin, dann ziehen sie ein und dann beschweren sie sich, dass wir hier zu laut sind“, startet Maurice seinen offiziellen Protest, der sich noch durch den ganzen Abend ziehen wird.

Er wirft die Rosen, die eben noch auf die Bühne geflogen sind, zurück in die Menge und von da an wird die Album-Show zur Hitparade: „Bungalow“ lässt die Ausgelassenheit auf ein neues Level hochschießen, „Kitsch“ - ein Song der Aufgrund seines Releases im Oktober 2019 wahrscheinlich noch nie ein Live Publikum gesehen hat - entpuppt sich als neue Lieblingslivenummer und „Checkpoint (Nie Game Over)“, dem Song der die kollektive Sentimentalität jedesmal wieder aufs neue Hochleben lässt, führt zu vielen schönen Menschen auf schönen Schultern, emotionsreichem Mitsingen und der ein oder anderen Träne des Glücks.

Gelb ist der Handschuh, oder?

Nach einem ersten Abgang kommen Bilderbuch in ihren perfekt aufeinander abgestimmten Bühnenoutfits - rosa-karriert, bunt-gestreift und schwarz-weiß - zurück auf die Bühne: „Wir spielen Zugaben, bis uns die BUWOG anzeigt!“ kündigt Maurice an. Na das wollen wir doch mal hoffen.

Klar ist, dass man bei einem derartig großen Repertoire an Dauerbrennern, wie es diese Band nach mittlerweile sieben großartigen Alben vorweisen kann, auch Abstriche machen muss. Vor allem bei einer Album-Show. Trotzdem gibt es gewisse Songs, auf die nur ungern verzichtet wird. Rufe nach „Schick Schock“ werden laut, „LED Go“ wird eingefordert - stattdessen gibt es „Ab und Auf“ vom neuen Album und Maurice zieht sein Shirt aus, im Song geht’s ja schließlich auch um sexy-time.

Nach fünf Zugaben wird es dann aber endlich Zeit für das Unausweichliche: Die Menge will ihn sehen, den gelben Handschuh. Doch oh Wunder (oder oh Schreck?), als die „Maschin“ gestartet wird, steht Maurice ohne seinen gelben Handschuh da. Vielleicht ist das ein Zeichen dafür, dass alles irgendwann mal ein Ende finden muss. Oder ihm ist der Gag nach dem dreitausendsiebenundzwanzigsten Mal zu blöd geworden. Oder irgendwer hat den Handschuh im Tourbus liegen lassen.

Jedenfalls brüllt die Arena die Zeilen auch ohne Handschuh mit Inbrunst mit, Maurice gibt noch einmal seine neuen Tanzschritte zum besten. Die sind zwar nicht ganz so treffsicher und gezielt eingesetzt wie sonst, sondern eher von experimenteller Natur - haben aber trotzdem den gewünschten Effekt.

„Maschin“ verklingt, der Jubel ist groß, das Konzert ist aus, alle sind glücklich. Irgendwer hat mal gesagt: „Bilderbuch kann nix falsch machen“ und das scheint sich mit diesem ersten von drei aufeinanderfolgenden Dates mit Bilderbuch zu bestätigen.

Wäre da nicht diese eine, klitzekleine Kleinigkeit, die wohl so manches Fanherz angeknackst hat. Nach minutenlangen, ununterbrochenen und ohrenbetäubend lauten Zugabeschreien der unersättlichen Menge kommt die Band noch einmal auf die Bühne. Die Arena rastet völlig aus - was kommt jetzt? Noch ein Zugabe? Die „Schick Schock“-Rufe erklingen. Und was machen Bilderbuch? Noch mal eben verbeugen und wieder abdampfen. Enttäuschend? Ja. Konzert trotzdem super? Natürlich. Erhofft man sich, dass sie sich für die kommenden beiden Konzerte an dieser Stelle noch was einfallen lassen? Auf jeden Fall. Zweimal haben sie ja heute und morgen noch die Chance auf Widergutmachung.

Als sich die Arena dann langsam leert und sich auch die letzten, schreienden hardcore Fans, benebelt und beschwingt vom Konzerterlebnis glücklich in die Arme fallen, bleiben nur noch einige wenige Fragen offen: Sind die Zeiten, wo wir richtig alte Scheiben a la „Joghurt auf der Bluse“ oder „Karibische Träume“ live erleben durften endgültig vorbei? Hat Maurice das Mundharmonika spielen vielleicht eigens für sein Solo in „La Pampa“ gelernt? Wird der gelbe Handschuh vielleicht heute Abend ein Comeback feiern? Und am Wichtigsten: Werden Bilderbuch jemals aufhören sich selbst zu übertreffen?

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