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Leftovers Bandfoto

Kasper Hiroshi Langeder

Soundpark Act November

Die Leftovers sind unser Soundpark Act im November

Vier schwarz-funkelnde, laut kreischende Underground-Sternchen aus Wien begründen mit ihrem Debutalbum „Krach“ ihr eigenes Genre: Bei den Leftovers wird die Mischung aus Punk und rebellischer Poesie zur Wiener Schule. Sie sind damit unser FM4 Soundpark Act im November.

Von Alica Ouschan

Ist das der nächste österreichische Beitrag zum Eurovision Songcontest? Die Band, die die Nachwuchsszene des Wiener Punks rettet? Die pure musikalische Verkörperung der „Waste Your Youth“-Attitude, die der Anfangzwanziger-Generation aufgrund ihrer von Krisen gepeinigten Adoleszenz innewohnt?

Krach Cover

Phat Penguin

„Krach“ von Leftovers ist am 28. Oktober bei Phat Penguin erschienen.

Egal, welche dieser Fragen man mit einem enthusiastischen „JA!“ beantworten möchte, oder ob man findet, dass sich diese Assoziationen ein wenig zu weit aus dem Fenster lehnen - fest steht, dass die Wiener Punkband Leftovers mit ihrem Debüt etwas für Österreich derzeit Einzigartiges geschaffen haben.

Eine heftige, laute Auseinandersetzung

„Krach“, so der treffende Titel der ersten Platte von Leonid, Anna, Leon und Alex, ist per Wörterbuch-Definition „etwas, was in unangenehm lauter, unartikulierter Weise zu hören ist, sehr lautes, unangenehmes Geräusch“ oder er entsteht „durch eine heftige, laute Auseinandersetzung“.

„Bei uns ist es eher Zweiteres“, erzählen die Leftovers im FM4 Interview. „Vor Ewigkeiten hatten wir mal eine Lärmstörungsanzeige wegen ‚lautem Trommeln und Rockmusik‘ während einer Probe“, meint Anna. „Also für Außenstehende klingt das was wir machen vielleicht schnell mal nach Krach im negativen Sinne - aber das muss nicht so sein.“

„Es ist das Gefühl der Verzweiflung, das wir in die Texte und in der Musik verarbeiten. Und das werfen wir zusammen, auf einen Haufen und nennen es Krach“, sagt Leonid. „Das Grundbedürfnis, zu rebellieren, ist auf jeden Fall da und es ist auch gut, zu rebellieren, aber irgendwann hat man das Gefühl man steht vor einer Wand. Und dass man immer verliert, egal wie lange man rebelliert“, erzählt Leon.

Dieses Gefühl, das sich nur schwer beschreiben lässt - am ehesten eine Mischung aus Tatendrang, Wut, Einsamkeit, Resignation, Vernachlässigung und Verzweiflung - wird bei den Leftovers in von Poesie inspirierte Texte gepackt und in Punkmusik verwandelt. Diese Band schwimmt aber nicht auf der aktuell wieder auflebenden Welle des Pop-Punk mit, sondern fühlt sich in nischigen Gefilden wohler.

Nirvana oder die Pixies sind die wohl bekanntesten hörbaren Einflüsse, zugespitzte Inspiration kommt von Bands wie Pisse, The Garden oder Alex’ Lieblingspunkband, den Subhumans. Auch popkulturelle Ikonen wie Falco, die Ärzte, Nina Hagen oder Tokio Hotel prägen die Musik, die Texte, vor allem aber die Ästhetik und Attitude der Leftovers.

Krach, Wiener Schule, laut

Ihre Sprache, die stellenweise an Tocotronic, Blumfeld, Isolation Berlin oder andere Originale und spätere Blüten der Hamburger Schule erinnert, wird durch den kompromisslos wütenden Cybergrunge-Sound zu etwas ganz Eigenem, das sich davon meilenweit entfernt anhört. „Wir kannten diese ganzen Bands gar nicht“, sagen die Leftovers. „Hamburger Schule, noch nie gehört - vielleicht haben wir aber auch einfach unser eigenes Genre erfunden. Wir machen Wiener Schule.“

Leftovers auf der Stiege vor den FM4 Studios

Radio FM4

Wie passend, dass das der Titel des ersten Songs auf der Platte ist: „Was ist geblieben, von der Schule?“ ist die entscheidende Frage, die die überwältigende Krach-Wand einleitet, die einem Ohren, Hirn und Herz zerfetzt. Auf die Frage hin, wie die Leftovers ihre Musik in drei Worten beschreiben würden antworten sie stolz: „"Krach, Wiener Schule, Laut.“ Damit ist eigentlich schon alles gesagt, oder?

Won’t you sing me Lovesongs?

Es ist diese jugendlich angehauchte Wut und Verzweiflung, die in jedem der Geräusche, die miteinander zum Krach werden, mitschwingt und das Werk der Leftovers schon jetzt zeitgeistig und wertvoll macht. Allein bei ihrem Releasekonzert am 30. Oktober im Wiener Fluc ist spürbar, wie gut es tut, das Rausschreien und Mitspringen. Mit wenigen Ausnahmen der stolzen Eltern, stehen fast nur Teenies und Anfangzwanziger im Publikum, die mit jeder Faser ihres Herzens mitfühlen und dankbar sind, dass es jetzt diese Band gibt, die sie versteht und durch die sie sich nicht mehr ganz so alleine fühlen.

„Das was ich an Musik so mag ist, dass man sie hören kann, um ein gewisses Gefühl zu verstärken,“ sagt Leonid. „Und genau das ist unser Ziel.“ Zukunftsängste, Wut auf die Gesellschaft, die einem das Gefühl gibt, vergessen zu sein, ein Teil der „Lost Generation“, für die so Vieles irrelevant zu sein scheint: „weil wir, jedes Mal wenn wir in die Zeitung schauen wissen, dass die Zukunft einfach fucked ist.“

So verbergen sich hinter den romantischen Liebesliedern und von Lyrik verschnörkelten Sprachbildern oft kritische Selbstreflektion oder einfach nur das pure, nach außen gestülpte, wirre Innenleben, das überraschend klare Worte findet und einem mit tausend Sachen um die Ohren fliegt.

Leftovers Bandfoto

Kasper Hiroshi Langeder

Spannend ist auch der Umstand, dass die Leftovers sich in ihrer noch jungen Bandgeschichte zuletzt von englischsprachigen Songs zur deutschen Sprache bekannt haben. Auf dem Debütalbum finden sich mit „Blumen“ oder auch „Plastik Liebe“ Tracks, in denen beide Sprachen genial vermischt werden. „Das kommt davon, dass die Songs zuerst auf englisch waren und wir sie dann nur teilweise übersetzt haben“, erzählt die Band, die meist zu viert an den Songs arbeitet und künstlerische Entscheidungen als gleichberechtigtes Kollektiv trifft.

Schluss mit Ruhe und Besinnlichkeit

Sind die Leftovers nun also möglicherweise die beste österreichische Antwort am internationalen Musikmarkt, wo eine Band wie Maneskin den ESC gewinnen konnte? Zu denen sich, ganz nebenbei bemerkt, ja nicht nur optische Parallelen ziehen lassen. Ein mutiges Zeichen und eine frohe Kunde für eine insgesamt immer glatter werdende Musiklandschaft ist diese scharfkantige Band auf jeden Fall. Krach irritiert, muss aber nicht immer etwas Negatives, Störendes sein.

In diesem Fall ist es etwas Aufrüttelndes, etwas zutiefst Emotionales und Mitreißendes, das einen mit dem Gefühl zurücklässt, mit der inneren Verzweiflung nicht alleine zu sein. Falls also noch jemand auf der Suche ist nach dem perfekten melancholisch-wütenden November-Soundtrack, der einen zwar noch mehr in die Winterdepression reißt, einem aber gleichzeitig mindestens ebenso viel Energie gibt, findet genau das im Debüt der Leftovers. Schluss mit Ruhe, Tristesse und Besinnlichkeit. Die Krach-Saison wurde hiermit offiziell eingeleitet.

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