Tenwi macht genderlose Mode in Wien

Über seinen Instagram-Account bekommt Wirat Tengchiang alias Tenwi internationale Anfragen für seine Teile – und das, obwohl der 19-Jährige dieses Jahr gerade erst seine Matura an der Modeschule Hetzendorf macht.

Von Melissa Erhardt

In einem weißen Strickkleid und weißen Rombaut High-Heel-Sneakers posiert Tenwi vor einem weißem Hintergrund. Seine Braids hängen - wie bei seinem Besuch im FM4 Studio (in Prä-Coronavirus-Zeiten, versteht sich) - symmetrisch von seinem Kopf, geschmückt mit durchsichtigen Perlen. Um den Hals trägt er eine elegante Perlenkette. Normalerweise findet man Tenwi eher hinter der Kamera. Für das Berliner Sleek Magazin hat er sich aber doch ablichten lassen.

Tenwi heißt mit bürgerlichem Namen eigentlich Wirat Tengchiang, seine Freunde nennen ihn aber Jacky. Vor vier Jahren hat der heute 19-Jährige seine Ausbildung an der Modeschule Hetzendorf angefangen, vor zwei Jahren hat er sein erstes selbst designtes Stück, den Marshmallow-Sweater, auf Instagram gestellt.

Der dreifarbige Pulli aus Neopren hat ein asymmetrisches Design und fällt, wie der Großteil von Tenwis Mode, genderlos aus. Es gibt ihn in verschiedenen Farbkombinationen, jedes Stück wird handgefertigt.

Der Pulli kam auf Instagram gut an, also postete Tenwi weitere Stücke. Später fotografierte ein Freund von ihm Models mit seinen Teilen. Es folgten erste Shows und Showrooms. Heute bekommt er für seine Kleidungsstücke Anfragen aus Frankfurt, Mailand, Berlin und zuletzt sogar aus den USA. Die Rapper J $tash und Pierre Bourne sind an seinen Sachen interessiert.

Styling heißt nicht gleich Luxus

Angefangen hat Tenwi aus einem einfachen Interesse an Mode: „Ich hab an mein altes Federpennal, das durchsichtig war, Ketten drangehängt und daraus ein Chest Rig gemacht. Alle haben gedacht, das wäre urteuer gewesen.“ Für seine Designs hat sich Tenwi ‚unterbewusst‘ vom Fußball inspirieren lassen. Auf den ersten Blick merkt man das nicht. Erst wenn man sich die asymmetrischen Schnittaufteilungen und die farbenprächtigen Designs anschaut, wird einem bewusst, was er damit meint.

Tenwis Designs zeichnen sich vor allem durch ihre Gender-Nonkonformität aus. Fast alle Teile sind für jedes Geschlecht entworfen, die Fits sind meistens eher sportlich und loose. Er variiert Materialien und verwendet etwa Reissäcke für Umhängetaschen und Neopren für Pullis oder macht Designs aus alten Army-Jacken und Lederbeständen. Für seine Abschluss-Kollektion, die im Juni an der Modeschule Hetzendorf wegen des Coronavirus in einer alternativen Form präsentiert wird, hat er nur Materialien verwendet, die er geschenkt bekommen oder über die Zeit angesammelt hat.

Unnahbare Wiener Modeszene

In der Wiener Szene kennen den Jungdesigner bereits einige. Ende Jänner hat er im Sneak In im 7. Bezirk sein erstes Kampagnen-Video präsentiert, das vom Wiener Kreativduo Suave gemacht wurde. Das Sneak In war an dem Abend randvoll. Models, Blogger*innen, Musiker*innen – die gesamte Szene war an einem Fleck versammelt.

Dabei ist es gar nicht so einfach, sich in Wien als Designer einen Namen zu machen – zumindest, wenn man mit den ‚Großen‘ mithalten will: „Die meisten Leute in Wien nehmen dich nicht ernst, wenn du jung bist und noch keinen Namen hast oder nicht auf der Paris Fashion Week warst. Wenn du in ein Geschäft gehen würdest und fragen würdest, ob sie deine Sachen verkaufen wollen, sie würden dich sofort komisch anschauen und denken, du hast einen Schaden“, erzählt Tenwi.

Bisher hat Tenwi jedes seiner Stücke selbst angefertigt, oft haben ihm Familie oder Freund*innen geholfen. Gerade ist er dabei, eine Produktionsstätte in Wien-Umgebung zu finden, um sein Business richtig starten zu können.