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CC0 via Pixabay

Erich Moechel

EU-Maßnahmen gegen Internetmonopole kommen

Die kommende Richtlinie zu digitalen Diensten wird auch eine Reihe von Maßnahmen gegen Quasi-Monopolisten wie Amazon, Google und Co enthalten. Bis 8. September läuft noch eine öffentliche Konsultation der EU-Kommission dazu.

Von Erich Moechel

Die Richtlinie zu digitalen Diensten ist das ökonomisch wohl wichtigste, aber längst nicht das einzige digitale Vorhaben der EU-Kommission. Ab Herbst steht eine mittlerweile unübersichtliche Zahl an Vorhaben im Digitalbereich auf ihrer Agenda. Da die neue Richtlinie den gesamten Servicebereich im WWW regeln wird, sind gut ein Dutzend anderer Regulationen anzupassen. Bis 8. September laufen noch zwei öffentliche Konsultationen der Kommission dazu, eine davon betrifft ausschließlich eine Art „Lex Amazon“.

Weiters gilt es, die im Ministerrat festgefahrene neue E-Privacy-Verordnung wieder in Gang zu kriegen, denn die Novelle der wichtigsten Regelung zum Konsumentenschutz im Netz ist mehr als vier Jahre hinter Plan. Ebenso braucht es dringend eine Neuregelung zum Datenaustausch mit den USA, denn „Privacy Shield“ wurde im Juli bekanntlich vor dem EU-Gerichtshof zu Fall gebracht.

Screenshots aus Dokumenten

Europäische Union

Wie wichtig der EU-Kommission ein neues rechtliches Instrument in der Richtlinie für digitale Dienste gegen die Internetmonopolisten ist zeigt schon die Tatsache, dass dieses Thema nicht im Rahmen der Konsultation zur Richtlinie selbst enthalten ist. Das Thema „Marktmissbrauch und Monopole“ wird in einer separaten Konsultation abgehandelt.

Die Richtlinie für digitale Dienste wird laut Binnenmarktkommissar Thierry Breton auch Filter- und Durchsuchungspflichten für Serviceprovider enthalten.

Durch Monopole gekippte Märkte

Bis jetzt sind nur einige der Komponenten der Regelung zu digitalen Services bekannt. In einem ersten Schritt werden im Herbst zuerst jedenfalls die neuen Rahmenbedingungen für Serviceanbieter festgelegt, denn seit der Richtlinie zum digitalen Handel - besser bekannt als „E-Commerce“ - aus dem Jahr 2000 hat sich das Internetgeschäft stark verändert. Neu geregelt werden nun Haftungsfragen, aber auch neue Verpflichtungen für die großen Plattformen samt einer „Lex Amazon“ gegen Wettbewerbsverzerrungen stehen im Raum.

Eine zentrale Rolle in der kommenden Richtlinie spielt ein sogenanntes „Competition Tool“, ein Mechanismus der gegen die zunehmende Monopolisierung des Internets durch Konzerne wie Facebook, Google oder Apple gerichtet ist. Laut Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager soll dieser Mechanismus nicht für nachträgliche Strafen bei Verstößen, sondern ex ante für einen „strukturellen Ausgleich“ sorgen, um ein „Kippen des Marktes“ zu verhindern.

EU Kommissarin Margarethe Vestager

APA/AFP/POOL/Kenzo TRIBOUILLARD

Auch Kommissarin Margrethe Vestager (Wettbewerb) kann ein neues Rechtsinstrument gut gebrauchen, denn das bestehende Kartellrecht der EU ist großteils ungeeignet, den Monopolisierungstendenzen etwas entgegenzusetzen (siehe unten).

Ende Juli hatte auch EU-Kommissarin Ylva Johansson (Inneres und Justiz) neue Verpflichtungen für Plattformen wie WhatsApp, Apple etc. zur Durchsuchung samt empfindlichen Strafen bei Verstößen angekündigt.

Die kommende „Lex Amazon“

Besonders wichtig sind der Kommissarin dabei Konzerne, auf die kleinere Unternehmen angewiesen sind, um ihre Dienste oder Produkte zu vermarkten. Auch wenn bis jetzt keine Namen genannt wurden ist klar, dass hier in erster Linie Amazon gemeint ist. Der US-Konzern vertreibt die Produkte zigtausender kleiner Produzenten und Handelsunternehmen alleine im EU-Raum, durch seine schiere Größe und Marktmacht ist Amazon dabei de facto Monopolist, denn echte Mitbewerber gibt es nicht. Beі suchebezogener Werbung ist wiederum Google ohne Konkurrenz, beide Konzerne nützen ihre Marktmacht mit allen Mitteln aus.

So vermarktet Amazon nicht nur die Produkte kleiner Handelsfirmen und Produzenten, der Konzern konkurriert mit seinen Firmenkunden auf der eigenen Plattform mit eigenen Produktlinien. Google wiederum zockt Firmen aus dem EU-Raum ab, die auf suchebezogene Werbung für ihre Dienstleistungen angewiesen sind. Diese Märkte sind längst umgekippt, nachdem sich die vorangegangenen EU-Kommissionen erst als unwillig und dann als unfähig erwiesen hatten, Maßnahmen gegen die Monopolisierung zu ergreifen. Das EU-Kartellrecht wiederum bietet offenbar überhaupt keine Möglichkeiten, „Ex-Ante“-Maßnahmen zu setzen, sondern ist auf Strafen „Ex Post“ also im Nachhinein beschränkt. Obendrein gilt es unter Juristen als umständlich und veraltet, tatsächlich stammt der größte Teil des Rechtskorpus dazu noch aus den 1970er Jahren, das jüngste Update ist aus dem Jahr 2004 und bezieht sich nur auf Firmenzusammenschlüsse und Übernahmen.

Thierry Breton

APA/AFP/JOHN THYS

Binnenmarktkommissar Thierry Breton ist überhaupt der erste EU-Kommissar, der aus der Digitalwirtschaft kommt. Breton gilt als der prototypische Sanierer Frankreichs im Digitalsektor, er hatte in den 90er Jahren zuerst den konkursreifen Hersteller von Mainframe-Computern Bull saniert, heute ist Bull der einzige Produzent von Supercomputern in Europa. Im Anschluss wurde die angeschlagene France Telecom wieder in die Gewinnzone geführt, danach passierte dasselbe mit dem größtern IT-Dienstleister Frankreichs Atos Origin.

Bereits während der österreichischen Ratspräsidentschaft 2018 wurde die Änderung der E-Commerce-Richtlinie angekündigt. Auch die bereits beschlossene Copyright-Richtlinie enthält nämlich eine solche Filterpflicht.

Zwei weitere Filterpflichten

Zuletzt hatte auch Binnenmarktkommissar Thierry Breton eine Filter- und Durchsuchungspflicht für Publikumsprovider angekündigt. So soll verhindert werden, dass Kriminelle Bilder und Filme von missbrauchten Kindern über Messengerdienste verbreiten, um neue „Kunden“ für ihre verdeckten Portale anzuwerben, auf denen dann die eigentlichen, illegalen Geschäfte abgewickelt werden. Durch diese geplante Filterpflicht können also höchstens temporäre Marketingkanäle dieser Kriminellen lahmgelegt werden.

Und dann ist da noch die im Ministerrat steckengebliebene Verordnung gegen terroristische Inhalte im Netz, die noch rigorosere Filter- und Löschverpflichtungen vorsieht. Ausnahmen für kleine Plattformen oder Start-Ups sind in dieser Anti-Terror-Verordnung dezidiert nicht vorgesehen. „Allied for Start-Ups“ eine Interessenvertretung von 12.000 neuen Unternehmen befürchtet, dass ein Teil dieser Start-Ups eine Gleichbehandlung mit Playern wie WhatsApp oder Youtube mit Filterpflichten auf dem europäischen Markt nicht überleben wird. Echtzeitabgleich mit Datenbanken wie etwa Microsofts PhotoDNA, um bereits bekannte Bilder und Videos missbrauchter Kinder beim Upload zu identifizieren, ist für kleine Plattformen schlichtweg nicht leistbar.

Wie es im Herbst weitergeht

Mit solchen Filter- und Durchsuchungspflichten begibt sich die EU-Kommission allerdings auf Kollisionskurs mit der Datenschutzgrundverordnung, vor allem aber mit der bisherigen Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). In zwei wegweisenden Urteilen hatte der EuGH allgemeine Verpflichtungen für alle Kommunikationsdienstleiter, die wichtigsten Metadaten aller Kommunikationen - wer wann wo mit wem wielange telefoniert - anlasslos für die Strafverfolger zu speichern, als grundrechtswidrig verworfen. Die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung wurde im ersten dieser beiden Urteile rückwirkend annulliert.

In der alten Richtlinie zu E-Commerce war das systematische Scannen aller Inhalte der Benutzer durch die Plattformbetreiber schlicht verboten. Nach dem Willen der Kommission soll systematisches Rastern in Zukunft verpflichtend werden. Die Neufassung der Verordnung zum Schutz der Privatsphäre („E-Privacy“), die von der aktuellen deutschen Ratspräsidentschaft gerade erstellt wird, enthält bereits Passagen, in denen das systmatische Filtern aller Inhalte samt Datenweitergabe an Dritte zum „legitimen Interesse“ der Plattformbetreiber erklärt wird.

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