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Neue Verordnungen ab Montag: „Wir werden einen Großteil der Clubs verlieren“

Am Donnerstag hat die Bundesregierung neue Beschränkungen für Gastronomie und Veranstaltungen bekannt gegeben. Ab nächsten Montag sollen sie gelten. Die Situation für die Clubs spitzt sich dramatisch zu, erzählt Laurent Koepp von der Vienna Club Commission im Interview.

Paul Pant traf sich mit Laurent Koepp von der Vienna Club Commision im Wiener Volksgarten, um den Ernst der Lage für die lokale Clubkultur zu besprechen.

Wir sind hier im Volksgarten. Im Außenbereich des Clubs. Einer der ältesten Clubs von Wien, schon Johann Strauß Junior hat hier den Donauwalzer dirigiert. Die Türen in den Club sind seit März zu. Draußen gibt es zumindest Neapolitanische Pizza und Lounge-Musik. „Pizza Senza Danza“ ist das Motto. Zumindest gemütlich sitzen kann man hier.

Es fühlt sich auf jeden Fall ein bisschen befremdlich an, aber es ist trotzdem schön zu sehen, dass es ein Club wie der Volksgarten geschafft hat, das Konzept noch rechtzeitig umzustellen und damit auch seine Überlebenschancen zu verbessern.

Ab kommenden Montag gibt es neue Corona-Beschränkungen für Clubs und die Nachtgastronomie. Was bedeutet das?

Bisher gab es den Paragraphen 11, Absatz 9 der Lockerungsverordnung, der geschlossene Gesellschaften in einem gewissen Rahmen erlaubt hat, mit einer Gästeliste, die drei Tage davor beim Betreiber des jeweiligen Lokals vorliegt. Und diese Anzahl wurde ja eh schon reduziert. Und jetzt aber mit 10 Personen für private Gesellschaften als Maximalgrenze ist das natürlich jetzt dann wieder komplett obsolet. Die Clubs haben diese Methode angewandt, um teilweise auch wieder Einnahmen zu generieren, weil durch den Fixkostenzuschuss nicht alles abgedeckt wurde, gerade durch den 75%igen. Und jetzt aber, da der 100%ige Fixkostenzuschuss noch auf sich warten lässt, durch eine Auseinandersetzung zwischen Finanzminister Blümel und der EU und mit dieser neuen Verordnung schaut es natürlich noch enger aus für die Clubs.

Vienna Club Commission

Christoph Liebentritt/büro butter

Laurent Koepp ganz links, hier zu sehen mit den beiden Mitstreiter*innen von der Vienna Club Commission, Stefan Niederwieser und Martina Brunner

Die Phase 2, dieser 100% Fixkostenzuschuss sollte ja Ende September schon fließen. Dann gab es diesen Streit, Brüssel sagt der Antrag war nicht richtig ausgefüllt, der Finanzminister sagt salopp formuliert: was mischt sich da Brüssel ein. Und am Ende sieht es so aus, als blieben tatsächlich die Clubs auf der Strecke. Ist das die aktuelle Situation?

Ja, das kann man so sagen. Brüssel hat eben gemeint, dass es nun keine Naturkatastrophe mehr ist, sondern eine Wirtschaftskrise, und der Antrag dann eben auch dementsprechend ausgefüllt gehört. Der Finanzminister hat daraufhin geantwortet, dass dann nur noch 800.000€ als Maximalgrenze zur Ausschüttung an Unternehmen gelten würde, was ihm halt deutlich zu niedrig scheint. Das Problem allerdings ist, dass ganz viele mittelständische Unternehmen, wo man ganz viele Clubs und Nachtgastronomie antrifft, dass denen diese 800.000 wahrscheinlich gereicht hätten. Und nicht nur denen, es betrifft ja auch die Hotelerie oder Busunternehmen zum Beispiel, und das spitzt die Lage natürlich zu.

Die Maßnahmen sehen vor das nur noch zehn Personen am Tisch sitzen dürfen im Lokal, außerdem ist überall, „wo man in Bewegung ist“, ein Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Essen und trinken darf man nur am Sitzplatz. Und Sperrstunde ist wieder um Ein Uhr in der Früh. Gibt es Schlupflöcher da? Zum Beispiel tanzen mit Mundschutz?

Tanzen im Club ist auf jeden Fall für längere Zeit einmal vorbei. Es gibt immer noch die Möglichkeit, dass man Indoor-Veranstaltungen macht mit zugewiesenen und gekennzeichneten Sitzplätzen, das betrifft dann aber größtenteils Konzerte. Das geht dann bis 1.500 Personen, sofern diese eineinhalb Meter Abstand gewährleistet werden können und die Leute, sobald sie vom Stuhl aufstehen, die Maske wieder tragen.

Tanzen, so wie das bei den geschlossenen Gesellschaften der Fall war, wird jetzt wahrscheinlich gar nicht mehr der Fall sein. Und es wurde auch angekündigt, dass jetzt besonders in Clubs wieder stärker kontrolliert wird, und dass in der Gastronomie die Leute nur noch am Tisch konsumieren dürfen, sprich, dass sie zwischen den Tischen überhaupt nicht mehr stehen, sondern nur noch einen Sitzplatz haben dürfen.

Das klingt jetzt sehr dramatisch für die Clubs. Wie lange können die überhaupt noch durchhalten?

Die Lage ist jetzt auf jeden Fall wieder auf dem Stand wie während dem Lockdown oder vor dem Lockdown für Viele. Finanzielle Hilfen bleiben momentan erstmal wieder aus, auch die Kurzarbeit ist momentan nicht genau geregelt. Eine Reduktion der Arbeitszeit auf 30% ist für viele nicht denkbar, gerade unter diesen Voraussetzungen nicht, weil sie einfach nicht mehr genug Arbeit für die Leute haben.

Hinzu kommt, dass sie sich jetzt monatelang Gedanken gemacht haben, wie sie ihre Konzepte umstellen können, sodass sie trotzdem ihre Betriebe aufsperren können, und auch das ist jetzt wieder obsolet. Sprich die ganzen Präventionskonzepte und alle Ideen, die sie hatten, mit teilweise Konzert, teilweise geschlossener Gesellschaft und teilweise Barbetrieb. Und auch dadurch, dass die Gesetzgebung dahingehend geändert wird, dass ein Ampelsystem die Lockerungsverordnung ersetzten wird. Gleichzeitig sollen die Bundesländer und die Bezirke sich einmischen können, was natürlich die Planbarkeit auch für die Veranstalter aber genauso für die Betreiber unmöglich macht.

Damit sind die Clubs auf reine Gastronomie angewiesen, teilweise ohne Schanigarten und wieder nur Indoor, und Clubs - das haben wir ja schon öfters gesagt - sind nicht darauf ausgelegt, Leute mit einem Tischbetrieb zu empfangen, sondern es sind Orte, wo getanzt werden soll, wo eine Lichtshow stattfindet, wo die Leute stehen und wo Durchlaufpublikum ist - das sind wesentliche Bestandteile eines jeden Clubkonzepts.

Von der Stadt Wien wurden 3 Million Euro versprochen für Projekte und Konzepte. Wird das helfen, oder sind diese Konzepte jetzt alle wieder obsolet?

Ich denke nicht, dass sie obsolet sind. Man kann ja auch einreichen für Konzepte, die nach Corona stattfinden. Soweit wir richtig informiert sind, will die Stadt Wien einfach die Standorte sichern, weil sie mitbekommen, dass diese Standorte momentan gefährdet sind und damit auch die Diversität der Clubs gefährdet ist. Das wird allerdings jetzt auch 1-2 Monate dauern, bis da frühestens Geld fließt, und diese zwei Monate jetzt wieder zu überbrücken, wo wir momentan nicht wissen, wie es mit den aktuellen Fallzahlen sich weiterentwickeln wird, ist natürlich für die Clubs jetzt eine weitere Herausforderung. Ich glaub, dass viele jetzt monatelang durchgehalten haben, irgendwie versucht haben, die Moral hochzuhalten, und man spürt, wie es auch an deren Kräften zehrt, sowohl bei den Unternehmer*innen als auch bei den Veranstalter*innen, die das professionell machen - denen geht jetzt langsam die Luft aus.

Deine Prognose für Mai 2021, wie wird die Club Landschaft aussehen?

Wenn es so weitergeht: auf jeden Fall stockdunkel. Wir können davon ausgehen, dass ein Großteil der Clubs bis dahin zusperren wird, entweder, weil sie Insolvenz anmelden, oder weil sie sagen, sie wollen die gar nicht anmelden und können sich das nicht einmal erlauben. Dann ist halt auch die Frage, wer diese Orte übernimmt. Weil alle, die einen kulturellen Anspruch an Clubs haben - wir reden ja von Clubkultur - werden sich momentan bewusst sein, dass ein Aufsperren keinen Sinn macht und werden auch nicht riskieren wollen, dass sie Geld in etwas investieren, wo sie mit keinen Einnahmen rechnen können. Und diese Orte riskieren wir damit zu verlieren, und die sind eh schon sehr spärlich gesät hier in Wien.

Vielen Dank für das Gespräch.

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