FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Shygirl

Shygirl

song zum sonntag

Der Song zum Sonntag: Shygirl - „FREAK“

Spontane Jamsession oder durchdachte Popsongparodie? Das lässt sich nicht so einfach bestimmen, in „FREAK“, dem neuen, wie von künstlicher Intelligenz geschriebenen Track von Blane Muise alias Shygirl aus Südlondon.

Von Christoph Sepin

Man könnte einmal einige Zeilen zur Verwendung des Wortes „Freak“ in Popkultur und Songlyrics schreiben - vor allem in Mainstream-Popsongs: Sugababes fallen da zum Beispiel ein, als sie Anfang der 2000er ihre „freakiness“ in „Freak Like Me“ erklärten, Doja Cat sang zuletzt „spice up your life, come get a freak“ über ein Sample von Paul Anka in ihrem Lied „Freak“ und George Michael stellte vor fast zwanzig Jahren den Präfix „sexual“ vor sein „Freeek!“, nur um unmissverständlich klar zu machen, wie der Begriff in der Popmusik angewendet wird: Freaks in Songzeilen sind oft promiscuous, sind wild und chaotisch und anders als alle anderen.

Im Idealfall wird das alles als subversives Mittel verwendet, um gängige Rollenbilder umzudrehen, um Stereotype zu umgehen und ad absurdum zu führen. So wie das jetzt Blane Muise, besser bekannt als Shygirl aus dem Süden Londons mit ihrem neuen Release macht - alles an diesem Track ist überspitzt und übertrieben, kein Wunder also, dass der Songtitel „FREAK“ in All Caps geschrieben werden muss.

Shygirl ist im Crossover zwischen Clubmusik, Pop und Futurismus zuhause, nicht unähnlich Artists wie z.b. Sophie oder Arca, mit der sie zuletzt auch den Track „unconditional“ veröffentlichte. Kennen sollte man im Idealfall bereits ihr herrlich verhustetes „CC“, das gemeinsam mit dem Produzenten Sega Bodega entstanden ist - und auch bei dem neuen Track arbeiten die beiden zusammen.

Das ist alles ab der ersten Sekunde überspitzt wie eine Parodie, wenn beiläufig Textzeilen über industrielle Sounds fallen gelassen werden. Alles übertrieben, alles ein bisschen ärgerlich, alles hauptsächlich jede Menge Spaß. Ist das ein Lied, das einfach aus einer Jamsession entstanden ist? Hier, sing einmal irgendwas ins Mikrofon, ich hab da so einen Beat gebastelt. Man kann es sich zumindest leicht vorstellen.

  • Alle Songs zum Sonntag auf FM4
  • Auch die geschätzten Wissenschafts- und Popjournalist*innen Thomas Kramar und Heide Rampetzreiter machen sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song ihre Gedanken.

Oder aber da steckt noch viel mehr dahinter, wie so oft in Musik, die mit Klischees übertreibt: Wenn man einer künstlichen Intelligenz alle erfolgreichen Popsongs der letzten Jahre vorspielen würde, alle Textzeilen eingeben würde, in denen es natürlich vor allem um Liebe und Sex geht, und dann diese K.I. dazu auffordern würde, selber so ein Lied zu schreiben, dann würde wohl Ähnliches entstehen - gerade mal die Beats Per Minute müsste man vielleicht noch ein bisschen nach oben schrauben.

Ein Lied, komponiert vom Algorithmus? Anders lässt es sich kaum erklären, wenn Lyrics altbekannte Plattitüden der Popwelt wiederholen: Mitten zwischen den Maschinengeräuschen erzählt Shygirl von ihrer sexuellen Promiskuität: Sie sei ein Freak im Bett, sie könne die ganze Nacht, sie hängt in Bars ab, sie bringt Leute vorbei für „only good times“. Was früher mal klassische Stereotype in der Musikwelt waren, sind nichts Anderes mehr als oft gehörte Floskeln, die aus diesem völlig übersättigten Lied popkulturelle Satire machen.

Das Tempo ändert sich, der Rhythmus auch, Shygirl bezieht sich zwischen ihren argen Lyrics natürlich auch einmal auf ihren eigenen Künstlernamen: „I hear they call me shy, I can only wonder why“. Früher haben Menschen zu solcher Musik in Clubs getanzt und nicht lange drüber nachgedacht. Jetzt, durch das Fehlen dieser, kann auch dieses Lied überanalysiert werden. Obwohl, ob das jetzt als spaßige Jamsession oder durchdachte Popsongparodie entstanden ist, lässt sich auch nach mehrmaligem Hören nicht so leicht beantworten.

Aktuell: