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Erich Moechel

Künstliche Intelligenz für Europas Polizeibehörden

Ein Rüstungskonzern und eine IT-Servicefirma für den Militärkomplex koordinieren zwei EU-geförderte Projekte, um europäische Polizeibehörden mit künstlicher Intelligenz auszustatten.

Von Erich Moechel

Neben dem Projekt „Inviso“, das mit „künstlicher Intelligenz“ (KI) soziale Netzwerke nach potenziellen Teroristen absucht, werden noch weitere solche Projekte von der EU-Kommission gefördert. Im Rahmen des „Horizon2020“-Programms werden für KI-Projekte „Infinity“ und „Aida“ 14,5 Millionen Euro bereitgestellt. „Infinity“ wird vom Rüstungskonzern Airbus angeführt, beteiligt sind Europol, andere Polizeibehörden und Universitäten.

„Aida“ koordiniert der italienische IT-Dienstleister Ingegneria Informatica, der auch im Verteidigungssektor tätig ist, auch hier ist neben Europol die Exekutive massiv vertreten. Beide KI-Projekte sind für den Einsatz durch Strafverfolger, beide Projektbeschreibungen wirken wie von derselben künstlichen Intelligenz verfasst. Von „Big Data“ bis „Augmented Reality“ wird kein aktuelles Schlagwort aus dem Silicon Valley ausgelassen. KI-Anwendungen im Bereich Strafverfolgung stufen Kommission wie Parlament als Hochrisikoprojekte ein.

Augmented Reality für EU-Strafverfolger

Airbus Industries

Beim Motto des „Flagship Project“ Infinity mit „User-Driven-Design“, sind offenbar die Alliterationen samt Großbuchstaben mit den Verfassern bzw. der künstlichen Intelligenz durchgegangen: INFINITY. IMMERSE. INTERACT. INVESTIGATE

Alle Buzzwords sind schon da, alle Buzzwords, alle

Die Positionen von Kommission und Parlament zu künstlicher Intelligenz passen so gar nicht mit den hier beschriebenen Horizon2020-Projekten zusammen.

Anscheinend wurde die KI ausschließlich an neueren Marketingbroschüren aus dem IT-Bereich trainiert, denn die Projektbeschreibung für Infinity ist eine Aneinanderreihung von aktuellen Buzzwords aus dem Silicon Valley, die ihresgleichen sucht. Das Projekt soll nämlich „virtuelle und erweiterte Realität mit künstlicher Intelligenz, Big Data, Machine Learning und visueller Analytik innovativ kombinieren“, um „durch automatisierte Systeme und intuitiv bedienbare Schnittstellen und Steuerungen das Potenzial individueller Ermittler zu maximieren“.

Was diese Big-Data-Engine tatsächlich macht, geht aus der Beschreibung nicht hervor, außer dass Visualisierung und „Augemented Reality“-Brillen eine wichtige Rolle dabei spielen. Jedenfalls soll es ein „Ende-zu-Ende-System für den gesamten Ermittlungszyklus der Strafverfolger“ werden, das am Ende sogar „Berichte an Entscheidungsträger und vor Gericht gültige Beweise“ ausspuckt. Viel mehr relevante Informationen gibt es derzeit dazu nicht, außer dass auch die Universität Wien unter den beteiligten universitären Institutionen ist.

Augmented Reality für EU-Strafverfolger

Ingegneria Informattica

Das sind die Felder, die von der IT-Consultancy Ingegeneria Informatica SPA ebenfalls bedient werden. Grenzkontrollsysteme, Strafverfolger, elektronische Aufklärung auf See, militärische Messaging-Systeme und nicht zuletzt „Intelligence Systens“.

Welch ein Singen, Musizieren

Im EU-Ministerrat wird gerade eine Resolution beschlussfertig, die von Europol ihren Ausgang nahm. Chatanbieter sollen verpflichtet werden, Generalschlüssel zur Überwachbarkeit von E2E-verschlüsselten Chats anzulegen.

Beim „integrierten, modularen und flexiblen Framework“ von Aida wurde zwar „Augmented Reality“ ausgelassen, aber sonѕt ist tatsächlich alles drin, was IT-Marketingprospekte im Big-Data-Zeitalter so hergeben. Als da sind: „Techniken für Künstliche Intelligenz und Deep Learning... Datamining- und Analytikservices... extensive Akquisition, Extraktion und Fusion von Inhalten, Wissensmanagement“ sowie „prädiktive visueller Analytik“. Was halt für eine „Datenanalyseplattform“ so gebraucht wird, „die Cybercrime und terroristische Aktivitäten identifiziert, analysiert, bekämpft und verhindert“.

Viel mehr Informationen dazu gibt es nicht, die von der Projektleitung angeführten Referenzen lesen sich wenig beruhigend. So führt die Ingegneria Informatica auf ihrer Website, die langjährige Erfahrung des Unternehmens im Sektor militärischer Nachrichtenaufklärung namentlich der Integration von SIGINT (Signals Intelligence) und ACINT (Acoustics Intelligence). In diesem Bereich sei man „Referenzpartner für nationale Agencies“ - also Militärgeheimdienste - „wie für die NATO", für die man die SIGINT-Plattform zur Sammlung und Analyse abgefangener Kommunikationen betreibe.“

Online-Formular

Insikt Intelligence

Das ist die einzige Möglichkeit,Insikt Intelligence überhaupt zu kontaktieren. Wie man sieht, werden offenbar nur Anfragen potenzieller Kunden erwartet. Dort wurde eine Anfrage mehrfach eingereicht, eine Bestätigung des Erhalts gab es weder auf Website noch via Mail.

Das Schweigen im Walde

Auf der Website der spanischen Firma „Insikt Intelligence“, die aus dem bereits abgeschlossenen, ebenfalls im Rahmen des Programms Horizon2020 geförderten Projekt „Insikt“ hervorgegangen ist, wird zwar bereits das Produkt „Inviso“ für "Strafverfolger angeboten. Laut Angaben der Firma wird Inviso zusammen mit „Praktikern aus Polizeibehörden“ laufend weiter entwickelt. Nähere Informationen zu dieser „Intelligence Platform“, die massenhaft Daten aus Sozialen Netzwerken verarbeitet gibt es allerdings nicht. Auf der Website finden sich keinerlei Angaben über den Firmensitz, zumal es gar kein Impressum gibt, ebenso fehlt eine Datenschutzerklärung, dafür enthält die Site vier Tracker, die allesamt zu Google führen. Eine Antwort des Unternehmens auf eine Anfrage von ORF.at steht noch aus.

Die Antwort der EU-Kommission

Die Anfrage von ORF.at wurde von der EU-Kommission zwar fristgerecht am Freitag beantwortet. Da eine durchaus ausführliche Antwort erfolgte, kommt die Kommission im nächsten Teil dieser Serie dementsprechend zu Wort. Die drei bisher vorgestellten sind nämlich nicht die einzigen neuen KI-Projekte für Strafverfolger, die im Rahmen des Horizіon2020-Programms gefördert werden.

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