FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Leute am Lighthouse Festival

Richard Luerzer

Festivals trotz Pandemie? Hennes Weiss will das ermöglichen

Um das Lighthouse-Festival zu retten, hat Hennes Weiss letztes Jahr das Start-up testFRWD gegründet. Jetzt will er damit international nicht nur die Kultur- und Sportbranche, sondern auch die Tourismusbranche wieder aufleben lassen. Wie er sich das vorstellt, erklärt er im FM4-Interview.

Von Melissa Erhardt

Was macht man, wenn sich alle Projekte von einem Tag auf den anderen wegen einer Pandemie in Luft auflösen? Geht es nach Hennes Weiss, ist es einfach: „Jetzt einfach den Kopf in den Sand zu setzen ist nicht mein Weg.“ Der ehemalige Besitzer der Pratersauna und langjährige Veranstalter des Lighthouse Festivals in Kroatien will nicht mehr warten, bis die Pandemie vorbei ist oder alle geimpft sind. Er setzt auf Tests - und zwar nicht die von der Politik vorgeschlagenen Schnelltests, sondern die in Wien erfundenen PCR-Gurgeltests, die im Labor ausgewertet werden. Aber wie soll das funktionieren?

Melissa Erhardt: Wie ist deine Stimmung generell für 2021, was die Event- und Musikbranche angeht? Bist du hoffnungsvoll oder eher pessimistisch?

Hennes Weiss: Unser Festival ist in Kroatien, das heißt wir sind nicht nur an die pandemische Entwicklung in Österreich, sondern auch an Kroatien gebunden. Und wir wissen natürlich alle, dass ganz Europa im Sommer gerne nach Kroatien auf Urlaub fährt und es dort im Worst Case im Sommer viele Ansteckungen geben wird. Das heißt: Es ist alles ein bisschen Kaffeesud-Lesen. Und das ist der Grund, warum es mittel- und langfristige Tools braucht - und die haben wir mit unserem testFRWD Start-up, mit dem Veranstalter Planungssicherheit bekommen.

Ich bin also sehr optimistisch, dass wir mit den entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen, nämlich dass wir eine Safety Bubble für die ganze Halbinsel schaffen, Ende Mai das erste Festival weltweit sein werden, das in der Größenordnung von mehreren tausend Leuten ein sicheres Festival abhalten kann.

Dein Start-up testFRWD hast du letztes Jahr gemeinsam mit Veit Aichbichler gegründet. Wie ist es dazu gekommen?

Das Startup ist letztes Jahr im April tatsächlich aus dem Gedankengang „Wie kann ich mein eigenes Festival retten?“ entstanden. Durch meinen Research bin ich auf Dr. Christoph Steininger gestoßen, einem der führenden Virologen Österreichs. Und er hat gemeinsam mit unserer Partnerfirma Lead Horizon das Produkt, also das Gurgel-Selbsttest-Kit, mehr oder weniger erfunden. Mein Partner und ich sind dann an sie herangetreten und haben gesagt: „Diese ganze Lösung, die ihr da habt, die eignet sich eigentlich hervorragend für Events“. Wir haben dann damit begonnen Festivalveranstalter, die ich von meinen internationalen Touren mit der Band HVOB kenne, zu kontaktieren, Festivals wie Tomorrowland, BPM etc. Das Feedback war so sensationell, dass jeder gesagt hat: „Das ist super, das braucht man, aber warte jetzt mal ab, wie sich das alles entwickelt.“ Seitdem sind viele Monate vergangen. Wir haben jetzt das globale Vertriebsrecht und haben mit testFRWD eine globale Safety Brand erfunden.

„testFRWD sagt das aus, was es ist: Es geht um einen Testprozess, damit du vorwärts kommst und der Pandemie einen Schritt voraus bist.“

Angenommen, du führst das Lighthouse-Festival Ende Mai mit der Infrastruktur von Test FRWRD durch. Wie läuft das Festival für Besucher*innen ab?

Alle, die unter den Sicherheitsmaßnahmen, die wir vorlegen, Lust haben zu kommen, bekommen ein paar Tage vor Festivalbeginn ein Test-Kit nach Hause geschickt. 48 Stunden vor der Abreise macht man zu Hause den Gurgel-Test. Das dauert insgesamt drei Minuten: Man lädt die App runter, meldet sich an, dann gurgelt man 60 Sekunden.

Das besondere ist: Das Packaging des Tests hat eine Vorrichtung, wo du dein Handy hineinsteckst. Die App filmt dich dann in einer bestimmten Position, wo du nichts falsch machen kannst, während du 60 Sekunden gurgelst. Du musst deinen Ausweis zeigen, die Software matcht das Bild am Ausweis mit dem Video und es gibt einen Timestamp, der beweist, dass du 60 Sekunden gurgelst. Wenn du nur 30 Sekunden gurgelst, ist der Test fehlerhaft. Dahinter liegt eine Künstliche-Intelligenz-Software, die übrigens auch von der deutschen Polizei an den Flughäfen zur Terrorismusbekämpfung verwendet wird. Danach versiegelst du das ganze Paket, gibst es bei der Post ab und circa sechs bis acht Stunden, bevor du mit deinen Freund*innen ins Auto nach Kroatien steigst, hast du bereits das Testergebnis per QR-Code am Handy.

Beim Eingang am Festivalgelände matchen wir das Testergebnis von Test FRWD mit deinem Ticket. Und dann fährst du einfach durch. Und so machen wir das mit jeder Person, die das Areal betritt. Zusätzlich wird dann noch das Personal vor Ort, das Hotelpersonal, Köche etc. getestet. Ansonsten bleibt alles gleich, nur den heißgeliebten Nassraum, die einzige Indoor-Location, die wir am Lighthouse-Festival haben, würde ich aus Risikogründen nicht machen.

Und die Personen, die sich testen und ein positives Testergebnis bekommen, bekommen ihr Ticket zurückerstattet?

Rechtlich gesehen müssten wir es nicht zurückerstatten, aber es wäre natürlich nett. Ich denke da eher an einen Gutschein für’s nächste Jahr. Weil der/die Besucher*in kann nichts dafür - aber wir können ja auch nichts dafür. Wir kalkulieren das ganze Budget natürlich anhand der Tickets und wenn jetzt im Worst Case 2.000 Leute nicht kommen, haben wir ein Riesenproblem. Wir stecken da gerade ganz intensiv unsere Köpfe zusammen und werden eine Lösung ausarbeiten, die für alle fair ist.

Wie ist das aus Veranstalter-Sicht möglich?

Ein PCR Test kostet normalerweise zwischen 80 und 120 Euro. Das ist natürlich nicht leistbar, schon gar nicht für mehrere tausend Leute. Wir haben aber jetzt einen Riesen-Durchbruch geschafft und den Testpreis aktuell auf ca. 30 Euro hinuntergebracht. Da sind wir weltweit der erste Provider und auch das erste Land, wo das möglich ist. Damit sind wir preislich jetzt sehr nahe am Schnelltest, diese kosten im Einkauf circa 10 Euro, dazu kommen aber noch sehr hohe Personalkosten, weil du Teststraßen etc. brauchst. Gurgeln kann man zuhause selbst. Mit einem PCR-Test hast du außerdem eine 99%ige Sicherheit, dass du ab Test-Abnahme mindestens drei bis vier Tage nicht ansteckend bist für andere Personen. Das ist der Key an der ganzen Sache. Wenn alle mit PCR-Tests das Areal betreten, dann ist es sicher dort. Damit funktioniert das Event - egal ob das das Lighthouse-Festival, die Staatsoper oder ein Heimspiel der österreichischen Fußball-Bundesliga ist.

„Eines ist klar: Jeder wird crazy gehen. Das wird eines der besten Festivals, das wir je gemacht haben. Weil man muss sich vorstellen: Die Leute haben mehr als 12 Monate keine Party mehr gehabt - und dann gleich am Meer, in einem sicheren Umfeld, mit mehreren tausend Leuten. Das wird magic.“

Wie könnt ihr garantieren, dass jede*r, der/die 48 Stunden vor einem Konzert diesen Test macht, das Test-Ergebnis auch rechtzeitig bekommt?

Natürlich ist das alles ein Prozess, den es davor noch nie gegeben hat. Ein normales Labor war früher hauptsächlich damit beschäftigt, ein paar hundert Proben von diversen Krankenhäusern zu analysieren. Plötzlich kam die Pandemie und die wissen gar nicht mehr, wo vorne und hinten ist. Das hat ein bisschen gedauert, bis dieser Prozess optimiert worden ist. Bei Events ist es aber anders. Ich weiß, welche Kapazitäten zu welcher Uhrzeit in welchem Labor ankommen. Damit kann ich Kapazitäten vorreservieren und die Labore können besser planen. Ich biete den Event-Veranstaltern unser Tool nur dann an, wenn ich das Backup hab’ vom Labor. In Wien können wir aktuell 30.000 Tests pro Tag abwickeln. Das ist sensationell - und übrigens weltweit einzigartig. Das einzige Risiko kann sein, dass z.B. Einzel-Samples bei der Post hängenbleiben oder einen Tag später kommen. Das ist ein Restrisiko. Aber das wurde in den letzten Wochen und Monaten schon so effizient in den Griff bekommen, dass das eigentlich kein Problem sein sollte.

Du hast vorhin schon angesprochen, dass der PCR Test mittlerweile schon für circa 30 Euro zu haben ist. Wer zahlt diese 30 Euro dann – die Festivalbesucher*innen, die Veranstalter*innen? Oder kommt vielleicht eine staatliche Förderung?

Dazu gibt es Gedanken, aber es ist noch zu früh, das zu beantworten. Was wir aber auf jeden Fall erreichen wollen, ist die Steuerfreiheit für Tests. Die bayrische Regierung hat schon letztes Jahr im Sommer alle Labor-Preise gedeckelt, weil die Labore Millionen verdient haben mit Steuergeldern. Wir werden auf jeden Fall versuchen, den Preis so zu gestalten, dass es für jeden vertretbar ist. Ich habe aber auch schon viele Freunde gefragt „Wär das für euch okay, 30 Euro mehr zu zahlen“ und die fallen mir fast um den Arm und sagen „Ich zahl dir auch das Doppelte, ich will einfach nur feiern“.

Wir haben jetzt eine Virus-Mutation, die Zahlen sinken trotz Lockdown nicht. Wäre ein Festival jetzt, sagen wir im Februar mit deinem Konzept denkbar?

Wir müssen jetzt natürlich noch abwarten, wie sich die Pandemie entwickelt. Es kann sein, dass im Mai die Situation so schlimm ist, dass wir entscheiden, zu verschieben. Am Donnerstag kommt ein neues Gesetz, das die Details in der Eventbranche regelt und auf diesen müssen wir aufbauen. Jede Partei hat unser Konzept am Tisch und findet es eigentlich sehr gut. Generell gilt: Überall, wo ich als Veranstalter*in dafür sorgen kann, dass ein Abstand gewährleistet werden kann, z.B. in einem Theater, wo jeder zweite Platz frei bleibt, und wo es keine besondere Beeinträchtigung ist, eine Maske zu tragen, kann man Events sofort umsetzen.

Unser Ansatz ist, diese bestehenden Lockdown-Regeln auszuhebeln oder zu umgehen. PCR-Tests sind so sicher, dass wir hoffentlich bei Ampelfarbe Orange oder Gelb, das muss die Gesundheitsbehörde vorgeben, Social Distance und Maske nicht mehr brauchen. Wenn der harte Lockdown eine Wirkung zeigt, ist es sehr realistisch, dass wir ab März erste Konzert-Veranstaltungen mit 100 oder 150 Personen indoor machen dürfen. Ich sage bewusst dürfen. Die Entscheidung liegt immer bei der Gesundheitsbehörde. Aber wir bieten ihnen das Tool an. Und ich hoffe es wird angenommen, sonst sind wir alle pleite (lacht). Falls sich die Pandemie aber so gut entwickeln sollte, dass es in Österreich und in Kroatien kaum mehr Fälle oder nur wenig Fälle gibt, dann gibt’s natürlich auch die Möglichkeit, dass wir nur mit Schnelltests kontrollieren. An sich halte ich von Schnelltests aber nichts, weil statistisch erwiesen jeder vierte Test false-negativ oder false-positiv ist.

„Ich sag immer einen Satz, den ein Virologe mal gesagt hat: In einem Raum zu sein, wo jeder mit PCR getestet ist, ist sicherer, als mit einer Maske in den Supermarkt zu gehen. Warum darf ich dann in den Supermarkt, aber kein Event mit PCR getesteten Personen machen?“

Dein Start-Up ist nicht nur österreichweit, sondern international gedacht. Außerdem soll das Konzept nicht nur in der Musikbranche, sondern auch bei Airlines, Sport-Events und anderen Kulturevents zur Anwendung kommen. Was ist hier der aktuelle Stand? Gibt es schon Kooperationspartner*innen bzw. gab es schon Projekte? Und was sind deine weiteren Schritte?

Wir sind relativ schnell auf die Flugindustrie gekommen und haben im Oktober ein Programm in Kanada bei einer Airline Aviation Consulting Plattform gewonnen, die weltweit agiert. Die haben nach kreativen Lösungen gesucht, um die Flugindustrie zu retten.

Seitdem sind wir in Kontakt mit der Iberia, Turkish Airlines, Emirates, Lufthansa und so weiter. Die andere Geschichte ist Sport-Industrie. Da haben wir zum Beispiel ein Joint-Venture mit einer der größten Sport Agenturen Europas. Da kam vom Präsidenten von FC Bayern München die Ansage: „Wir wollen der erste Verein weltweit sein, der 50.000 Leute in die Münchner Allianz-Arena lässt“. Da wird jetzt gerade mit dem Herrn Söder in München verhandelt, weil am Ende des Tages ist es immer eine politische Entscheidung. Aktuell sitze ich an einem Konzept für die Fußball-Europameisterschaft im Juni und für Olympia in Japan, das aber gerade sehr, sehr wackelt. Man kann sich vorstellen, ich habe sehr viel zu tun (lacht).

Das Besondere an dem Ganzen ist aber: Den Gurgel-Test habe nicht ich erfunden - aber das ist eine Wiener Erfindung. Und daraus wurde der Prozess entwickelt, das er als Paket heimschickbar ist. Wir sind drauf gekommen, dass es kein vergleichbares besseres Produkt weltweit gibt. Das macht es so krass.

Du hast ja im März auch ein neues Lokal auf der Praterstraße geöffnet, das bisher genau eine Woche geöffnet war. Wie fühlt sich das eigentlich an, wenn alles, woran man sonst arbeitet und bis zu einem gewissen Punkt auch der Lebensinhalt ist, unter den Füßen wegbricht? Hattest du Schwierigkeiten, dich auf die neue Situation einzustellen?

Das war schon hart zu Beginn. Wir haben eineinhalb Jahre auf diese Praterstraße hingearbeitet. Aber es gab schon gute Hilfe. Wenn wir die Kreditrate nicht verschieben hätten können und wenn der Hauseigentümer die Miete nicht reduziert hätte, dann wäre es extrem schwierig gewesen. Alle meine Projekte, wirklich alle, waren von heute auf morgen auf Null, der Härtefall-Fond hält mich über Wasser (lacht).

Wer mich aber kennt, weiß, ich bin ein sehr engagierter, zielstrebiger Mensch. Jetzt einfach den Kopf in den Sand zu stecken ist nicht mein Weg. Eine Tür öffnet die andere. Im Nachhinein ist testFRWD vielleicht das größte Projekt meines Lebens, ich weiß es nicht. Ich weiß aber auch, dass es vielen anderen nicht so gut geht, vor allem Lokalen, die schon vor der Pandemie einen schlechten finanziellen Status gehabt haben und deswegen auch keinen Kredit bekommen haben. Die sind jetzt wirklich in einer Notfallsituation. Ich hoffe, dass ich mit diesem Testprogramm mindestens zwei Monate früher eine Normalität für jedes Gastronomielokal, jeden Club, jeden Sportverein und jede Kulturveranstaltung schaffen kann. Dann ist es hoffentlich eine große Hilfe, nicht nur für mein Lighthouse-Festival.

Das heißt, bei dir ist jetzt Warten angesagt, was von politischer Seite kommt?

Der Ball liegt bei der Politik und bei der Pandemie selbst, die niemand beeinflussen kann. Wir sind jetzt schon lange im Lockdown und die Zahlen gehen nicht runter. Dann noch diese Mutation. Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass sich in den nächsten zwei Monaten was ändert. Ich hoffe auf die warmen Temperaturen, die haben, mehr als Wissenschaftler erwartet haben, einen Einfluss.

Aktuell: