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„Isles“ von Bicep ist ein Clubalbum für Zuhause

Im Dezember waren Bicep mit „Apricots“ auf Platz 1 der FM4 Most Wanted Clubtracks 2020. Jetzt ist mit „Isles“ ihr zweites Album erschienen. Das Produzenten-Duo aus Belfast hat damit das Unmögliche möglich gemacht und ein Clubalbum für Zuhause veröffentlicht.

Von Alica Ouschan

Cover "Isles"

Ninja Tune

Isles ist am 22. Jänner bei Ninja Tune erschienen.

Nach ihrem erfolgreichen, ersten Album haben Andy Ferguson und Matt McBriar sich auf der längsten Clubtour ihres Lebens wiedergefunden. Nach über zwei Jahren war dann aber nicht die wohlverdiente Pause angesagt. Ihr Weg führte sie direkt zurück ins Studio, erzählen Bicep im FM4 Interview: „We toured until the end of 2018, took one week off and were back in the studio in January. We were working on the new album until about March this year, so just in time for the pandemic to start“, sagt Matt.

Obwohl die zehn Tracks auf dem Album bereits vor Beginn der Pandemie feststanden, haben Bicep damit unwissentlich den Vibe der aktuellen Zeit musikalisch eingefangen. Nachdem das Debutalbum sehr clublastig war, haben die beiden selbsternannten Musiknerds für ihr zweites Werk eine reduziertere, nach innen gekehrte Version von sich selbst angestrebt.

„We wanted something you could play at home and the same track would work in a club environment“, sagt Matt und Andy ergänzt: „On the first album we were just finding our feet and getting confident across the keyboard. Being able to jam and just be comfortable together in the studio.“ Das erste Album sei aus gemeinsamem Experimentieren entstanden, für das neue gab es hingegen von Anfang an einen Plan: „We wanted to create something that’s not only exciting for the audience, but for us as well, when performing.“

Die Performbarkeit der Platte hat bei ihrer Entstehung also trotz der zurückgeschraubten Atmosphäre eine tragende Rolle gespielt. Matt und Andy haben den Anspruch an sich selbst gestellt, jeden Song gemeinsam live performen zu können, ohne die Lust und Liebe zu den Tracks zu verlieren - selbst nach zwei Jahren Tour.

Markante Samples

Die Musik von Bicep definiert sich seit Beginn hauptsächlich über ineinandergleitende, analoge Synthesizer, helle, klare Drums und Voice-Samples, die verschwommen und markant zugleich sind. Auf „Isles“ sind es jedoch nicht mehr die treibenden Drums, sondern das Synth-Meer und die Samples, die den Sound tragen. Das Songwriting der beiden Produzenten beginnt meist sehr klassisch: „We sit down at the piano first. All of the songs have to work without any samples or drums. When they do, we start adding the samples, but it’s a very long process.“

Clara La San ist eine Künstlerin, deren Stimme auf dem Album präsent ist. Bei Tracks wie „X“ oder der Single „Saku“ passt die helle, glasklare Stimme der Britin wie die Faust aufs Auge. Oft bedienen sich Bicep aber auch an bereits bestehenden Samples, denn davon haben sie genug: „We’ve been collecting samples for the past ten years“, erzählt Matt. „Everywhere we go, we hear a great song in a shop, we shazam it. Living in East London, we’ve been able to visit many amazing record stores and see so many different cultures.“ Das Voice-Sample im verheißungsvollen Album-Vorboten „Apricots“ beispielsweise, stammt von einem Song aus Malawi.

Introspektive Melancholie

„Apricots“ ist auch der Song, der es aufgrund seines melancholischen und gleichzeitig hoffnungsvollen Klangs, der das seltsame Gefühl, das das letzte Jahr begleitet hat, musikalisch perfekt beschreibt, auf Platz 1 der FM4 Most Wanted Clubtracks 2020 geschafft hat. „It captures the uncertainty of 2020 but with a tinge of positivity in the future“, sagt Andy. Und obwohl „Isles“ kein „Corona-Album“ ist, zieht sich dieses Gefühl der introspektiven Melancholie, wie es Bicep selbst beschreiben, wie ein roter Faden durch. „It’s quite an Irish emotion to be happy and sad at the same time“, meint Matt. „Irish people enjoy being melancholic. And we never intended to make music that sounds like this but I think it just comes across naturally.“

It’s quite an Irish emotion to be happy and sad at the same time.

Auch wenn Matt und Andy im Studio sind, ist meistens einer gutgelaunt, der andere eher traurig: „We always try to create some sort of tension and not write our music too literal.“ Und spätestens jetzt wird offensichtlich, warum die beiden sich selbst als Musiknerds bezeichnen. Sie sprechen über Chord-Wechsel und Harmonien, die ihre Stimmung widerspiegeln, wie sie Songs dekonstruieren, auseinander- und wieder neu zusammenbauen und darüber, dass sie ihre Musik in Farben vor sich sehen können: „This is how we speak emotion trough the notes.“

Wie viel Arbeit in die Umsetzung eines Bicep-Albums fließt, zeigt sich bei einem Blick hinter die Kulissen: Matt und Andy haben über 150 Demos aufgenommen, die im Schaffensprozess zu „Isles“ entstanden sind. Es seien zwar alle davon gute Songs, jedoch haben es nur zehn Tracks auf die Platte geschafft. Nämlich jene, die das Gefühl der introspektiven Melancholie auf ihre eigene Art verkörpern: „We wanted it to almost sound like a conversation between the tracks.“

Virtuelle Liveshows der Zukunft

„Atlas“ ist der Opener und gleichzeitig der Lieblingssong von Matt und Andy auf „Isles“, weil es der einzige Song ist, den sie bisher live im Club ausprobieren konnten. Dass das neue Album jetzt tatsächlich eines für Zuhause und nicht für den Club ist, hält die beiden aber nicht davon ab, eine ganz eigene Art der virtuellen Liveshow zu planen und ihre ganze Energie in deren Umsetzung zu stecken.

Der Bicep Global Livestream findet am 26. Februar ab 21:30 Uhr statt.

Eine virtuelle Bicep-Show soll sich so anfühlen, als würde man im Club stehen und die Augen schließen: „We’ve remixed every song, it’s much more forward than on the album. And for the performance we become the visuals. We’re really trying to make it special. If you got a projector and some speakers it definitely will be a club experience“, sagen Bicep über ihre virtuelle Liveshow Ende Februar. „We want to make it feel like a trip.“

Egal ob Zuhause auf der Couch oder um fünf Uhr früh im halbleeren Club, „Isles“ ist ein vielfältiges Album und passend für ebenso viele Anlässe. Tiefgründig, mächtig, schwermütig und trotzdem hoffnungsvoll klingt die reduziertere Version von Bicep und ihr gelungenes zweites Album.

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