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Bryan Cranston als Richter

Showtime/SKY

„Your Honor“: Der Fluch des Serienformats

„Breaking Bad“-Star Bryan Cranston ist zurück als Richter, der für seinen Sohn sämtliche Gesetze übertritt.

Von Christian Fuchs

Erst unlängst kamen Kollegin Pia Reiser und ich beim FM4 Filmpodcast zu dem selben Schluss: Serien sind ein wenig in die künstlerische Sackgasse geraten. Natürlich gibt es hin und wieder kleine Sensationen in diesem Bereich. Aber zu viele Serien, auch wenn sie ansprechende Oberflächen bieten oder mit ungewöhnlichen Inhalten punkten, wirken nur noch wie am Reißbrett für eine bestimmte Zielgruppe konzipiert.

Marktforschungsergebnisse und natürlich die Algorithmen von Netflix & Co. üben längst einen enormen Druck auf Drehbuchautor*innen und Filmemacher*innen aus. Vor allem erweist sich die Länge, verglichen mit schlanken Kinofilmen, mittlerweile als Dilemma. Welche aktuelle Serie hat plottechnisch schon so viel zu bieten, dass es wirklich zehn Episoden à 50 Minuten braucht?

Your Honor“ darf, zumindest was den letzteren Punkt betrifft, schuldig gesprochen werden. Die Erzählung zieht sich unnötig dahin. Auf den ersten Blick auch nicht mehr prickelnd: Eine innerlich zerrissene Titelfigur, die man schon zur Genüge aus der „Goldenen Ära der Serien“ kennt, in der von „Mad Men“ bis zu den „Sopranos“ ähnliche maskuline Antihelden den Bildschirm bevölkerten.

Bryan Cranston auf einem Friedhof

Showtime/SKY

Beklemmender Auftakt im Hitchcock-Stil

Ein bürgerlicher, biederer Mann wird durch drastische Umstände aus der Bahn geworfen und beginnt schrittweise Gesetze zu überschreiten: So könnte man vor allem Walter White aus „Breaking Bad“ beschreiben, den krebskranken Chemielehrer, der sich in einen kaltblütigen Drogenhändler verwandelt. Diese Charakterisierung würde aber auch zum Richter Michael Desiato passen, der Hauptfigur in „Your Honor“.

Bryan Cranston spielt beide Männer, die aus familiären Gründen in die Kriminalität abrutschen. Im Fall des verwitweten Alleinerziehers Michael ist sein Sohn schuld. Der etwas verhuscht wirkende Bub (Hunter Doohan) verursacht einen fatalen Unfall. Als er mit dem Auto in einem unachtsamen Moment einen jungen Motorradfahrer rammt, ruft er nicht die Polizei. Adam Desiato lässt das verstorbene Opfer zurück und begeht Fahrerflucht.

Die Showtime-Serie „Your Honor“ ist hierzulande via SKY zu sehen.

Der beklemmende Auftakt der Serie erinnert an Spannungsgroßmeister Alfred Hitchcock und dessen fesselnden Inszenierungsstil. Als sich der tote Teenager dann als Sprössling eines berüchtigten Gangsterbosses (Michael Stuhlbarg) entpuppt, spitzt sich die Lage zu. Um sein eigenes Kind zu schützen, muss der ehrenwerte Richter all seine Grundsätze hinter sich lassen.

Bryan Cranston als Vater mit Hunter Doohan als Sohn

Showtime/SKY

Unglaubhaft konstruierte Wendungen

Man wünscht sich „Your Honor“ nach der grandiosen Eröffnungsepisode als kompakten, zweistündigen Kinofilm, der um die brenzlige Ausgangsposition kreist. Denn es ist klar: Das Ganze läuft natürlich auf ein Duell zwischen Vaterfiguren hinaus, Bryan Cranstons Richter gegen den Ganoven Baxter, gruselig vom Charakterdarsteller Michael Stuhlbarg („Call Me By Your Name“) verkörpert. Bis es zu diesem Duell kommt, vergeht aber viel Zeit. Und die zehnteilige Serie verstrickt sich in unzähligen Parallelhandlungen.

Die Black Community von New Orleans kommt zentral ins Spiel, es gibt klassische Thrillerklischees und schmerzhafte Sozialkritik, beeindruckende Einzelszenen und unglaubhaft konstruierte Wendungen. „Your Honor“ ist bis zur gesichteten Folge 6 ein Wechselbad der Gefühle. Immer wieder flackert Potential auf, aber der Fluch des Serienformats macht vieles zunichte.

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