Mit Akzent: Todor und das Rodeln

Rodeln ist wie ein Flug – man stürzt sich einen Hügel hinunter, als ob man gleich abheben und sich in einen Vogel verwandeln könnte. Doch was passiert mit einer Rodel, wenn sie ihre Pflicht erfüllt hat?

Von Todor Ovtcharov

Die meisten von euch können sich wohl an die erste Rodel ihres Lebens erinnern. Meine erste Rodel war blau. Gemacht wurde sie aus schweren Röhren aus Metall und hatte ein Holzgitter darauf. Sie wog mehr als ich. Der Wille sie bergauf zu ziehen hat sich ganz schnell aufgelöst. Meine Eltern rodelten noch ein paar Mal, während ich sie von der Seite beobachtet habe und dabei versuchte, ohne meinen Handschuh abzunehmen, Nase zu bohren. Danach stand meine Rodel einige Woche lang im Flur und wir hatten von ihr alle blaue Flecken an unseren Beinen.

Vom Flur wanderte die Rodel weiter auf den Balkon. Wir sind schließlich umgezogen und haben sie dort dann einfach vergessen. Ich habe sie nie wieder gesehen. Ich glaube ich bin danach nie mehr gerodelt, aus Loyalität zu diesem ersten Schlitten.

Ich erinnerte mich wieder daran, als ich neulich für meine Tochter eine Rodel aus dem Internet bestellt habe. Sie ist rot und hat ein spezielles Fach, wo man kleine Gegenstände verstauen kann, während man rodelt. Was ein Kind dort wohl verstecken könnte? Die Handschuhe eher nicht, denn sonst erfrieren ihm die Hände. Vielleicht die Rodeljause? Oder das Taschengeld? Dieses Fach mag sinnlos sein, aber meine Tochter hat Freude daran, macht es immer wieder auf und zu und versteckt sämtliche Sachen darin.

Die nächste Frage wäre, wo man wohl rodeln könnte. Vor der Pandemie war es leicht, denn selbst wenn es in Wien nicht schneit, könnte man auf den Semmmering fahren. Die Menschen dort aber beschweren sich, dass zu viele Ausländer dorthin zum Rodeln fahren und die Wiesen und die Parkplätze verstopfen. Sie sind auch noch so frech sich keine Skikarten zu kaufen und nur an den frei zugänglichen Wiesen zu rodeln. Die Rodelwiesen wurden in Folge zugesperrt. Wenn es verboten ist, dann ist es verboten. Ski fahren bleibt erlaubt, aber auf der Skipiste darf man nicht rodeln. Außerdem kann man auf einen bösen britischen Skilehrer treffen mit einer Corona-Mutation.

Ich schaue mir diese Rodel an und frage mich, warum ich sie wohl gekauft habe. Meine Tochter aber hat mir auch ohne rauszugehen Spaß. Kuscheltiere sitzen darauf und sie zieht sie durch das Wohnzimmer. Sie und ihre Mutter saßen sogar schon selber darauf und sie schrien fröhlich, als ob sie von einem Hügel hinunterrodeln. Sie haben mir zugewunken und Lieder gesungen. Von der Seite sah es lustig aus.

Laut Wetterbericht soll es diese Woche wieder richtig schneien. Wir werden einen Schneemann im Hof machen und hoffentlich auch rodeln gehen. Somit würde die Rodel ihre Mission erfüllen können. Jetzt steht sie im Flur und wir versuchen sie nicht herumzutreten. Im Frühling werde ich sie wahrscheinlich am Balkon stehen lassen. Falls ihr irgendwann meine Wohnung mieten solltet und eine Rodel am Balkon findet, werft sie nicht in den Müll. Sie wurde mit viel Liebe gekauft.