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Doanukanal-Graffitis

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Der Wiener Donaukanal ist ein Street-Art-Museum mit täglich neuen Werken

Hier können kunstbegeisterte Menschen auch beim 100. Spaziergang durch Wien noch Neues entdecken. Eine Street-Art-Künstlerin erzählt, warum es am Donaukanal nie langweilig wird, und gibt aktuelle Einblicke in die Szene.

Von Alica Ouschan

Zwischen Spittelau und Urania zieren Tags, Graffitis, große und kleine Bilder die Wände auf beiden Seiten des Donaukanals. Street Art umgibt uns, nicht nur am Donaukanal und nicht nur in Wien. In Unterführungen, auf Autobahnbrücken, Zügen und Hauswänden, überall in Österreich und auf der ganzen Welt kann man diese Kunstform entdecken. Gesehen haben wir sie also alle schon, gleichzeitig wissen wahrscheinlich die wenigsten, was genau es damit auf sich hat. Gemeinsam mit Künstlerin Flora bin ich den Wiener Donaukanal entlang spaziert und habe ihr einige Fragen zu den Mythen gestellt, die sich um die Kunstwerke auf Wiens Straßen ranken.

Doanukanal-Graffitis

Radio FM4/flora.safari

Flora (@flora.safari auf Instagram) war von der Street-Art- und Graffiti-Szene schon als junges Mädchen begeistert, jetzt ist sie selbst Teil davon. Sie malt am liebsten feministische Bilder und bunte Botschaften an Wiens Wände. Ihr aktuelles Werk am Donaukanal ist ein Tribute an eines ihrer Vorbilder anlässlich des Weltfrauentags.

Wie legal ist das eigentlich?

Eine Frage, die einem mit Sicherheit unter den Nägeln brennt, wenn man schon einmal am Donaukanal entlangspaziert ist: Darf dort jede*r einfach überall hinsprayen oder ist das Vandalismus? Und was ist eigentlich der Unterschied zwischen Street Art und Graffitis? „Street Art ist natürlich weit gefasst jede Form von Kunst, die auf der Straße stattfindet“, sagt Flora. „Graffitis sind auch Street Art, aber wenn man es abgrenzen will, dann sind Tags und Graffitis eher Schriftzüge, wo es darum geht, seinen Namen oder den Namen seiner Crew zu repräsentieren, und Street Art sind Bilder, wo es mehr um den Inhalt geht.“

Über die Legalität dieser Kunstform wissen die wenigsten Bescheid, meint Flora, dabei gibt es in Wien eine recht einfache Regelung: „Jede Wand, die in Wien legal besprüht werden darf, ist mit dieser Taubenplakette gekennzeichnet“, zeigt mir Flora die sogenannte „Wiener Wand“, von der es in fast jedem Bezirk zumindest eine und am Donaukanal vier gibt. Obwohl es den Anschein macht, dürfen also nicht alle Wände am Donaukanal legal besprüht werden. Die vier legalen Stellen sind teilweise nur wenige Meter breit, das Graffiti geht auf beiden Seiten noch meterlang weiter. „Es hat sich ausgebreitet“, sagt Flora. Die Community sei einfach zu groß geworden, der legale Platz sei zu wenig.

Doanukanal-Graffitis

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„Meistens bekommt man keine Probleme, wenn die Polizei dir aber welche machen will, kann sie, und es wissen viele Leute gar nicht, dass es eben nicht überall am Donaukanal legal ist.“ Im Gegenteil, es drohen hohe Geldstrafen. Der Grund dafür, dass der Donaukanal nicht einfach zur legalen Street-Art-Zone erklärt wird, sei der empfindliche Sandstein der Wände - der sei aber laut Flora eigentlich an allen Stellen, auch den legalen, gleich. Sie wünscht sich mehr legale Möglichkeiten für Wiener Straßenkünstler*innen und solche, die sich darin ausprobieren möchten. Denn sie werden immer mehr und die Community immer diverser.

Jede*r kann Street Art machen

„Was mich sehr freut, ist, dass in den letzten Jahren diese doch sehr männerdominierte Szene ein bisschen aufgemischt wurde und dass auch feministische und nicht-männliche Künstler*innen mehr Aufmerksamkeit bekommen haben.“ Prinzipiell ist die Straße aber ein Bereich, der für alle offen ist und viel zugänglicher, als man vielleicht denkt: Jede*r darf alles machen. „Und du kommst dann an diesen Bildern vorbei, weißt vielleicht nicht, was und von wem das ist, aber du kannst dir deinen Teil dazu denken und das finde ich das Spannende daran“, erzählt Flora. Die Vielfalt der Künstler*innen spiegelt sich in der Vielfalt der Themen und unterschiedlichen Ästhetik der Kunstwerke wider.

Doanukanal-Graffitis

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Im Freiluft-Museum Donaukanal gibt es für jede*n etwas: abstrakte Malereien, Tausende von bunten Schriftzügen, Rapid-Fan-Art und antifaschistische Kunstwerke, visuelle Kommentare zum Weltgeschehen und humorvolle Bilder mit mal mehr, mal weniger Bedeutung.

Die Kunstwerke ändern sich beinahe täglich. „Es gibt dafür kein ungeschriebenes Gesetz, gerade bei den legalen Wänden ist es oft so, dass dein Bild schon nach ein paar Tagen wieder übermalt wird“, sagt Flora. „Das ist eben so. Wenn du leiwand sein willst, übermalst du etwas, das schon beschädigt ist, zur Hälfte übermalt wurde oder noch verschönert werden kann.“

Es gibt keine Kunstwerke, die einen Sonderstatus genießen, manche werden aber aus Respekt länger gelassen als andere oder es sind Auftragsarbeiten. Grundsätzlich gibt es zumindest ein paar interne Richtlinien, an die man sich halten kann, aber nicht muss: „Wenn du siehst, dass die Farbe noch nass ist, dann übermalst du nicht. Oder wenn du siehst, das Bild ist von 2007 und quasi schon retro, dann lässt du es auch“, sagt Flora und ergänzt: „Aber es kann ja auch passieren, dass irgendwer, der sich noch gar nicht auskennt, die Nicole13, sich eine Dose im Baumarkt kauft und, weil sie sich einfach mal ausprobieren will, ihren Namen über mein frisches Kunstwerk sprayt.“

Doanukanal-Graffitis

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„Es bringt nichts, sich darüber zu ärgern oder Streit anzufangen.“ Denn so funktionieren das Spiel und seine Spielregeln nun mal. „Damit rechnest du, wenn du Street Art machst“, sagt Flora. „Das ist der Preis dafür, dass du deine Kunst im öffentlichen Raum herzeigst.“ Obwohl die Street-Art-Künstler*innen mit mangelndem Platz und der damit einhergehenden, zunehmenden Verlagerung ihrer künstlerischen Aktivität in den illegalen Bereich zu kämpfen haben, hat die Kunstform durch ihren Freiluftcharakter vor allem im letzten Jahr einen entscheidenden Vorteil genossen.

Corona-Kunst

Zwar konnte Street Art und Graffiti seit dem ersten Lockdown weiterhin, zumindest ohne zusätzliche Einschränkungen, gemalt werden, trotzdem ist auch die Street-Art-Szene nicht an der Pandemie vorbeigekommen. „Ein paar Corona-Kunstwerke fallen mir da schon ein“, meint Flora. „Eines hat zum Händewaschen aufgerufen, in einem ist Klopapier vorgekommen.“ Direkt über dem Flex am Schottenring lautet außerdem ein großer Schriftzug „Keep Smiling!“ und wir kommen bei unserem Spaziergang an einem Gesicht mit Maske vom Künstler Peks the Pekser vorbei.

Doanukanal-Graffitis

Radio FM4/peks_the_pekser

„Prinzipiell werden natürlich alle möglichen aktuellen Themen von der Szene aufgegriffen, da gibt’s kein Limit“, sagt Flora und zeigt mir die schwarze Wand (die mittlerweile zu großen Teilen wieder übersprayt wurde), gegenüber vom Schwedenplatz, die zum Gedenken an die Opfer des Terroranschlags in Wien installiert wurde.

Doanukanal-Graffitis

radio fm4/

Ein Spaziergang, der nie langweilig wird

Weil es fast täglich etwas Neues zu entdecken gibt, wegen ihrer Vielfalt und weil sie an fast jeder Ecke zu finden ist, wird die Wiener Street Art besonders an Orten wie dem Donaukanal, wo sich ein Kunstwerk ans nächste reiht, oft nicht nicht mehr richtig wahrgenommen. Dabei hat Wien damit ein riesiges Freiluftmuseum bei freiem Eintritt, dessen ständig wechselnde Ausstellungen sogar bewundert werden können, wenn alle anderen Museen schließen. Insgesamt fünf Street-Art-Wanderwege gibt es in Wien, sie sind zwischen sechs und einundzwanzig Kilometer lang und reichen weit über den Donaukanal hinaus.

Auch Flora empfiehlt, neben dem Donaukanal noch andere Schauplätze zu besuchen und nicht nur einmal, sondern immer wieder zu kommen. Der vierte Bezirk und der Yppenplatz im 16. sind ihre liebsten Street Art Hotspots, generell gilt für sie aber: „Einfach mit offenen Augen durch die Stadt gehen, es gibt wirklich überall was zu entdecken!“

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