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Steiner & Madlaina

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Steiner & Madlaina beweisen, dass Gitarrenpop politisch sein kann

„Wünsch mir Glück“ heißt das zweite Album des Schweizer Duos Steiner & Madlaina. Es ist voller Gute-Laune-Songs mit bitterem Beigeschmack und politischer als erwartet.

Von Alica Ouschan

Knapp drei Jahre ist es her, dass die beiden Schweizerinnen Nora Steiner und Madlaina Pollina ihr vielgelobtes Debütalbum „Cheers“ veröffentlichten. Das Duo glänzte mit harmonischer Zweistimmigkeit, folkigem Indie-Pop und einem Ansatz von Biss in ihren Songs auf Deutsch, Englisch und Schwyzerdütsch.

Album Cover "Wünsch mir Glück"

Glitterhouse Records

Wünsch mir Glück ist am 12. Februar bei Glitterhouse Records erschienen.

Auf der neuen Platte „Wünsch mir Glück“ rückt die Zweistimmigkeit in den Hintergrund und macht den raumgreifenden Texten Platz. Auch singen Steiner & Madlaina auf ihrem neuen Album nur mehr auf Deutsch, wobei das nicht geplant war und sich eher zufällig ergeben hat, erzählen die beiden im FM4 Interview.

Reflexion und Kommunikation

„Wir hatten auch Songs auf Englisch und Schweizerdeutsch zur Auswahl“, sagt Nora. „Aber am Ende haben wir die ausgesucht, die am besten zueinander gepasst haben und das waren dann auch die Besten.“ Die elf Songs drehen sich um Beziehungsthemen und Bedürfniskommunikation, Steiner & Madlaina reflektieren über die eigene Stellung als Frauen im Musikbusiness, in Beziehungen aber auch in der Gesellschaft. Diese Themen, die in einer unterschwelligen, jüngeren und naiveren Version bereits auf dem Vorgängeralbum vorgekommen sind, verstärken sich auf „Wünsch mir Glück“, manifestieren sich, nehmen neue, reifere Formen an und Perspektiven ein.

„Wir sind rein handwerklich und was die Texte angeht auf jeden Fall besser geworden“, sagt Madlaina. „Das Album beschreibt uns Menschen und wie wir uns miteinander verhalten. Vor allem natürlich die Menschen, die wir sehen und die uns umgeben. Das sind meistens noch die gleichen, wie beim letzten Album, nur sind wir eben älter geworden und unsere Wahrnehmung hat sich ein bisschen verschoben.“ Die Inhalte, die Probleme und Themen, die sie beschäftigen, seien aber noch immer dieselben. Deswegen klingt „Wünsch mir Glück“ wie eine konsequente Fortsetzung und Weiterentwicklung des Duos.

Steiner & Madlaina haben sich und ihren Stil gefunden. Das Album ist zu einem gewissen Grad also auch Selbstfindungsalbum oder zumindest Selbstreflexion. Damit schlagen die beiden auch die Brücke zwischen ihrem Album und der Art und Weise, wie sie als Duo arbeiten und funktionieren. Texten tun die beiden nämlich jeweils alleine, trotzdem trägt am Ende jeder Song die Handschrift von beiden: „Wir arbeiten sehr nahe zusammen“, sagt Madlaina.

„Gerade bei Songs, die schwierige Themen behandeln braucht man oft mal eine neue Idee oder einen neuen Anhaltspunkt.“ Und Nora ergänzt: „Es geht ja nicht nur um den Text! Alles, was danach kommt, passiert zusammen.“ Die Musik lebt von der gemeinsamen Reflexion, und das merkt man. Obwohl auf dem neuen Album jede die von ihr geschriebenen Songs selbst singt, ist es schwer rauszuhören, von wem die Zeilen stammen. Auch thematisch bewegen sich beide im selben Spektrum. „Nora schreibt sehr bildhaft und erzählt Geschichten und ich schreibe eher in Zeilen“, meint Madlaina. „Aber unser Songwriting ist sich auf dem neuen Album auch näher gekommen“, ergänzt Nora.

Steiner & Madlaina

Tim Wettstein

Ehrlicher und gnadenloser

Wer Steiner & Madlaina erst jetzt entdeckt, ist beim ersten Hören vermutlich überrascht, dass so viel Message hinter dieser Art von Musik stecken kann. Zugänglicher Gitarrenpop, Schunkel-Chansons, die stellenweise fast schon am Schlager zu kratzen scheinen, und sanfte Indie-Folk Lieder, deren Vibe durch den Text eine ganz neue Bedeutung bekommt: „Ich wollte auf diesem Album direkter werden, ehrlicher und gnadenloser“, erzählt Madlaina. „Ich wollte dahin, wo es wehtut - auch bei mir selbst. Und das hört man auch. Es ist viel mehr ‚in-your-face‘, aber nicht nur bei den politischen Songs, sondern auch bei den Liebesliedern.“

Direkter und gnadenloser zu werden, ist ihnen auf beeindruckend sanfte, charmante Art gelungen. So findet sich auf dem Album beispielsweise der Song „Denk was du willst“, der beim ersten Hören wie ein leidenschaftliches, aufopferndes Liebeslied klingt, sich aber als laszive, verruchte musikalische Inkarnation weiblicher Lust entpuppt. Das Frauen in ihrer Musik offen ihre Sexualität und sexuellen Bedürfnisse besingen können, ist gerade im deutschsprachigen Raum nach wie vor eine Seltenheit, aufgrund der mangelnden gesellschaftlichen Akzeptanz. Steiner & Madlaina bringen diese Problematik in ihrem Song auf den Punkt und beeindrucken dabei mit ihrer zugänglichen Vorgehensweise.

„Es ist nicht unsere Intention Songs möglichst poppig zu machen um damit möglichst viele Leute zu erreichen - obwohl mir der Gedanke gefällt!“ sagt Madlaina. „Bei schwerem und leicht pathetischem Inhalt ist uns wichtig, dass die Musik leicht ist und den Text trägt, damit nicht alles so anstrengend ist, sonst machts ja keinen Spaß mehr zuzuhören!“ Anstrengend ist ein gutes Stichwort - denn Bequemlichkeit ist ein weiteres Motiv, das sich in vielen ihrer politischen Songs wiederfindet.

Unbequeme Bequemlichkeit

Steiner & Madlaina sprechen in ihren Songs das „Millenial-Phänomen“ ihrer weißen, privilegierten, westeuropäischen Mitte-Zwanzig-Generation an. Bereits ihr bisher erfolgreichster Song „Das schöne Leben“, mit dessen italienischer Version sie letztes Jahr auch auf dem Album der Crucci Gang vertreten waren, thematisiert das Ausruhen auf dem eigenen Wohlstand. Auf dem neuen Album ist dies gleich im Opener „Es geht mir gut“ wieder Thema. Darin heißt es: „Zu faul für jegliche Debatten, bleib ich bei 40 Grad im Schatten“ und „wenn wir alle Lust drauf hätten, könnten wir die Welt noch retten.“ Autsch.

Eine Tatsache, die für die beiden als Schweizerinnen noch stärker ins Bewusstsein rückt: „Schon von klein auf bekommst du anerzogen, dass du dankbar sein musst, in der Schweiz leben zu dürfen. Wir haben diese komische Sonderstellung in Europa, wir sind die perfekten Opportunisten. Und wenn wir nicht anfangen, was zurückzugeben, wird das zur enormen Schuld“, erklärt Madlaina die Hintergründe zu einem der Highlights des Albums, dem Song „Heile Welt“. Pünktlich zum FM4 Protestsongcontest haben Steiner & Madlaina nämlich ihre eigene, Schweizer Version eines Protestsongs veröffentlicht: „Uns ist keiner bös, die neutrale Schweiz ist ein Paradies!“, heißt es in den ironischen Zeilen zu eingängigen Radio-Pop-Melodien.

„Ich will nicht lächeln!“

Andere Töne werden auf dem Album dann aber doch noch angeschlagen, denn diesmal haben sich Steiner & Madlaina ihre Live-Band mit ins Studio geholt und sind gemeinsam bei einigen Songs über die üblichen Soundbilder hinausgewachsen. So finden sich beispielsweise bluesig-rockige Klänge im Song „Und die bin ich“, oder punkige Ansätze im angry-girl-music-Song „Wenn ich ein Junge wäre (Ich will nicht lächeln)“. Der Titel des Songs ist mehr als bezeichnend für den Inhalt und trifft den Nagel mit seiner Banalität und Einfachheit genau auf den Kopf: „Ich will nicht lächeln bei ’nem Frauen-hinterm-Steuer-Witz!“

„Wir haben so viel erlebt, als wir auf Tour waren und sind viel mit Sexismus konfrontiert worden und haben erst so richtig realisiert: ‚Okay, wir werden tatsächlich anders behandelt als Männerbands‘ und das nervt!“, sagt Nora, die den Text zu „Wenn ich ein Junge wäre“ geschrieben hat. Und es gesellt sich noch ein weiterer Song von Madlaina dazu: „Ciao Bella“ ist im Gegensatz dazu aus der Sicht des Mannes geschrieben und rechnet mit toxischer Männlichkeit ab. Mit „Wünsch mir Glück“ legen Steiner & Madlaina das Prädikat „vielversprechende Newcomerinnen“ ab und beweisen, dass sie bereits inmitten der deutschsprachigen Alternative-Pop-Größen angekommen sind.

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