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Search Yiu

Iga Drobisz

Das Debütalbum von Search Yiu gleicht einem mentalen Spa

Der Berliner Newcomer macht poppigen Indie-R’n’B und singt über Mental Health, Depression, seine Sexualität und über das Leben mit einer Borderline-Störung. Das Debütalbum „SY“ ist frei nach dem Motto „Treat Yourself!“ ein musikalisches Spa für die Psyche geworden.

von Alica Ouschan

Mit diversen EPs hat Search Yiu, der über Jahre hinweg mit Drangsal in einer WG gewohnt hat, seit 2016 Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Zuerst auf Englisch, dann immer mehr auf Deutsch schrieb Search Yiu Beziehungs- und Heartbreak-Songs, oft verzweifelt, aber nie hoffnungslos. Jetzt ist sein Debütalbum erschienen, auf dem er sich so offen wie nie über seine mentale Befindlichkeit mitteilt. Es sei eine Art Eigentherapie für ihn gewesen, seine Gedanken rauszuschreiben anstatt sie in sich hinein zu fressen, erzählt er im FM4 Interview.

Search Yiu teilt diese sehr persönlichen Gedanken durch seine Musik mit der Öffentlichkeit. Auf „SY“ beschreibt er unter anderem seinen persönlichen Struggle, und wie sich seine mentale Verfassung auf sein Verhalten und sein Umfeld ausgewirkt hat: „Ich hab eine Borderline-Persönlichkeitsstörung. So ein Ding, mit dem ich viel zu kämpfen habe sind zum Beispiel Stimmungsschwankungen, die sich natürlich auch uncool auf Beziehungen auswirken. In dem Song ‚Verliebt‘ gehts darum, dass ich oft entweder überschwänglich verliebt war und dann aber auf einmal wieder sehr distanziert und das selbst irgendwie nicht so ganz kontrollieren konnte. Mittlerweile kann ich das zum Glück besser“, erzählt Search Yiu.

Auch das Aufwachsen im Dorf, als bisexueller Mann ist auf „SY“ Thema: „Damals hat man nicht gewusst, dass es das überhaupt gibt, also dass es noch irgendwas zwischen Straight und Gay geben kann. Damals war ich in Girls verliebt, aber er hatte für Boys irgendwie genauso Gefühle und konnte das aber nicht zuordnen.“ Neben Beziehungssongs wie „On und Off“ oder „Spaß“, die beide toxische Verhältnisse thematisieren, finden sich auf dem Album Songs über das Ausbrechen aus einer mentale Abwärtsspirale („Weg von hier“), inneres Zerdenken („Denk“) oder musikgewordene, selbstzerstörerische Gedanken ("Leer).

Nicht allein

Where Is My Mind? - Ein FM4 Schwerpunkt zum psychischen Wohlbefinden

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Vom 22. Februar bis zum 27. Februar auf allen Kanälen von FM4

Poppige R’n’B-Melodien mit Indie-Einflüssen tragen die Songs, für die sich Search Yiu Unterstützung von Freund*innen aus der deutschen Musikszene geholt hat. Produziert wurde das Album hauptsächlich von seinem langjährigen Freund und Kollaborateur Luka Seifert aka Rip Swirl, der sich für die Bausteine der Beats vom Ami-Rap inspirieren ließ. Außerdem hat Drangsal an Songs mitproduziert und Sängerin Mia Morgan singt mit bei „Nie mehr“, einem Song über Depression. Mit Mia Morgan macht Search Yiu übrigens auch seit ca. einem Jahr einen Podcast namens Mental Mall, wo ebenfalls die mentale Gesundheit im Fokus steht. Jede Folge widmet sich einem anderen Thema, oft laden die beiden einen Gast ein, meist ebenfalls eine Person aus dem Musikbereich, die mit dem jeweiligen Thema selbst Erfahrungen gemacht hat.

„Auf der einen Seite tut es mir immer leid, wenn Leute zu struggeln haben. Auf der anderen Seite ist es schön zu hören, wenn sie sagen, dass es sich durch den Podcast nicht so alleine fühlen oder dass sie sich motiviert fühlen, eine Therapie anzugehen“, zieht Search Yiu nach knapp einem Jahr Mental Mall Bilanz. Von toxischen Beziehungen über Essstörungen bis hin zu Mental Health und Social Media versuchen Mia Morgan und Search Yiu so viele Bereiche wie möglich abzudecken und bitten auch immer wieder ihre Hörer*innen um Themenvorschläge. Obwohl die beiden natürlich keine Expert*innen sind und dies auch nicht beanspruchen, wollen sie mit ihrem Podcast wertvolle Aufklärungsarbeit leisten und Betroffenen zeigen, dass sie mit ihrem Erfahrungen nicht alleine sind.

Self-Care zum Hören

Diesen Anspruch stellt Search Yiu auch an seine Musik: „Weil ich das auch von mir kenne, von früher. Als ich meine schwer depressiven Phasen hatte, hab ich mich sehr alleine gefühlt und mich danach gesehnt, dass es sowas gibt: Musik, die das anspricht.“ Auch wenn „SY“ durch die schwerfällige Thematik stellenweise drückend wird, ist das Gesamtpaket ein anstrengender, aber lohnender Spa-Besuch für die Psyche. Passend zum Konzept des Albums hat Search Yiu es sich nicht nehmen lassen, eine eigene Hautcreme zum Album rauszubringen: „Es ist eine Day-Night-Cream in Zusammenarbeit mit einer kleinen Hamburger Brand!“, erzählt er stolz.

Albumcover "Treat Yourself"

Iga Drobisz/Search Yiu

„SY“ ist am 19.2.2021 beim eigenen Label Search Yiu erschienen.

„SY“ ist Self-Care in hörbarer Form - für Search Yiu genau so wie für seine Hörer*innen: „Am Anfang war ich schon ein bisschen ängstlich, was passiert, wenn ich zu viel von mir preisgebe, weil es ja schon sehr persönlich ist“, meint Search Yiu. „Aber ich hab auch durch den Podcast gemerkt, dass es irgendwie immer gut ist darüber zu reden. Und ich bin ja nicht der einzige, der Sorgen hat. Es geht vielen Leuten so. Und ich glaube es immer immer gut, wenn man sich austauscht.“

Obwohl Search Yiu seine Musik hauptsächlich als Instrument sieht, um seine Emotionen und Erfahrungen zu verarbeiten, macht er das nicht nur mehr für sich selbst: „Dass Leute sich irgendwie mit Sachen identifizieren können oder sagen, dass meine Musik ihnen durch schwierige Zeiten hilft, bedeutet mir mega viel. Und dann hat mich das auch irgendwie überzeugt und motiviert, dass es richtig ist, was ich mache.“

Der Soundtrack einer Generation

Gerade von der GenZ, Menschen in ihren Teens und frühen Zwanzigern, bekommt Search Yiu viel Zuspruch. Mit seiner Offenheit und der Ermutigung mentale Gesundheit, Therapie und Psychohygiene zu enttabuisieren, liefert er mit seinem Debütalbum einen Soundtrack, der einer ganzen Generation aus der Seele zu sprechen scheint: „Wahrscheinlich ist meine Musik schon ein bisschen repräsentativ. Also das kenne ich von meiner Jugend nicht und natürlich auch nicht von den Generationen der Eltern und Großeltern. Da wurde vieles gerne unter den Tisch gekehrt. Ich bin mir sicher, die hatten alle genauso Probleme, aber sind anders damit umgegangen. Ich finde es extrem wichtig und superschön, wenn ich sehe, dass die Kids heutzutage so offen damit umgehen.“

Mentale Gesundheit ist ein wichtiger Teil des menschlichen Wohlbefindens und obwohl besonders diese Generation bereits offener mit dem Thema umgeht, gibt es noch viel zu tun. Das möchte Search Yiu mit seiner Musik bestärken und zeigen, dass jede*r ein Recht darauf hat, sich Hilfe zu suchen, wenn es ihnen schlecht geht: „Man soll nicht warten, man hat immer das Recht auf Therapie.“

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