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Stefanie Müller

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„Die Angst ist nicht dein Feind“

Als würde einen die Angst zu Boden reißen, beschreibt Antonia Wille den Zustand, den Ärzt*innen eine Angststörung nennen. Davon gibt es viele, und nach Depressionen sind sie die häufigsten psychischen Erkrankungen. In „Angstphase“ berichtet Antonia Wille darüber.

Von Maria Motter

Antonia Wille hat ihrer Angst einen weiblichen Vornamen gegeben – „Katja“ steht jetzt für die Diagnose Agoraphobie, also die Angst, freie Plätze zu überqueren, mit leichter Panikstörung. In ganz alltäglichen Situationen ist Katja schon vielfach aufgetaucht.

„Wenn ich in eine Situation komme, in der meine Angst sich meldet, wird mir heute immer noch sehr schnell sehr schlecht. Ich fange an, so zittrige Beine zu bekommen, und ich möchte einfach nur aus dieser Situation heraus“, beschreibt Antonia Wille diesen Zustand.

Ihre erste Therapeutin riet ihr, die Angst bei einem besonderen Namen zu nennen. „In einer Angstsituation fühlt man sich oft zu Boden gerissen und gelähmt, indem man aber mit der Angst vor seinem inneren, geistigen Auge spricht, fühlt man sich ein bisschen aktiver wieder, bekommt Kontrolle zurück und kann die Angst ein bisschen mehr von sich abspalten und wegschieben. Das gelingt ganz gut, wenn man diese Angst beim Namen nennen und sie auch imaginär anschreien kann“.

Antonia Wille hat längere Haare und ist am Cover ihres Buches ernst.

Piper

„Angstphase“ von Antonia Wille ist 2020 bei Piper erschienen.

Und einige dieser direkten Auseinandersetzungen mit „Katja“ führt die Bloggerin und Journalistin Antonia Wille in ihrem Buch „Angstphase – Warum ich meine Angst annehmen musste, um wieder frei und selbstbestimmt zu leben“ an. Auch, weil sie es leid war, dass mitunter wildfremde Menschen mit Abwehr und sogar Spott auf ihren offenen Umgang mit ihrer Diagnose reagieren, hat sie das Buch geschrieben.

„Angstphase“ ist ein persönlicher Bericht

Es ist ein sehr persönlicher Erfahrungsbericht, mit vielen ausführlichen Situationsbeschreibungen. Konkrete Handlungsanweisungen für andere Betroffene sind eingearbeitet. Und die Angst, die man so vielleicht selbst nicht kennt, wird in den Schilderungen sehr anschaulich.

Angststörungen gibt es unterschiedliche, sie sind ernstzunehmende psychische Erkrankungen. Bei Willes ersten Angstattacken wurde ihr furchtbar übel. Da Angehörige selbst schon Erfahrung mit Angst- und auch Panikattacken gemacht hatten, war schnell klar, dass es sich nicht um ein körperliches Leiden handelt. Im Umgang mit ihrer Angst habe ihr Therapie am meisten geholfen. Sie hat eine Verhaltenstherapie und eine tiefenpsychologische Therapie gemacht, beides war hilfreich.

Mit der Angst umzugehen, hat sie gelernt, aber Vermeidung ist keine langfristige Strategie. „Ich weiß, dass ich nicht zu oft vermeiden darf, sondern mich immer wieder mit meinen Ängsten konfrontieren muss. Gleichzeitig weiß ich aber auch, dass meine Angst sehr stark von Stress und zu viel Arbeit getriggert wird. Darum achte ich darauf, mich nicht zu überfordern und ein ausgeglichenes, entspanntes Leben zu führen“.

Mit der Angst arbeiten

Mit dreißig beschließt Antonia Wille in einer argen Krise, grundsätzlich nicht mehr über ihre Angst zu schweigen. Aufgrund ihrer psychischen Erkrankung hat sie bis dahin schon auf auf vieles verzichten müssen, auf Klassenfahrten wie auf berufliche Reisen, und immer wieder neue Ausreden erfunden. In ihrem Buch plädiert sie dafür, nicht nur mit sich selbst, sondern auch miteinander liebevoller umzugehen.

Where Is My Mind? - Ein FM4 Schwerpunkt zum psychischen Wohlbefinden

Der Begriff „Mental Health“ ist insbesondere auf den jungen Social Media Kanälen wie TikTok oder Instagram allgegenwärtig. Das Virus und die Lockdown-Maßnahmen führen zu psychischem Unwohlsein. Warum das so ist, und vor allem was man dagegen tun kann, darüber berichtet Radio FM4 eine ganze Woche lang in einer umfangreichen Schwerpunktwoche.

Vom 22. Februar bis zum 27. Februar auf allen Kanälen von FM4

Wie schwer es vielerorts vor allem an Arbeitsplätzen nach wie vor sein kann, von Angststörungen und Panikattacken zu sprechen, ist der deutschen Journalistin bewusst. Nichtsdestotrotz habe sie die Erfahrung gemacht, dass Offenheit immer gewinnt. „Ich habe nicht sofort von meinen Ängsten erzählt, aber wenn es die Situation erzwungen hat, bin ich offen damit umgegangen. Und meistens habe ich dafür sehr viel Verständnis geerntet und sogar Respekt“, sagt Antonia Wille.

Mit der Angst zu arbeiten, nicht gegen sie, empfiehlt ein Therapeut im Buch „Angstphase“ der Autorin. Die FOMO, die Fear of Missing Out, hat Antonia Wille allerdings abgelegt. Ihr Buch hat sie wie ein persönliches Blog, mit ernstem, doch nicht alarmierenden Grundton verfasst und so ist es angenehm stressfrei, verglichen mit manch anderer Ratgeberlektüre.

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