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Balthazar

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Belgiens beste Band: Balthazar und ihr 5. Album „Sand“

Die belgische Band Balthazar veröffentlicht mit „Sand“ ihr bereits fünftes Album. Das Quintett rund um die beiden Sänger und Songschreiber Jinte Deprez und Maarten Devoldere thematisiert in den Songs Dinge wie das Warten. Musikalisch schließen Balthazar nahtlos an ihr letztes Album an, und wagen sich noch weiter in bisheriges Neuland für die Band.

von Eva Umbauer

Balthazar "Sand" Cover

Balthazar

„Sand“ von Balthazar ist am 26.2.2021 bei PIAS erschienen.

Am Albumcover zu „Sand“ sehen wir eine hyperrealistische Skulptur der niederländischen Bildhauerin Margriet van Breevort. Die Künstlerin nennt dieses Werk „The One Who Waits“.

Ein elegantes Piano, weltgewandte Grooves, eine tolle Gitarre, Streicherarrangements, ein Saxofon-Solo, die charismatischen Stimmen von Maarten Devoldere und Jinte Deprez, den beiden Sängern mit der gewissen Rock´n´Roll-Widerspenstigkeit. Die belgische Band Balthazar hat sich für ihr Album „Sand“ viel Zeit genommen, hat aber dennoch Sponanität bewahrt. Es geht schließlich um Themen wie Ruhelosigkeit oder Geduld, vor allem, wenn man warten muss. Balthazar kommt hier fast ein wenig eine prophetische Rolle zu. „Our personal feelings turned into a global sentiment“, fasst Jinte Deprez im FM4-Interview die Situation zusammen.

Alle bei Balthazar sind eher rastlos, sitzen nicht gerne, nur um zu warten. Genau das muss die Band aber zur Zeit meist tun. „It’s the little things that make us stay positive“, meint Jinte Deprez, wie etwa, dass in der belgischen Stadt Kortijk gerade der Frühling kommt. Kortijk ist nicht weit von Gent gelegen. Dort, wo alles begann, wo sich die beiden Sänger und Songschreiber Jinte Deprez und Maarten Devoldere erstmals getroffen haben. Beide gingen noch zur Schule, jeder hatte eine eigene Band, aber zusammen, so spürten beide, könnte man vielleicht etwas erreichen, was ohne einander nicht möglich wäre.

Inzwischen sind Jinte Deprez und Maarten Devoldere über dreißig Jahre alt, haben die halbe Welt auf Tour gesehen und sind beim bereits fünften Album angelangt. Es schließ nahtlos an ihr letztes, „Fever“, vor zwei Jahren, an. Die meisten der neuen Songs sind auch auf der Tour zu „Fever“ geschrieben worden. Balthazar hatten Glück, dass sie Anfang letzten Jahres mit der „Fever“-Tour fast komplett fertig waren, als die Pandemie begann.

Allerdings konnte man nicht direkt im Anschluss an das Touren in das Aufnahmestudio gehen, wie es eigentlich geplant war. Balthazar wollten für die neuen Songs etwas von der Live-Energie der Tour mit in’s Studio nehmen. Wegen Corona war es aber praktisch gar nicht mehr möglich, dass alle fünf Bandmitglieder und weitere Musiker*innen gleichzeitig im Studio waren.

Also mussten Bathazar nach neuen Wegen suchen, was der Band, so Jinte Deprez, letztlich auf eine Weise dann sogar gelegen kam, weil es Einiges veränderte und festgefahrene Dinge neu bewegte: „We did a lot of things that we haven’t done previously – we’ve never used as many drum samples or used bass synths before. So that was an exciting step for us. It was a very modern way of making an album, due to the constraints of the pandemic, like we had to work remotely and converse electronically rather than in a studio.“

Der Bass kommt also schon einmal via Synthesizer zustande. Die Drum-Samples bedeuten aber nicht, dass Schlagzeuger Michiel Balcaen nicht auch leibhaftig im Aufnahmestudio anwesend war: Mit einem Beserl streicht er bei dem Song „I Want You“ jazzig das Schlagzeug, während Maarten Devoldere singt „she calls me Marty“. Ein Saxofon hört man bei diesem Stück ebenfalls.

Auch im Song „Leaving Antwerp“ kommt das Saxophon in einem tollen Solo zum Einsatz. „I’m leaving Antwerp, riding on a train“, singt Maarten Devoldere, und später: „I was a swine feeding on your pearls.“ Von Perlen und Säuen, Balthazar können es noch immer.

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Das kongeniale Team Maarten Devoldere und Jinte Deprez sind mit all ihren Mitmusiker*innen wie ein großes Bandkollektiv. Wer vielleicht der Violinistin Patricia Vanneste noch immer Tränen nachweint - sie verließ Balthazar ja vor wenigen Jahren -, auch auf dem neuen Album vergisst die Band nicht auf Streicherarrangements, etwa bei „Passing Through“, einer glückseligen Pop-Nummer.

„Linger On“ ist ein verführerischer Track aus der Late-Night-Disco, der „the virtue of a patient heart“ besingt. „Powerless“ bemüht ebenfalls das Herz - „it’s the re-set of the heart“ - und hat ein elegant gespieltes Klavier und einen ebensolchen Kontrabass. „Moment“ wartet mit Bläsern auf und einem Schlagzeug, das den Afrobeat atmet, und dass in dem Song die Worte „my confusion“ vorkommen, ist auch kein Nachteil. Das von Tropicalia-Sound inspirierte „Hourglass“ schließlich klärt den Albumtitel „Sand“: „What’s in an hourglass?“, singt Jinte Deprez und gibt gleich selbst die Antwort darauf: „It’s sand!“ Der Sand in der Sanduhr also. Sitzen, warten und der Zeit zusehen, wie sie durch die Sanduhr rinnt und verrinnt.

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Das Wort „cage“ reimt sich auf „page“ - im Song „On A Roll“, wo es heißt „cannot turn the page, I’m a rat in a cage.“ Die Ratte, gewissermaßen ein Lieblingstier von Balthazar. Das zweite Album der Band, 2012, hieß „Rats“. Der Song „You Won´t Come Around“ reimt „child“ auf „wild“, wenn Maarten Devoldere singt: „You wrote my love was wild, but we both know that I was just a child.“ Dunkel und geheimnisvoll, auch das sind Balthazar weiterhin. Vielleicht liegt ja gar eine Leiche im Koffer von Maarten Devoldere - im Video zu „Losers“, einem der allerbesten Songs vom neuen Balthazar-Album. Das Video ist im Stil einer 70er Jahre-Krimi-Fernsehserie.

In „Losers“ singt Jinte Deprez „I want the universe to love me, I’m writing songs every day, I wish I could sing tralala like Paolo Conte can.“ Das Schöne daran, eine belgische Band zu sein, so Jinte Deprez, ist auch, dass die belgische Musikkultur eine Art Schmelztiegel ist - es wird englischsprachige Musik gehört, französische oder auch ein Künstler wie der große italienische Liedermacher Paolo Conte ist im Land bekannt. Paolo Conte, schwärmt Jinte Deprez, er hat diese Leichtigkeit, er singt einfach „tralala“ und es ist nicht peinlich. So zu sein, das möchte er auch irgendwann können. Bis Jinte Deprez „tralala“ anstimmt, hören wir aber hoffentlich noch viele neue Songs von Balthazar. Belgiens beste Band hat noch immer viel vor sich.

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