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Bildmontage aus EU-Flagge, US-Flagge und einem Regen aus Daten

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Erich Moechel

EU-US Ministertreffen zur Überwachungskooperation

Beobachter sind vor allem auf die Aussagen des neuen US-Heimatschutzministers gespannt und ob Ende-zu-Ende-Verschlüsselung in der gemeinsamen Erklärung angesprochen wird.

Von Erich Moechel

Am Dienstag treffen der neue US-Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas und die EU-Kommissarin für Inneres und Justiz Ylva Johansson in Lissabon zusammen. Auf der Agenda stehen von grenzüberschreitenden Datenzugriffen, über die „Verantwortlichkeit von Online-Plattformen“ bis hin, zum Vorgehen im Netz gegen Kindesmissbrauch und Terrorismus fast nur datenschutzrelevante Themen.

In den Vorbereitungstreffen auf Beamtenebene hatten sich vor allem die Europäer als Hardliner gegen sichere E2E-Verschlüsselung gezeigt, Johansson verlangt seit Monaten gar eine generelle Filterpflicht für Soziale Netzwerke. Eine angekündigte gemeinsame Erklärung wird von Beobachtern mit Spannung erwartet, da sich Mayorkas zu solchen Fragen bisher nie explizit geäußert hat.

Screenshot Tagesordnung/Programm

EU Ministerrat

Dieses Treffen findet nicht in großer Runde, sondern auf hoher Ebene statt. Neben Mayorkas und Johansson und deren Mitarbeitern sind nur die scheidende portugiesische und die kommende slowenische Ratspräsidentschaft und die Kommission beteiligt. Eine detaillierte Agenda wurde zwar nicht veröffentlicht ORF.at liegt jedoch ein Entwurf dazu von Anfang Juni vor.

Auch „Identitäre“ auf US-Watchlist

Die Verhandlungen mit den USA zum wechselweisen, direkten Datenzugriff der Strafverfolger haben auf Ebene des Ministerrats schon im April begonnen

Wie bei allen solchen transatlantische Treffen der Vergangenheit im Bereich Inneres und Justiz steht der Kampf gegen Terrorismus sowie der mutuelle Datenaustausch an vorderster Stelle. Zu den islamistischen Terroristen kam nun allerdings eine weitere Kategorie dazu, nämlich gewaltbereite Extremisten, Rassisten wie die „White Supremacists“ und xenophobe Hassprediger. Dieser Punkt wurde ganz offensichtlich von den USA eingebracht, denn erst vor einer Woche wurde im Weißen Haus die „Nationale Strategie im Kampf gegen heimischen Terrorismus“ vorgestellt.

Damit ist hausgemachter rechtsextremer Terrorismus gemeint, wie er sich etwa beim Sturm auf das Kapitol manifestiert hat. Die darin propagierten Maßnahmen basieren alle auf verstärktem Datenaustausch zwischen lokalen, regionalen und Bundesbehörden in den USA. In dieser neuen Strategie der Administration Joe Bidens ist allerdings auch ein längerer Abschnitt zu ausländischen Unterstützern von Terroristen in den USA enthalten, betont wird deshalb die Notwendigkeit des Datenaustauschs mit internationalen Partnern. In diese Kategorie fallen zum Beispiel die Anhänger der QAnon-Sekte, besonders aber die sogenannten „Identitären“ europäischer Prägung, die für ihre weltweite Vernetzung bekannt sind.

Screenshot von White House Paper

Weisses Haus

Die Nationale Stragie zur Bekämpfung von heimischem Terrorismus in den USA führt gewaltbereite Milizen als wahrscheinlichste Bedrohung an. Dahinter kommen die momentan häufigsten Spielarten des Faschismus, nämlich Neonazis, Identitäre und Staatsverweigerer, die in Mitteleuropa besser als „Reichsbürger“ bekannt sind.

Das Ziel der Europäer

Wie Johansson Kindesmissbrauch als Hebel benutzen will, um E2E-Verschlüsselung von WhatsApp, Signal und Co per se auszuhebeln

Der zweite von vier Hauptpunkten wurde wiederum seitens der EU eingebracht, hier geht es um die „Verantwortlichkeit der Plattformen“. Dahinter verbirgt sich nichts anderes als die Rasterung und Durchsuchung sämtlicher Postings aller Benutzer vorab auf „illegale Inhalte“ durch die Betreiber der Sozialen Netzwerken, Chats und Messengerdiensten. Die EU-Kommissarin für Inneres und Justiz hat ja erklärtermaßen vor, diese Verpflichtungen ab Herbst in einer EU-Regulation zu verankern. Eine diesbezügliche mit Suggestivfragen gespickte Konsultation zu Kindesmissbrauch via Internet endete Mitte April.

Diese geplanten, umfassenden Filterpflichten für Facebook, Youtube oder WhatsApp dienem einem übergeordneten Ziel, nämlich die Plattformen zu zwingen, sichere Ende-zu-Ende-Verschlüsselung für alle User durch Nach- oder Generalschlüssel der Plattformen zu kompromіttieren. Damit können dann alle Kommunikationen auf Antrag der Strafverfolger von den Plattformen selbst entschlüsselt und geliefert werden. Was Johansson dabei bewusst verschweigt ist eine damit verbundene Pflicht zur Vorratspeicherung dieser Kommunikationen durch die Plattformen, da verschlüsselte Chats bis jetzt nirgendwo gespeichert werden. Solche anlasslose Vorabspeicherpflichten von persönlichen Kommunikationen hatte der EU-Gerichtshof (EuGH) von 2016 bis 2020 in mittlerweile vier fast inhaltsgleichen Urteilen als grundrechtswidrig verworfen.

Screenshot Tagesordnung/Programm

EU Ministerrat

Welche Seite woran noch Interesse hat

Auch der Unterpunkt „Künstliche Intelligenz“ muss von der EU-Seite auf die Agenda gesetzt worden sein. Im April hatte die Kommission eine diesebezügliche Regulation gestartet, da die weitaus meisten und vor allem flächendeckenden, existenten KI-Anwendungen im Internet von US-Konzernen eindesetzt werden, ist die EU natürlich an einer transatlantischen Harmonisierung absolut interessiert. Wie aus diplomatischen Kreisen in Brüssel zu erfahren war, wird die US-Seite wiederum einen weiteren Verhandlungsgegenstand einbringen, der nicht auf der Agenda steht, nämlich die europäischen Datenschutzgesetze.

Vor einem Jahr hatte der EU-Gerichtshof mit „Privacy Shield“ die Regelung zum transatlantischen Datenaustausch unter Bezugnahme auf die Datenschutzgrundverordnung verworfen. Damit hängen tausende US-Unternehmen, die personenbezogene Daten aus der EU in den USA verarbeiten, rechtlich einigermaßen in der Luft. An diesem Punkt hat die US-Seite also besonderes Interesse und damit ist die Situation einmal umgekehrt. Von den ersten Flugdatenabkommen angefangen, die ausschließlich die EU-Seite zur rechtlichen Absicherung brauchte, wurden solche Datentransferverträge fast immer von der EU-Seite verlangt.

„Beweissicherung in der Cloud“

In diese Kategorie fällt auch das geplante Abkommen zum wechselweisen, direkten Datenzugriff für Strafverfolger, das als vorletzter Punkt auf der Agenda steht, zumal die EU-Staaten Internetkonzerne wie Facebook, Google oder Microsoft unter das für Telekoms gültige Überwachungsregime bringen wollen. Dabei gіbt es für die parallel verhandelte, EU-interne „Regulation zur Beweissicherung in der Cloud“ alias „E-Evidence“ bis jetzt keine Einigung. Desgleichen wurde ein solches Abkommen der USA mit Großbritannien zwar 2019 unterzeuichnet, ist aber bis jetzt wegen „einer Reihe ungeklärter Fragen“ immer noch nicht on Kraft. Das ist erstaunlich, weil die Rechtssysteme dieser beiden Staaten noch am ehesten untereinander kompatibel sind, während sie sich von den Rechtssystemen im EU-Raum erheblich unterscheiden. Einfache Verhandlungen werden das also nicht.

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