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Teresa Distelberger

FM4 auf laut

Zurück zur Region – Wo leben nach der Pandemie?

Erstmals seit vielen Jahren sind kleine Gemeinden wieder stärker gewachsen, während der Zuzug in Städte stagniert oder sogar zurückgegangen ist. Gibt es einen Wertewandel, der Sehnsucht nach Natur und nach verbindlicherem Gemeinschaftsleben und damit Stadtflucht bedeutet? Welche Perspektiven haben Jugendliche für die Entwicklung ihrer ländlichen Region? FM4 Auf Laut diskutiert diese Woche live in Bad Goisern.

Von Lukas Tagwerker

„Mia san vier Monat drin gsessn, hom ausn Fenster gschaut, wia wemma im Gfängnis warn“, sagt Leon über seine Zeit im Lockdown, die er mit seiner Familie in einer Wohnung im Bad Ischler Stadtteil Pfandl verbracht hat. „Ma hot nix mochn deafn. Soboid ma ausse gonga is, hod ma a Strof kriagt.”

Dreimal hat der Schüler Strafen gezahlt: einmal 25 Euro, dann 120 und noch einmal 80 Euro. Seine Eltern hätten ihm daraufhin verboten, die Wohnung zu verlassen. Er ist aber weiterhin spazieren gegangen und hat aufgepasst, nicht von der Polizei erwischt zu werden.

Erleichtert darüber, dass er wieder Freunde besuchen kann, kommt Leon zum Fußballspielen in den Ischler Stadtteil Roith. Hier wohnen bis Familien mit normalem bis geringerem Einkommen in mehrstöckigen Häusern der Landeswohnungsgenossenschaft. Weil sich in Bad Ischl hartnäckig das Image vom „Gaunerviertel“ und vom „Ghetto“ Roith hält, hat sich die Kulturarbeiterin Fariba Mosleh dazu entschieden, mit partizipativen Projekten im Rahmen des Festivals der Regionen hier herzukommen.

„Es geht dabei um Anerkennung durch Interaktion“, sagt Fariba zwischen den Skulpturen, die hier spontan aus abgelagertem Schrott entstehen, und einem Springbrunnen aus aufeinandergestapelten riesigen Kabelspulen.

Das Festival der Regionen findet noch bis zum 4. Juli statt.

Im Vergleich zum Zentrum in Ischl, sei es hier gechillter, sagt der Schüler Philip. In der Kleinstadt drinnen käme die Polizei mehrmals am Tag vorbei. Hier in Roith vielleicht einmal die Woche. „Einmal im Monat!“, wirft eine junge Nachbarin ein. Wer genau hinhört, bemerkt den Stolz, der durchklingt, wenn Philip erzählt: „In Roith wohnen Österreicher, Türken, Mongolen, Kroaten, ois eigentlich. Und jeder respektiert den anderen. In Roith gibt’s fast nie Konflikte.“

Mit Filmworkshops in Kooperation mit dem Welser Jugendfilmgfestival youki, durch ein mobiles Hair-Styling-Service und Musikinstrumentenbaukurse macht das Festival der Regionen zusätzlich Mut. Kunststudierende aus Linz haben einem schrottreifen Auto das Dach abgesägt und daraus eine „gschmohe“ Sitzbank designt. Dem Cabrio haben sie etwas aufs Heck gelötet, was an den Fluxkompensator des Delorean aus „Zurück in die Zukunft“ erinnert, im Auto ist eine Badewanne montiert.

Bevor die Lokalpolitiker kommen, sagt Franz, er würde die Bürgermeisterin am liebsten in die Badewanne werfen, da er nichts von der Ischler Stadtpolitik hält. Nach ihrer Rede hat er allerdings ein Kompliment für sie: Zugegeben zu haben, dass die Gemeinde den Stadtteil Roith seit 60 Jahren vernachlässigt hat, sei wenigsten einmal ein Eingeständnis der Wahrheit gewesen.

Auch wenn die Jungen sich in der Siedlung wohlfühlen, sehen die meisten ihre Zukunft woanders. S. will in fünf Jahren in sein Herkunftsland, die Türkei, Fabian will nach seiner Kochlehre irgendwann einmal ein Restaurant in Japan aufmachen und Leon will ins Land seiner Eltern, nach Kroatien, wo er eine KFZ-Werkstatt betreiben möchte.

„Soboid ma wos in Bad Ischl sogt, woaß es gonz Ischl. In größeren Städten woaß es ned jeda. Die Strafe, die i kriagt hob, hob i meine Eltern dazöht, hob i an Freind dazöht, auf amoi woaß es gonz Ischl. Des is des Problem. Und deshoib wü i ned do bleim.“

Die Frage, wo man dazugehört, wird von den Generationen unterschiedlich beantwortet. Für Leon gehört Roith zu Bad Ischl. Franz, der hier sein ganzen Leben verbracht hat, sagt: “Mia san Roither. Zu Ischl wü eh kana, de san de Narrischn. De soin toan, wos woin, und mia bleim Roither. Mia lossn uns ned biagn.“

FM4 Auf Laut am 29. Juni 2021

Zurück zur Region – Wo leben nach der Pandemie?

Neue Nähe- und Distanzerfahrungen haben im vergangenen Jahr einen 20-jährigen Trend umgekehrt: Erstmals sind kleine Gemeinden wieder stärker gewachsen, während der Zuzug in Städte stagniert oder sogar zurückgegangen ist. Was ist während der Pandemie am Land passiert? Gibt es einen Wertewandel, der Sehnsucht nach Natur und nach verbindlicherem Gemeinschaftsleben und damit Stadtflucht bedeutet? Ist Home Office das Ende des Pendlerverkehrs? Welche Perspektiven haben Jugendliche für die Entwicklung ihrer ländlichen Region? Wo sehen sie ihre Zukunft?

Darüber diskutiert Lukas Tagwerker mit Jugendlichen und Kulturnaut*innen am Festival der Regionen. Am Dienstag, 29. Juni 2021, ab 20.30 Uhr in der Evangelischen Kirche Bad Goisern und ab 21 Uhr live auf Radio FM4. Die Sendung ist anschließend für 7 Tage on demand verfügbar.

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