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Beyonce bei den Grammies 2021

APA/AFP/The Recording Academy/Kevin Winter

Beyoncé feiert ihren vierzigsten Geburtstag

Bow down bitches! Warum Beyoncé immer noch die Königin ist. Ein persönlicher Geburtstagsgruß aus dem Beyhive.

Von Martin Pieper

Am 4. September 1981 ist Beyoncé Knowles in Houston, Texas, zur Welt gekommen. Ihre Familie wird von ihren Biografen als schwarze, obere Mittelschicht beschrieben. Der Vater war Vertriebsleiter, die Mutter Friseursalonbetreiberin, dazu noch die kleine Schwester Solange, die als Musikerin einen ganz eigenen Weg eingeschlagen hat. Mittlerweile hat Queen Bey, wie sie von ihren Fans genannt wird, 28 Grammys zu Hause stehen und mit ihren Songs von „Crazy in Love“ über „Single Ladies“ bis hin zu „Formation“ die R’n’B- und Popwelt der letzten 20 Jahre geprägt wie wenige andere Frauen. Man wäre gerne Mäuschen, wenn Beyoncé ihren Vierziger feiert. Natürlich stellt sich nicht nur für ihren Ehemann Jay Z und ihre drei Kinder die Frage, was man so einer Frau zum Geburtstag schenkt, die schon alles hat, vor allem ein Übermaß an „Charisma, Uniqueness, Nerve and Talent“, um RuPaul zu zitieren.

I woke up like this

Ich habe vor Jahren scherzhaft gesagt, Beyoncé wäre der beste Mensch der Welt. Das war vielleicht übertrieben und nur im Zusammenhang mit einer gewissen Sequenz des legendären „Portofino-Clubbing-Videos“ richtig einzuordnen. Sie selbst hat das, was ich eigentlich ausdrücken wollte, mit dem Wort „flawless“ natürlich viel besser beschrieben. Singen, tanzen und schön sein kann sie natürlich gleichzeitig. Und dann ist sie auch noch Feministin, Celebrity, unabhängig, ambitioniert, Ehefrau, reich, eine Stimme für afroamerikanische Frauen, Mutter, Style-Ikone, Königin der Löwen, und sie hat die Chuzpe zu behaupten, genau so einfach aufgewacht zu sein. Als versierter Popist weiß man natürlich, dass das nicht stimmt. Aber man möchte dieser Behauptung gerne auf den Leim gehen. Und so überzeugend wie Beyoncé performt derzeit niemand diese Leichtigkeit der Perfektion.

Beyonce bei der Weltpremiere von The Lion King

APA/AFP/Robyn Beck

Beyoncé bei der Premiere von „The Lion King“ 2019

Damit steht sie in der langen Tradition des amerikanischen Entertainments von Fred Astaire über Frank Sinatra bis hin zu Prince - lässige Menschen, die lässige Sachen machen, aber immer so, als würden nicht entbehrungsreiche, harte Jahre in Tanzstudios, als Kinderstar oder tingelnde Kleinkünstlerin hinter ihnen liegen. Echtes Blut, Schweiß und Tränen bitte immer nur hinter der Bühne. Vor allem die großen schwarzen Leidensfrauen der amerikanischen Popkultur von Billie Holiday bis Whitney Houston haben uns glauben lassen, dass das so sein muss: Dass speziell für schwarze Frauen der Fame immer mit schwerem Schicksal Hand in Hand gehen muss. Beyoncé hat dieses Klischee nie bedient. Man sehe sich nur ihren triumphalen Auftritt beim Coachella Festival 2020 an, verewigt in dem Film „Homecoming“. Da wird der individuelle Schmerz beispielsweise einer Trennung oder einer rassistischen Erfahrung so weit verallgemeinert und vergrößert, dass sich ein Millionenpublikum darin wiederfinden kann. Diese Position der Stärke und Selbstbehauptung hat sicher auch mit Beyoncés Verbundenheit zur Hip-Hop-Kultur zu tun. Offenbar hat sie von den zahllosen Rappern, die ihren Songs ein paar Verse beisteuern durften, mehr mitgenommen als nur ein paar Street-Credibility-Punkte.

Independent Woman

Beyoncés Karriere begann sehr früh: Schon mit elf Jahren gründet sie die Band Girls Tyme. Schon damals mit dabei war Kelly Rowland, die dann auch bei Destiny’s Child dabei ist, der Trägerrakete für Beyoncés Solokarriere. Schon bald macht sie sich weiter unabhängig – etwa vom Management ihres Vaters - und agiert als ihre eigene Chefin.

Die Figur „Beyoncé“ wird zum autarken afroamerikanischen Geschäftsmodell. Damit wird sie gemeinsam mit Ehemann Jay Z - übrigens auch so einer, der die Rap-Karriere mehr oder weniger eingetauscht hat gegen seine Rolle als Vorzeige-Entrepreneur – zur erfolgreichen schwarzen Unternehmerin. Die Musik ist da nur ein Standbein von vielen. Aber trotz aller Parfumlinien und Werbeverträge (zuletzt posierte das Ehepaar Knowles ganz monarchisch für den Luxusjuwelier Tiffany) macht Beyoncé ihre Songs und auch ihre Liveauftritte im vollen Bewusstsein ihrer Wichtigkeit und ihrer Kraft, Veränderungen zu bewirken.

Beyonce beim Superbowl 2013

TIMOTHY A. CLARY / AFP

Beyoncé bei der Super Bowl Halftime Show 2013

Da wird immer der ganz große Bedeutungsüberschuss produziert, es werden Zeichen gesetzt, Zitate verwendet oder Kostüme getragen, die alle etwas mitteilen wollen, etwa über die Geschichte der Rassentrennung in Alabama, die Ursprünge von Streetdance-Styles in afrikanischen Traditionen oder die Funktion von selbst bestimmter Sexualität im Sinne eines modernen, afroamerikanischen Feminismus. Es ist eben nicht nur „einfach Popmusik“, sondern im Fall von Beyoncé die Aneignung von Posen, Orten und Institutionen der Popkultur, die Menschen wie „ihr“ - schwarzen Pop-R’n’B-Sängerinnen – bisher verwehrt waren. Man denke an ihre Halftime-Show bei der Super Bowl 2013 oder die gesamte Gestaltung eines Disney-Blockbuster-Soundtracks, eine Aufgabe, die bisher fest in der Hand der Randy Newmans oder Elton Johns dieser Welt war.

Flawless

Ich hatte das große Vergnügen, Beyoncé auf diversen Tourneen live zu erleben. Und natürlich heißt Beyoncé live auch immer: große Showtreppe, große Gesten, große Haare, große Gefühle. Aber neben all dem Glitter und Gold sendet Beyoncé neben ihrem tatsächlich umwerfenden Millionen-Dollar-Lächeln immer wieder kleine Widerstände in die Umlaufbahn der Stadien dieser Welt. Da wäre der Umstand, dass ihre Band seit Jahren nur aus Frauen besteht, oder die Tatsache, dass sie bei ihrer Tour zum „Lemonade“-Album oft ganz allein, ohne Tanztruppe, die Musikerinnen verborgen hinter der Bühne, die riesige Bühne des Mailänder Fußballstadions mit ihrer Energie ausfüllen konnte. Mit ihrem Feature auf dem Megan-Thee-Stallion-Überhit „Savage“ hat Beyoncé sich 2020 sogar mit überzeugenden Rapskills in die Arena der aktuellen amerikanischen Popmusik zwischen TikTok und Grenzüberschreitung begeben. Auch auf diesem glatten Parkett, wo sich Legacy-Acts gerne lächerlich machen, blieb sie ganz bei sich selbst und trotzdem auf der Höhe der Zeit. In ihrem langen Schatten haben jüngere Kolleginnen mittlerweile eigene Königinnenreiche errichtet, um den Thron muss Queen Bey auch im 41. Lebensjahr noch nicht fürchten. Happy Birthday, Beyoncé!

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