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„Die Party“ von Ulrike Haidacher lesen ist wie in eine rasante Karussellfahrt einsteigen

Eine junge Frau, die Softeis verkauft, stolpert durch Zufall in eine Kochparty voll boboesken, möchtegern-linken Weltverbesserern, wo sie skurrile Diskussionen über Feminismus miterlebt. Das und mehr gibt es in Ulrike Haidachers Roman-Debüt „Die Party. Eine Einkreisung“.

Von Alica Ouschan

Sie ist ein bekanntes Gesicht in der FM4 Redaktion. Ulrike Haidacher ist nicht nur eine Hälfte des komisch-kultigen Duos „Flüsterzweieck“, sie hat uns bei FM4 auch schon anderweitig mit einigen ihrer Kolumnen und ihrem kabarettistischen Talent beglückt. Nun hat Ulrike Haidacher ihren ersten Roman veröffentlicht. „Die Party. Eine Einkreisung“ ist - wie sollte es auch anders sein? - zum Schießen, Schenkelklopfen und sich selber an der Nase nehmen.

Ulrike Haidacher war heute in der FM4 Morning Show zu Gast und hat ihren Roman vorgestellt. Hier geht’s zum Interview zu „Die Party. Eine Einkreisung.“

Es war einmal ein selbsternannter Feminist

Die Handlung des Buchs ist schnell erklärt: Eine junge Softeisverkäuferin lernt bei der Arbeit einen (Achtung, gewählte Selbstbezeichnung) „renommierten Theaterregisseur“ kennen und wird von diesem auf eine seiner legendären Kochpartys eingeladen. Obwohl sie da eigentlich niemals vorhatte, hinzugehen, stolpert sie dank einer schicksalhaften Fügung irgendwie doch hinein und begibt sich in das wohl rasanteste Party-Karussell ihres Lebens. Mal im Ernst, die Extasy im Wiener Wurschtelprater ist ein Klacks dagegen.

Denn auf der Kochparty tummeln sich „echte Powerfrauen“ neben selbsternannten Feministen und weltverbesserischen Gutmenschen, die so voller Inbrunst ihren selbstlosen Missionen nachjagen, dass sie vor lauter Gesellschaftskritik ihre eigenen Privilegien nicht sehen. Diese werden nämlich kurzerhand in Rohschinken, Sekt und Selbstgerechtigkeit ertränkt. Der Regisseur zum Beispiel ist ein totaler „Women to the front“-Verfechter, lässt in seinen Stücken aber ausschließlich Männer auf die Bühne, wofür er aber extrem gute Gründe hat, versteht sich.

„Dass in seiner Kunst keine Frauen zu sehen sind, ist eine bewusste Entscheidung und ein zutiefst feministischer Akt! Er schüttet sich noch einen Grappa runter, gestikuliert immer wilder, trifft mit seinem Finger beinah meinen liebevoll schwungradgeschnittenen Rohschinken, fährt sich durch die Haare, sodass sein Tuch verrutscht, das er wutentbrannt in eine Ecke schleudert.“

Während die namenlose Protagonistin des Romans, der guten Gewissens eine gewisse Ähnlichkeit mit ihrer Schöpferin unterstellt werden kann, im inneren Monolog das bunte Treiben der Party überraschenderweise scheinbar völlig wertfrei und unkommentiert über sich ergehen lässt, ist es ihr bissiger, ironischer und treffsicherer Unterton, mit dem sie das Geschehen beschreibt, der die idealistischen Wertvorstellungen der Partygäste Seite für Seite ein Stückchen mehr entlarvt.

Die Gesprächsrunde, in welcher die Erzählerin auswegslos gefangen scheint und bei jeglichen Fluchtversuchen sofort abgefangen und wieder eingesaugt wird, besteht aus einer sich im Kreis drehenden, zuspitzenden, schon fast fanatischen Diskussion über Feminismus, Frauenquoten und Migration - um nur ein paar Beispiele zu nennen. Es werden große Reden geschwungen, alle haben eine Meinung und den Drang, ihren Standpunkt energisch zu erläutern, jedoch erkennt die junge Frau, die mittendrin ist und doch die meiste Zeit nur Beobachterin bleibt, dass das Ziel der Gespräche lediglich die gegenseitige geistige Befriedigung durch intellektuelle Selbstbeweihräucherung sein kann.

Dominante Figuren, die für sich selbst sprechen

Die dominierenden Gestalten auf der Party wirken so authentisch, dass es beim Lesen manchmal fast wehtut, und sprechen für sich selbst. Zum Beispiel die Verena, eine 30-jährige Juristin, die sich selbst niemals als Feministin bezeichnen würde, weil sie eine starke Frau ist, die es auch ohne Frauenquoten nach oben geschafft hat. Nach dem Motto „Alle dürfen ihre eigene Meinung haben, aber meine ist nunmal die einzig Wahre!“, versucht der Regisseur immer wieder verzweifelt, das Diskussions-Ruder an sich zu reißen, umso akribischer, wenn diejenige, die versucht, es zu übernehmen, eine Frau ist.

Cover "Die Party. Eine Einkreisung"

Leykam Verlag

Die Party. Eine Einkreisung. hat 224 Seiten und ist im Leykam Verlag erschienen.

Oder das glückliche Paar, das von der Gründung ihres neuen Trachtenlabel-Start-Ups erzählt. Sie wollen sich in der heutigen Zeit nämlich wieder auf Traditionen besinnen und beweisen ihren zeitgenössischen Unternehmergeist, indem sie Porträts feministischer Ikonen (z.B. Sissi, Maria Theresia oder die Mutter Gottes höchstpersönlich) auf ihre Dirndlschürzen drucken und nennen das Ganze - lässig alternativ und großstädtisch - „Hausfrauensalon“.

„Während sich immer mehr Partygäste um den Pop-up-Schürzenshop versammeln, wie die Frau des glücklichen Paars den spontanen Verkauf ihrer Produkte scherzhaft nennt, wäre es für mich ein guter Moment, unbemerkt zu gehen. Der Zeitpunkt, an dem auf einer Party Pop-up-Schürzenstände aufgebaut werden, kann als der Moment gesehen werden, eine Party guten Gewissens zu verlassen, man muss nicht immer bis zum bitteren Ende bleiben, und dass an diesem Abend noch etwas bitter werden wird, lässt sich spätestens ab diesem Zeitpunkt erahnen (...)“

Die Fahrt hat sich gelohnt

Ulrike Haidacher findet in einer scheinbar endlosen, sich im Kreis drehenden Gesprächsrunde immer wieder aufs Neue provokante und scharfsinnige Wege, der Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten. Sie trifft mit ihrer Analyse der bürgerlichen Gutmenschen-Attitüde genau ins Schwarze. Die Sätze, die sich über mehrere Seiten ziehen und wortwörtlich, wie sinnbildlich für die ausweglose Gedankenspirale der Erzählerin stehen, bringen einen durchgehend zum Schmunzeln. Die Ansammlung an generischen Floskeln, die jede*r schonmal gehört oder in einem Anflug von Resignation mindestens schon einmal selbst gesagt hat, verleiten außerdem dazu, sich selbst mal an der Nase zu nehmen und ebenfalls einen Blick in den Spiegel zu werfen. „Die Party. Eine Einkreisung.“ ist, wie der Name schon sagt, ein rasantes aber spaßiges Party-Karussell, bei dem man sich sicher sein kann, dass die Fahrt sich lohnt.

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