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Die Band Low als Farmer in einem Feld

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Majestätisches Meisterwerk: Low und ihr 13. Album „Hey What“

Das US-amerikanische Ehepaar-Band-Duo Low veröffentlicht sein 13. Album. In einer fast dreißigjährigen Bandgeschichte ohne Durchhänger ist auch „Hey What“ ein majestätisches Meisterwerk.

Von Katharina Seidler

Wenn Low ein eingelegtes Gemüse wären, welches wären sie? Würzige, in Knoblauch eingelegte grüne Bohnen. Wie schwierig wird es, bei eurem nächsten Konzert einen Parkplatz zu finden? Sollte gehen, gute Fahrt! Wie spiele ich euren Track „Do You Know How to Waltz?“ auf der Gitarre? Was soll ich gegen meine Depressionen machen? Diese und zahlreiche andere Fragen beantworten @Lowtheband auf ihrem Twitter Account („Unfortunately, most of the tweets are just Alan, who is at least in the band.“), immer freundlich, selbstironisch, ehrlich interessiert: Wenn du den Song auf der Gitarre gelernt hast, gib uns doch ein Update, wie es lief.

Low "Hey What" Cover s/w abstraktes Bild mit vielen Linien

Sub Pop / Low

„Hey What“ von Low ist am 11.9.2021 bei Sub Pop erschienen

„I Could Live in Hope“ hieß im Jahr 1994 das Debütalbum von Alan Sparhawks und Mimi Parkers gemeinsamen Bandprojekt Low, und es ist umso bezeichnender, dass sie damit nicht nur den (von ihnen selbst offenbar abgelehnten) Begriff Slowcore begründeten, sondern mit ihrem ultra-reduzierten, gleichermaßen enigmatischen wie seltsam tröstlichen Sound bereits damals als Soundtrack für Lockdown-Nachmittage unter Ausschluss der Welt verstanden wurden.

Knapp 30 Jahre und 12 Low-Alben später steht der Alltag vieler Menschen trotz kurzzeitiger Ausreißer in Richtung alter Normalität wieder still, jedoch hat der Rückzug ins Private nichts Bartlebymäßig Freiwilliges mehr. Gegen diese Vereinzelung und gegen das Verlorensein im Strudel der Gegenwart singen und spielen Low an, heute mehr denn je.

Waren es zu Beginn ihrer Karriere noch minimalistische Tupfer aus Gitarre und Schlagzeug, die die Slowcore-Songs von Low ausmachten, so ist das Fundament der neuen Nummern heute elektronischer. Die Stimmen von Alan Sparhawke und Mimi Parker bahnen sich einen Weg durch elektrische Stürme, die zum mittlerweile dritten Mal die Handschrift des Produzenten BJ Burton tragen. Ihre Melodien stechen aus dem Blipgewitter wie ein tröstlicher Leuchtturm hervor, ein sicherer Hafen im digitalen Chaos.

Hey, we didn’t get past Michigan and Lake
before we found ourselves beneath the weight
Hey, told me that I could never contain
went back and wept in the car beneath the shade
(„Hey“)

Trotz all der Intimität ist „Hey What“ keineswegs ein Album der reinen Innenschau. Vielmehr strecken Low in den Covid-gebeutelten Vereinigten Staaten in der Post-Trump-Ära ihre Hände als Rettungsanker aus: Da draußen ist das Chaos, aber hier sind wir – hier sind die anderen, die den monumentalen Schmerz ebenso teilen wie die Sehnsucht nach zärtlicher Schönheit. Liebe heißt beim Ehepaar Low immer auch: Nächstenliebe.

27 Jahre Bandgeschichte, 13 Alben, 2 gemeinsame Kinder, keine Skandale, kein musikalischer Durchhänger – schon alleine in ihrer Biographie scheinen Mimi Parker und Alan Sparhawke wie ein kleines Wunder. So überwältigend ihre Walls of Sound auch sein mögen, sie drängen sich den Zuhörenden nie auf. Als dunkel funkelnde Himmelskörper warten sie eher geduldig darauf, entdeckt zu werden.

That disappearing horizon
it brings cold comfort to my soul
an ever-present reminder
the constant face of the unknown
(„Disappearing“)

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