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Ted Does Impress Me Much

Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet ein schnauzbärtiger Fußballcoach aus Kansas mit vielen lockeren Sprüchen auf den Lippen genau der feministische Held ist, den wir gebraucht haben?

Von Jenny Blochberger

Eine Fußballumkleide. Zwei Testosteronbündel sind zum wiederholten Mal aneinandergekracht, der Coach wird um Intervention gebeten. „It’s time to woman up", erklärt dieser – denn „manning up", also seinen Mann stehen, hätte die beiden ja offensichtlich nicht weitergebracht.

Ted Lasso, die Serie wie die Figur, bringt solche Weisheiten genauso beiläufig an wie seine zahlreichen Dad Jokes und ist damit feministischer als so ziemlich alles, was wir momentan im (Main-)Streamingbusiness zu sehen kriegen. Sicher: Killing Eve, Fleabag & Co sind ausgesprochen feministische Shows, deren Reiz gerade in der Unperfektheit ihrer Figuren und der Beiläufigkeit, mit der Geschlechterrollen anders als gewohnt präsentiert werden, liegt. Das Publikum dafür ist halt hauptsächlich eines, das für derart lustvolles Brechen von Klischees ohnehin zu haben ist.

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What’s up, Coach?

Enter Ted Lasso: Schnauzbart, breiter US-Midwestern-Akzent und ein leutseliges Auftreten wie weiland Jimmy Stewart. Sport ist sein Metier: Wettkampf, Disziplin, Sieg und Niederlage, Kameradschaft und Rivalität, all die Zutaten, aus denen Narrative von Männlichkeit gerne gestrickt, pardon, gezimmert werden. Der Coach in der Popkultur ist wie sein naher Verwandter, der Sergeant, ein quasi in Stein gemeißeltes Abbild einer extrem simplifizierten Form reinster Männlichkeit: Er steht an der Seitenlinie, schreit dem Spieler aufgrund einer minimalen Verfehlung direkt ins Gesicht und macht ihn komplett zur Sau, auf dass dieser seine Leistung steigere und erst damit so richtig zum Mann werde.

Die zweite Staffel von „Ted Lasso“ kann man aktuell auf Apple TV+ sehen.

Ted Lasso, die Figur, bricht dieses Klischee mit seiner Empathie, seiner positiven Verstärkung und seinem Optimismus gründlich und ist aufgrund seiner Leutseligkeit und seines bubenhaften Charmes dabei gleichzeitig auch die Sorte all-american hero next door, die auch für Zuseher*innen anziehend ist, die sich niemals für eine durchgeknallte Neurotikerin wie Fleabag interessieren würden. Der Feminismus von Ted Lasso wird somit nebenbei verabreicht, wie das pürierte Gemüse in der Bolognese den Kindern, die freiwillig keine Karotte essen würden – und dennoch wirkt sich die heimliche Karotte auf ihre Gesundheit aus.

Countrysängerinnen und Rom-Communism

Welche Karotten jubelt uns „Ted Lasso“, die Serie, nun unter? Die weiblichen Hauptfiguren Rebecca Welton und Keeley Jones etwa werden als Klischeefiguren eingeführt – als ruchlose Eiskönigin respektive oberflächliche Influencerin – die einander laut Klischeerollenbuch eigentlich die Augen auskratzen sollten. Hier entwickelt sich nicht nur eine innige Freundschaft, auch die beiden Figuren werden auf schönste Weise ausgebaut. Vor allem Keeley widersetzt sich ihrer Stereotypisierung: Sie darf weiterhin lange Fingernägel und viel Make-up tragen und alles mit rosa Plüschpolstern dekorieren -- sonst oft Codes für Oberflächlichkeit und Eitelkeit -- und dabei ganz selbstverständlich gleichzeitig klug und einfühlsam und witzig sein.

Szenenbild aus "Ted Lasso"

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Aber das ist nun auch nichts ganz Neues: Frauenfiguren, die stark oder klug oder unsexy oder witzig sind oder auch alles oder einiges davon auf einmal – Drehbuchautor*innen überschlagen sich derzeit darin, ihre Frauen on-screen so interessant und klischeefern wie möglich zu zeichnen. Gut so! But what about the men? Viele männliche Film- und Seriencharaktere kämpfen zwar aktuell mit ihrer Männlichkeit und mit dem althergebrachten Bild von Männlichkeit, das immer brüchiger wird: tough, besitzergreifend, vom Geist gockelhafter Rivalität beseelt, in ausgesuchten Momenten zwar Verletzlichkeit zulassend, aber oft auch nur deswegen, weil sich herumgesprochen hat, dass Frauen das total sexy finden.

Ted Lasso, Figur und Serie, ist in einem höher entwickelten Stadium angekommen: Sensibilität und Empathie haben hier nichts damit zu tun, „seine femininen Seiten zu zeigen“, sie sind ganz selbstverständlicher Teil von Ted Lassos Männlichkeit. Lassos und Coach Beards Popkultur-Ping-Pong inkludiert jede Menge cheesy Romcoms, Countrysängerinnen und Musikreferenzen, die als leichte Kost und damit in misogyner Weise als „typisch weiblich“ gelten. Keine Sekunde zweifelt man dabei daran, dass Lasso und Beard das Gesamtwerk von Renée Zellweger und Shania Twain tatsächlich kennen und schätzen.

Diamond Dogs, convene

Man wartet ewig auf die Whatsapp-Nachricht des love interest, starrt auf die Pünktchen, die bedeuten, dass das Gegenüber schreibt, und analysiert mit der besten Freundin, was er mit seiner letzten Nachricht wirklich gemeint haben könnte. Solche Szenen gibt es auch in „Ted Lasso“, aber nicht nur zwischen den weiblichen Charakteren, sondern auch und viel öfter zwischen den männlichen. Taucht bei einem von ihnen ein Liebesproblem auf, werden die Diamond Dogs einberufen: Alle anderen Probleme werden hintangestellt, um dem in Liebesnöten steckenden Freund mit Rat und Tat weiterzuhelfen. Dabei werden keine Witze gerissen, sondern ehrliche Emotionen ausgepackt und Verletzlichkeiten eingestanden.

Dass dabei über die entsprechenden Frauen auch in ihrer Abwesenheit respektvoll gesprochen wird, versteht sich hier von selbst. So wird ein „Problemfall“, der über seinen Hass auf den Ex seiner Freundin nicht hinwegkommt, freundlich daran erinnert, dass die Frau ein Anrecht auf ihr eigenes Leben und ihre eigene sexuelle Vergangenheit hat und kein Pokal ist, von dem man erst einmal die Fingertapser des Vorgängers gründlich abwischen muss.

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Yes, Ma’am

Weit sind wir gekommen seit Al Bundys Zeiten, dessen Anti-Frauen-Organisation „No Ma’am“ damals noch als richtiger Schenkelklopfer galt. Ted Lassos (wir geben es an diesem Punkt auf, Serie und Figur voneinander zu trennen) Feminismus setzt kein Statement, sondern kommt selbstverständlich und nebenbei daher. Eben weil er sich der Handlung unterordnet und nur so mitschwimmt, ist er dermaßen effektiv. In einem „Honest Trailer“ wird Ted Lasso the World’s First Manic Pixie Dream Dad genannt, nicht ganz unpassend, denn noch sind männliche Film- und Serienfiguren wie er dünn gesät. Aber wie sagte schon Dr. Frank N. Furter (und Ted Lasso würde zustimmen): Don’t dream it, be it.

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