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Thomas Prenn in Countryhemd in einer Bar

Amour Fou/Take Five/Flo Rainer

Evi Romens Film „Hochwald“: Die Sehnsucht war nie größer

Wenn „Italia’s Got Talent“ keine Option ist: Von Sehnsüchten und von Heimat erzählt Regisseurin Evi Romen hinreißend und klug in ihrem ersten Spielfilm „Hochwald“.

Von Maria Motter

„Kimm halt mit.“ Mehr braucht es manchmal nicht. Es ist mehr ein verheißungsvoller Vorschlag als eine Frage, die der Sohn des Dorfkaisers auf Kurzbesuch Heiligabend gegenüber Mario im Drama „Hochwald“ ausspricht. Da sitzen dieser adrett gekleidete Lenz, der bald weiter nach Rom will, und Mario mit weißer Lockenperücke über den eigenen Locken und Countryhemd auf einem Bock in der Turnhalle ihrer Kindheit. Der Mehrzwecksaal im Grundschulgebäude ist Marios Rückzugsort, dort trainiert er tanzen, „John Travolta Style“, bis die Kinder zum Neujahrschweinderlbasteln kommen. In „Hochwald“ gibt es ein Oben, das Dorf, und ein Unten, Bozen mit seinem Bahnhof. Es gibt eine Bergstraße und eine Seilbahn. Wegkommen ist ein Motiv in mehrfacher Hinsicht.

„Hochwald“ ist auf der Diagonale als bester Spielfilm ausgezeichnet worden und gewann am Film Festival Zürich das „Goldene Auge“ für den besten deutschsprachigen Film im „Fokus“-Wettbewerb.

Hochwald ist der erste Kinospielfilm von Evi Romen, die bisher als Filmeditorin und -autorin gearbeitet hat. Sie wollte eine Art modernen Heimatfilm machen und Elemente, die täglich mitschwingen und eine Heimat bedrohen oder auch beglücken, in die Geschichte packen. „Hochwald“ kommt diese Woche ins Kino.

Thomas Prenn und Noah Saavedra in ihren Rollen in "Hochwald", sie schauen einander an.

Amour Fou/Take Five/Flo Rainer

Thomas Prenn und Noah Saavedra in „Hochwald“.

Ein selbstzufriedenes Schmunzeln von Lenz, als Mario ihm das Preisschild einer neuen, gescheit teuren Jacke mit Pelzkragen abreißt – so wenig braucht es, um ein Eltern-Sohn-Verhältnis auf den Punkt zu bringen. Und derart genau bringt Evi Romen all die großen Themen von „Hochwald“ – von Schichtzugehörigkeit zu Terror – in beeindruckender Ästhetik auf die Leinwand. Der Film „Hochwald“ ist so viel, er ist eine Dorfgeschichte unserer Zeit mit einer Symbolkraft, die einen länger beschäftigen kann. Im Zentrum ist ein junger Mann voller Sehnsüchte, den das Schicksal arg herbeutelt. „Hochwald“ ist auch eine sehr emotionale Liebes- und Überlebensgeschichte.

Lenz (Noah Saavedra) ist einer, der weiß, was er will. Der in einer Bar in Rom auf der Speisekarte entzückt den Rotwein seiner Familie entdeckt und bestellt. Noch in der ersten Nacht in Rom passiert die Katastrophe, die bis zum Ende die Handlung bestimmt. Die Radionachricht über den Terroranschlag in der Konzerthalle Bataclan in Paris, die Regisseurin Evi Romen gehört hat, als sie im Südtiroler Dorf ihrer Kindheit zu Besuch war, ist ausschlaggebend für die Erstidee von „Hochwald“ gewesen.

Thomas Prenn in "Hochwald" in einer Seilbahn.

Amour Fou/Take Five/Flo Rainer

Junge Männer, die scheitern

Während Evi Romen das Drehbuch geschrieben hat, stellte sich für sie heraus, dass sie eine Hommage an ihre Heimat gestalten und zugleich thematisieren wollte, was sie seit vielen Jahren beobachtete: „Ich stand auch einmal am Abgrund, wie - glaube ich - jeder junge Mensch einmal am Abgrund steht und nicht weiß, komme ich voran oder stürze ich ab“, sagt Evi Romen, „Ganz besonders berührend finde ich in dieser Lebensphase junge Männer. Erstaunlicherweise hatte ich immer das Gefühl, dass Frauen stärker sind; dass Frauen es leichter schaffen, trotz all der Hindernisse, die ihnen in den Weg gelegt werden aufgrund ihres Frauseins.“ Junge Männer, die scheitern, hätten immer ihr Herz berührt.

In „Hochwald“ trifft die Hauptfigur Mario in größter Verlorenheit auf Nadim, der ihm einen Koran schenkt. Denn es sind Muslime, die sich jetzt um die Bahnhofsmission kümmern. Von vernarbten Herzen wird ein Imam sprechen und wie das ausgeht, darauf verweist die magische Schlusssequenz. Evi Romens „Hochwald“ ist ein Meisterwerk, von der ersten Szene an.

Bei der Hauptrolle des Mario entschied sich Romen für Thomas Prenn. Der gebürtige Südtiroler studierte noch an der renommierten Berliner Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“, als die Regisseurin ihn zum Casting traf. Er überzeugte mit der Antwort auf die Frage, was er denn so in seiner Jugend im Dorf gemacht hätte. Prenn war bei den Perchten, erzählte Evi Romen im Gespräch mit FM4-Filmredakteur Jan Hestmann auf der Diagonale.

Thomas Prenn als Mario im Spielfilm "Hochwald", er trägt eine japanische Bomberjacke und einen langen Ohrring.

Amour Fou Vienna

Thomas Prenn als „Mario“ in „Hochwald“ mit einem Ohrclip, der drückt.

In der Zwischenzeit ist Thomas Prenn in der Serie „Biohackers“ auch in der zweiten Staffel Teil des Casts und er war schon auf dem nächsten Festival präsent: In Cannes hatte „Die große Freiheit“ vom österreichischen Regisseur Sebastian Meise Premiere in der Sektion „Un certain regard“ und gewann den Jury-Preis im Juli, im August kam der Hauptpreis des Sarajevo Filmfestivals dazu für das Drama über Liebe in der Nachkriegszeit und den von den Nazis noch verschärften Strafparagrafen 175, nach dem bereits ein Blick als Beweis für Homosexualität gelten konnte und der bis 1969 in Kraft geblieben war.

Die Filmmusik zu „Hochwald“ schrieb Florian Horwath, dazu steuerte Johannes Silberschneider aus seiner Musiksammlung Rickey Shaynes „Uno dei Mods“ bei und Adamos „Inch’Allah“ ist zu hören. Die erfahrene Editorin Romen hat bei ihrem Spielfilmdebüt mit der Editorin Karina Ressler und den Kameramännern Martin Gschlacht und Jerzy Palacz gearbeitet.

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