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First batch wienwoche ausstellung

Rob Detoyato

„First Batch“: Über das Ankommen, Heimweh und die Bedeutung von Community

„First Batch“ heißt ein Kunstprojekt, das die Geschichte migrantischer Krankenpfleger*innen von den Philippinen erzählen soll, nicht als Nummern, sondern als Menschen mit ganz eigenen Geschichten.

Von Aischa Sane

Hunderte Krankenpfleger*innen kamen in den 1970ern und 80ern aus den Philippinen nach Österreich, um die Lücken im österreichischen Gesundheitssystem zu füllen. Grund dafür war ein bilaterales Abkommen zwischen der Stadt Wien und den Philippinen, das die Migration von Krankenpfleger*innen aus dem südostasiatischen Land ankurbeln sollte.

Um die Lebensrealitäten dieser Krankenpfleger*innen, die ihren Lebensmittelpunkt an einen komplett fremden Ort verlagerten, dreht sich alles im dem Kunstprojekt „First Batch“. Die Protagonist*innen fungieren gleichzeitig als Zeitzeug*innen. Sie landeten im first batch, also im ersten Schwung, vor etwa 50 Jahren in Österreich. Sie arbeiten und leben hier und gründeten Familien.

First Batch

Hotel am Brillantengrund
Bandgasse 4, 1070 Wien

Artists: Chelsea Amada, eyeofbrc, Kimberly Javier, Ina Aydogan, Jarrod Caranto, Osive, Tmnit Ghide

First Batch wird, wie alle anderen Ausstellungen der Wienwoche bis zum 19. September zu sehen sein.

Die Location des Kunstprojekts ist das Hotel am Brillantengrund im siebten Wiener Bezirk. Der Eingang in der Bandgasse wirkt unscheinbar, aber im unerwartet lebhaften und hellen Innenhof des Hotels servieren die Kellner*innen den Gästen philippinisches Essen. Das Restaurant im Hof umgeben zitronengelb gestrichene Wände und die Blumen, die über den Köpfen an den Geländern blühen, erwecken den Anschein, Wien wäre ganz woanders.

Der Ausstellungsraum „Hidden Store am Brillantengrund“ bildet mit den dunklen Wänden einen starken Kontrast zu der lockeren Stimmung im begrünten Innenhof. An der Decke hängt ein Kronleuchter und jedes Detail in der Ausstellung erinnert an ein Schlafgemach.

First batch wienwoche ausstellung

Kimberly Javier

Mehr als ein Stück Heimat in der Fremde

Über einem Bett am Ende des Raumes hängen drei Porträts von philippinischen Frauen an der Wand. Hier sind nur ihre Oberkörper oder gefalteten Hände im Bild, an der gegenüberliegenden Wand lächeln die titas (=Tanten) in die Kamera.

Auffällig ist eine Vitrine, die dem Eingang gegenübersteht. Auf einer Seite hängt weißes Arbeitsgewand an einer Stange, auf der anderen traditionelle Kleidung. Dazwischen schmücken philippinische Souvenirs, christliche Ikonen und 80s-Schallplatten die hinter Glastüren verschlossenen Regalböden.
Erinnerungsstücke aus den Philippinen, der Heimat der Protagonist*innen, findet man in dieser Ausstellung überall. Auf einem Wandregal werden eine Wanduhr und traditionell gekleidete Puppen in Szene gesetzt.

Diese Erinnerungsstücke sind weit mehr als nur Souvenirs: Sie stehen für all jenes, das die Frauen zurücklassen mussten, allem voran die Familie in der Heimat. Ein Bild zeigt die typisch philippinische Balikbayan Box, mit der Filipinos aus der Diaspora ihren Verwandten regelmäßig Goodies und Geschenke senden. Ihren Ursprung hat diese Tradition in den USA.
Es sind solche heimatverbundene Rituale, Traditionen und Gegenstände, die den Frauen in Österreich Halt schenken, gerade wenn die neue Heimat nicht besonders freundlich ist.

First batch wienwoche ausstellung

Rob Detoyato

In zwei kurzen Filmen, die Teil der Ausstellung sind, beschreiben die Frauen, wie sie sich in jungen Jahren mit einer Selbstverständlichkeit gegen übergriffige Männer und unfreundliche Arbeitskolleg*innen wehren. Es wird in der Ausstellung auch deutlich, wie wichtig die Community für das Leben und Überleben ist. Fotos aus den 70ern und 80ern zeigen die Frauen durchgängig in Gruppen, beim Tanzen, Skifahren oder in der Arbeit.

Die Matriarchinnen

Chelsea Amada ist Managerin des Kunstprojekts und Tochter einer philippinischen Krankenschwester. Sie möchte mit der Ausstellung die Stärke und das Durchsetzungsvermögen ihrer Mutter und Tanten vermitteln: „Oft wird ja gesagt, dass asiatische Frauen sehr still und gehorsam sind (…) aber das stimmt gar nicht. Weil ich in einer philippinischen Community aufgewachsen bin, sehe ich nämlich alle Tanten, dass die komplett das Gegenteil sind. Die reden alle zurück, denen ist es egal, ob sie gebrochen Deutsch sprechen.“

Chelsea und ihr Team, bestehend aus Gerard Rabara, EYEOFBRC, Kimberly Javier, Ina Aydogan, Joy Lagon, Jarrod Caranto, und Osive, Michelle Waismayer und Marvin Mangalino erarbeiteten zusammen die Ausstellung „First Batch“ und den gleichnamigen Dokumentationsfilm. Die meisten von ihnen haben einen philippinischen Hintergrund und wuchsen in zweiter Generation in Österreich auf. Jedes Porträt und Kunstwerk bildet eine Geschichte über das Ankommen und Einfinden ab.

First batch wienwoche ausstellung

Kimberly Javier

Chelsea betont, dass es sich bei den Krankenpfleger*innen, die vor Jahrzehnten nach Österreich kamen, nicht bloß um Zahlen sondern um Menschen mit ganz eigenen Geschichten handelt. Und die werden hier gezeigt.

„FIRST BATCH ist ein Liebesbrief an unsere Mütter, lolas (Großmütter), titas (Tanten) und alle starken Frauen, die den Weg ebneten. Es ist ein Tribut an unsere Matriarchinnen. Es ist ein Dankeschreiben an alle, auf deren Schulter wir stehen und ein Geschenk an alle, für die ihre Reise auf der Suche nach ihren Wurzeln erst noch beginnt.“ – Abstract der Ausstellung

„First Batch“ ist Teil des 10. Wienwoche Festivals, das den Anspruch hat, mit Aktivismus, Kunst und der Verflechtung dieser beiden Disziplinen zu experimentieren. Das Herzstück des Festivals bildet die Ausstellung „Back to Normality“ in den SOHO Studios. Dort stellen unterschiedlichste Künstler:innen ihre Projekte zu Themen wie Migration und Queerness aus.

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