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Uploadfilter: Österreich geht einen Sonderweg

Heute endet die Begutachtungsfrist für den Gesetzesentwurf, mit dem unter anderem die umstrittenen Uploadfilter umgesetzt werden sollen.

Von Christoph „Burstup“ Weiss

Erinnert ihr euch an die Proteste gegen Uploadfilter in den Jahren 2018 und 2019? An einer der größten Demos, die in Köln stattfand, nahmen rund 100.000 Protestierende teil. Die umstrittene Maßnahme, um die es bei den Protesten ging, war Teil einer damals geplanten Urheberrechts-Richtlinie der Europäischen Union. Deren Einführung konnte durch die Proteste nicht verhindert werden. Im Jahr 2019 beschloss sie das Europaparlament ohne wesentliche Änderungen, die vieldiskutierten Uploadfilter waren also dabei. Für viele Menschen war das ein dunkles Kapitel in der Geschichte des freien Internets in Europa.

In Österreich wurde die Richtlinie bisher nicht umgesetzt - nun muss das aber geschehen, denn eigentlich hätte die nationale Umsetzung spätestens am 7. Juni 2021 erfolgen sollen. Im Dezember 2020 gab das grüne Justizministerium einen Entwurfs in Vorab-Begutachtung. Bürgerrechts-NGOs wie etwa Epicenter.works meldeten sich schon damals mit kritischen Stellungnahmen und einer juristischen Analyse zu Wort.

Heute, am 13. Oktober 2021, endet die Begutachtungsfrist für den Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Urheberrechtsgesetz, das Verwertungsgesellschaftengesetz 2016 und das KommAustria-Gesetz geändert werden sollen. Abermals präsentieren zahlreiche Organisationen eine Stellungnahme und Analyse, darunter Epicenter.works, die Gesellschaft für Freheitsrechte – GFF , Wikimedia, die Communia Association, Creative Commons Österreich und das Cultural Broadcasting Archive.

Protest

APA/dpa/Sebastian Gollnow

Uploadfilter – Gefahr des Overblocking

Einer der umstrittensten Bestandteile der Urheberrechtsnovelle ist die Verpflichtung für Plattformbetreiber, Urheberrechtsverletzungen bereits beim Upload des Inhalts automatisch zu erkennen und betroffene Inhalte sofort zu sperren. In der Praxis großer Streamingplattformen hat sich aber bereits gezeigt, dass Inhalte aufgrund von Vorab-Kontrollen überbordend gesperrt werden. Denn für die Plattformen, die über derartige Filteralgorithmen verfügen, ist es weniger problematisch, zuviel zu sperren, als das Risiko einer Urheberrechtsverletzung einzugehen.

Deshalb fordern die Bürgerrechts-NGOs eine Änderung des Gesetzesentwurfs, aufgrund der die Verpflichtung von Plattformen, legale Inhalte online zu belassen, schwerer wiegt, als die Anforderung zu sperren. Außerdem wünschen sie sich wirksame Instrumente gegen missbräuchliche Sperrmeldungen. Rechtliche Konsequenzen müssten jenen Menschen drohen, die mit dem Urheberrecht versuchen, unliebsame Inhalte aus dem Netz zu zensieren, ohne überhaupt die Rechte an dem Werk zu haben. Denn in den vergangenen Jahren hat sich - vor allem in den USA - gezeigt, dass das Urheberrecht der beliebteste Weg ist, um Inhalte aus dem Internet zu sperren.

“Bagatellgrenze”

Gemäß der EU-Urheberrechtsrichtlinie gilt für Mitgliedsstaaten die Vorgabe, legale Inhalte im Netz zu schützen und nicht mit vermeintlichen Urheberechtsverletzungen zu verwechseln. Das grüne Justizministerium will dieser Vorgabe mittels einer sogenannten Bagatellgrenze gerecht werden. Damit soll es möglich sein, kleinere Inhalte, etwa ein Video oder Musikstück von nur wenigen Sekunden Dauer, online zu stellen ohne Probleme mit dem Filter zu bekommen. Das bedeutet, dass Uploadfilter nicht anspringen dürfen, wenn der nichtkommerzielle Kleinausschnitt eine bestimmte Länge nicht überschreitet. Bei Musik beträgt diese Bagatellgrenze laut Gesetzesentwurf beispielsweise 15 Sekunden. Die NGOs kritisieren das.

Nicht alle teilen diese Kritik. Vor allem viele Musiker*innen halten auch den Grenzwert von 15 Sekunden fürs bedenkenlose Uploaden noch für zuviel. In Deutschland haben sich im Sommer 1145 Künstler*innen wie etwa Die Ärzte, Beatsteaks, Die Toten Hosen und Helge Schneider über die drohende “Bagatellisierung” ihrer Kunst beklagt.

Für Texte soll die Bagatellgrenze laut Gesetzesentwurf 160 Zeichen betragen. Die Bürgerrechts-NGOs hielten damit die Zitierfreiheit für zu stark eingeschränkt. Ebenfalls kritisiert wird, dass die Regelung für Kreative und Rechteinhaber auch ein sogenanntes „Earmarking“ vorsieht. Das bedeutet, dass sie die Möglichkeit haben, Inhalte, deren unerlaubtes Hochladen „ihnen erheblichen wirtschaftlichen Schaden zufügen könnte“ zu kennzeichnen, damit diese präventiv durch Uploadfilter gesperrt werden können. Das kritisieren die NGOs, aber auch der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs, Henrik Saugmandsgaard Øe. Er schreibt, dass eine präventive Sperrung von Inhalten aufgrund der bloßen Behauptung eines drohenden wirtschaftlichen Nachteils nicht mit dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit vereinbar sei.

Verwertungsgesellschaftspflicht?

Gleichzeitig mit der Urheberrechts-Novelle plant die österreichische Bundesregierung auch die Umsetzung des EU-Leistungsschutzrechtes. Dieses soll Presseverlagen und Medien helfen, Geld von Google und anderen großen Nachrichtenaggregatoren zu erhalten. Die Beispiele Frankreich und Deutschland zeigen aber, dass es in beiden Ländern trotz mehrjähriger Bemühungen noch nie zu Einigungen zwischen Nachrichtenaggregatoren wie Google und Verlagen bzw. Medien gekommen ist, weshalb auch noch nie Geld geflossen ist.

Die EU-Richtlinie sieht ein exklusives Recht von Verlagen vor, selbst zu entscheiden, wie mit ihren Inhalten durch Nachrichrichtenaggregatoren umgegangen wird. Laut österreichischem Gesetzesentwurf sollen sie nun aber in eine kollektive Rechtewahrnehmung durch Verwertungsgesellschaften überführt werden. Kleinere Medien könnten in Zukunft möglicherweise nicht mehr darüber entscheiden, wie ihre Inhalte monetarisiert werden. Das sei nicht mit dem Grundrecht der Pressefreiheit vereinbar, schreiben die NGOs. Kleine Medien und Verlage müssten geschützt werden und ihnen müsse die Möglichkeit eingeräumt werden, ihre Rechte selbst wahrzunehmen.

Der “österreichische Sonderweg“ bei der Umsetzung der europäischen Urheberrechtslinie und des Leistungsschutzrechts erzeugt für die NGOs neues Konfliktpotenzial, wo es eigentlich keines geben müsste.

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