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Far Cry 6

Ubisoft

Burgerklassiker mit Kuba-Salsa

„Far Cry 6“ überkrustet sein seit Jahren bestehendes Patentrezept mit noch mehr von allem. Erstaunlich, wie wenig unter dieser Prämisse auch ein sehr großes Budget ausrichtet.

Von Rainer Sigl

„It’s just an entertainment product“, das war jahrelang die Antwort, wenn man nachgefragt hatte, ob die Spiele von Ubisoft irgendeinen politischen Inhalt hätten. Bei „Far Cry 6“ war das anders: Schon vor der Veröffentlichung hat sein Chefentwickler eingestanden, was ohnehin offensichtlich war: Ja, ein Spiel über Diktatur, Kolonialismus, Korruption und den bewaffneten Widerstand dagegen erzählt eine politische Geschichte - wer hätte das gedacht.

Als Guerillero kämpfe ich in einem fiktiven mittelamerikanischen Inselstaat im Untergrund gegen einen Diktator und seine Handlanger. Abgesehen von der erwähnten Ansage, dass das alles doch irgendwie etwas mit Politik zu tun habe, ist „Far Cry 6“ zuallererst immer noch „Far Cry“.

Nur ja keine Experimente!

Schießen, Wandern, Punkte auf der Landkarte abklappern: „Far Cry 6“ ist ein „Far Cry“ wie alle anderen, nur auf Fake-Kuba und mit Giancarlo Esposito in der Hauptrolle des Bösewichts. Was nach einer gemeinen Verkürzung klingt, ist leider Fakt: Das Grundrezept der Reihe, einen gewaltigen Rummelplatz mit immer noch mehr Attraktionen vollzustopfen, sieht diesmal wirklich alt aus. Oder besser gesagt: Es sieht zwar seinem großen Budget angemessen fantastisch aus, unter der grafisch gelungenen Oberfläche wartet aber ein Spiel, das schon die letzten zwei, drei Male nur mehr vom Selben zu bieten hatte.

Der Grund dafür ist ziemlich banal: Wer einen Hochglanz-Blockbuster für das größtmögliche Publikum mit einem Budget von Dutzenden Millionen vorfinanziert, muss heutzutage in allen Design- und Gameplay-Entscheidungen absolut auf Nummer sicher gehen. Das klappt am einfachsten mit Iteration, also Wiederholung: Was schon bekannt ist, wird von den Fans (wieder) gekauft. Statt Weiterentwicklung gibt es alles nochmal und ein paar zusätzliche Features obendrauf, die als neue Attraktion abgefeiert werden.

Das Resultat sind Spielefranchises, die von Mal zu Mal größer und überladener werden, sich aber kaum mehr an Grundsätzlichem zu rütteln trauen. Dazu kommt wohl im Fall von „Far Cry 6“, dass ein Großteil der Entwicklung unter Pandemiebedingungen erfolgte und zugleich die Reputation von Ubisoft in der öffentlichen Wahrnehmung in den letzten Jahren durch wiederholte Berichte über toxische Arbeitsbedingungen und Sexismus erschüttert wurde.

Das Resultat dieser problematischen Entstehungszeit ist ein Spiel, das mit seiner Größe und Überfülle ermüdet und zugleich mit seinen Konventionen, mit seiner Altbackenheit und seinem serientypischen Humor mit tausend Latino-Klischees langweilt. ¡Oh, que malo!

Far Cry 6

Ubisoft

Mit allem, supersized

Die banale Schlussfolgerung: Jene Fans, die nichts anderes als nochmal dasselbe Spiel, nur schöner, größer und mit anderem Anstrich wollten, werden zufrieden sein und diese Kritik achselzuckend abtun wie schon die letzten Male auch. „Far Cry 6“ ist kein schlechtes Spiel, es ist ein Spiel als Fan-Service, ein Produkt zum Konsumieren, bis die nächste Ausgabe kommt. Ein bisschen wie die saisonale Special Edition eines Burgerklassikers, diesmal mit Kuba-Salsa. Kann man schon wieder essen, muss man aber nicht.

„Far Cry 6“, entwickelt und vertrieben von Ubisoft, erschienen für Windows, PS4/5, Xbox One/Series.

Ja, man muss das Rad nicht jedes Mal neu erfinden. Andererseits gibt es genau deshalb nicht wirklich viele Gründe, warum ich mir alle paar Jahre ein neues kaufen müsste. Eine originelle Ironie hat dieses Spiel aber doch auf Lager: Die „politische Geschichte“, die zu erzählen man sich vorab endlich eingestand, kommt über banale Guerilla-Romantik und platte Südamerikaklischees nirgends hinaus. Das erste Spiel von Ubisoft, das dazu steht, irgendwie politisch sein zu wollen, ist damit gerade doch und sehr ernüchternd „just an entertainment product“.

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