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Hayden Thorpe

Jack Johnstone

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Hayden Thorpe, ex Wild Beasts, schaut durch einen Diamanten

Der Brite Hayden Thorpe veröffentlichte mit seiner Art-Rock-Band Wild Beasts fünf Alben. Vor wenigen Jahren machten die Wild Beasts Schluss. Hayden Thorpe schlug den Soloweg ein. Nach seinem ersten Album, „Diviner“ sowie einem Minialbum legt Hayden Thorpe nun mit „Moondust For My Diamond“ seinen zweiten Longplayer vor: interessante, wunderschöne, exquisite Popmusik.

Von Eva Umbauer

Hayden Thorpe möchte das Interview mit FM4 nicht via Zoom abwickeln, er will lieber telefonieren, wie das früher so üblich war. Hmm, vielleicht sitzt er ja gerade irgendwo draußen, auf einem Gipfel in den Bergen des Lake District von Cumbria, jener Gegend im Nordwesten von England, in der Hayden Thorpe aufgewachsen ist und wo er jetzt wieder lebt. Nein, Hayden war heute schon auf dem Berg, er sitzt nun zuhause in eben dem Zimmer, das er als Kind und Jugendlicher bewohnt hatte, wo er damals stundenlang am Tag Gitarre spielte und von einer Band träumte. Sogar die Graffitis, die er damals an die Wand sprühte, sind noch da.

Irgendwann gab es dann die Wild Beasts. Ganze fünf Alben machte Hayden als Sänger und Songschreiber mit dieser Band, zusammen mit Tom Fleming, der ebenfalls sang und Songs schrieb, dazu gab es zwei weitere Bandmitglieder - Ben Little und Chris Talbot. Die erste EP des Art-Rock-Quartetts aus Kendal im englischen Lake District erschien 2004, das letzte Werk, das Album „Boy King“, zwölf Jahre später. Es gab zahlreiche hervorragende Kritiken und ein begeistertes Publikum, dennoch war der größere Erfolg für die Wild Beasts ausgeblieben.

Sein erstes Album nach dem Ende der Wild Beasts, „Diviner“, veröffentlichte Hayden Thorpe im Frühjahr 2019, letztes Jahr folgte das Minialbum „Aerial Songs“, das vom Lake District beeinflusst war, und nun „Moondust For My Diamond“, auf dem es wieder um diese ganz besondere nordwestenglische Gegend geht, aber auch etwa um „the meeting point between science and religion“, wie Wissenschaftsfan Hayden Thorpe erklärt.

Hayden Thorpe

Jack Johnstone

The Return Of The Native*

Wie kam Hayden Thorpe aber nun zurück in sein altes Kinderzimmer? Nun ja, der Brexit war besiegelt und Hayden wollte weg aus Großbritannien, nach Europa. Dann kam die Pandemie, und irgendwann gab es keine Flüge mehr aus England heraus. Hayden Thorpe war „gefangen“. Seine Wohnung in London hatte er aufgegeben - was also tun?

Vater Thorpe im Lake District nahm seinen Sohn auf. Es war genug Platz. Das Zusammenleben der beiden Männer funktioniert gut. Anfangs, so erzählt Hayden Thorpe im FM4 Interview, war das aber alles andere als einfach für ihn, die Rückkehr an den Ort seines Aufwachsens fühlte sich an, als würde er in einer Art Verbannung leben. Inzwischen schätzt Hayden die Zeit in seinem Elternhaus.

* „The Return Of The Native“ ist ein Roman des 1928 verstorbenen englischen Schriftstellers Thomas Hardy. In der deutschen Übersetzung heißt das Buch „Die Heimkehr“ und zählt neben „Far From The Madding Crowd“ oder „Tess Of The d’Urbervilles“ zu den bedeutendsten Werken des britischen Schriftstellers.

Auf dem ersten Album von Hayden Thorpe ging es um Einsamkeit und Zerbrechlichkeit. Das neue ist weniger einsam, Hayden hat wieder eine Band um sich, Mitmusiker*innen, und er freut sich auf seine kommende Tour durch Großbritannien und auf einige Konzerte am europäischen Kontinent. Zwei hat er bereits gespielt; er fand schnell wieder in die Livesituation hinein, obwohl er Gigs erst gar nicht vermisst hatte. Er ist genug unterwegs gewesen in den Tagen mit den Wild Beasts.

Die „Diviner“-Platte war am Klavier entstanden, während „Moondust For My Diamond“ zum großen Teil an der Gitarre komponiert worden ist. Bei einem Aufenthalt in New York hatte Hayden Thorpe diese für ihn ganz besondere Gitarre gefunden, nämlich eine Bariton-Gitarre, die fünf Halbtöne tiefer gestimmt ist als üblich. Diese Gitarre veränderte auch Haydens Gesangsstil etwas, seine Falsettstimme ist nun tiefer.

Der erste Song, den Hayden Thorpe an dieser Gitarre komponiert hat - alle Stücke entstanden noch vor der Pandemie -, heißt „Supersensual“. Das Wort „sensual“ bedeutet „sinnlich“, und sinnlich zu sein, bedeutet viel mehr als einfach sexy zu sein. In diesem Song, einem der schönsten auf „Moondust For My Diamond“, reimt Hayden Thorpe das Wort „satellite“ mit „ultra-violet light“. Es folgen Tracks wie „Hotel November Tango“, „Rational Heartache“, „Runaway World“ oder „Golden Ratio“. Letzteres ist ein hinreißender Song, in dem auch ein Saxofon zart zum Einsatz kommt.

„When I was writing ‚Golden Ratio,‘ I landed upon it as a kind of simple devotional song to science. I see music very much as a replication of nature, the shapes and patterns that we perceive in music are found in all kinds of things like flowers and shells. Science and mathematics have allowed us to decipher this hidden order. Writing songs therefore becomes less about summoning from within and more about noticing what’s already there.“

Buntes Plattencover

Domino

„Moondust For My Diamond“ ist am 15. Oktober 2021 bei Domino Records in London erschienen.

Mochte Hayden Thorpe in der Schule das Fach Mathematik? Nein, überhaupt nicht. Aber er mochte eigentlich gar nichts, außer in seinem Zimmer zu sitzen und Gitarre zu spielen. Heute liest er gerne, etwa „The Living Mountain“ von Nan Shepherd, einer Anfang der 1980er Jahre verstorbenen schottischen Autorin, die über die Natur schrieb. Der Song „Metafeeling“ ist davon inspiriert.

„The Universe Is Always Right“ hat einen tollen Electro-Pop-Groove und erinnert ansonsten irgendwie an Kate Bush. Hayden Thorpe singt in diesem Track davon, dass der Geist nicht mehr zurück in die Flasche zu bekommen ist.

Einen anderen Song nennt Hayden Thorpe „Material World“. Dieser hat blubbernde Synthies und eine tolle Percussion. Wieder ein anderer Song heißt „Parallel Kingdom“ und hat eine wunderbar leicht schmutzige Funk-Note. „Suspended Animation“ schließlich erinnert an die Wild Beasts.

Stimmlich ist Hayden Thorpe besser denn je zuvor. Seine ikonische Stimme erhebt sich und senkt sich wieder, sie schmachtet, dann ist sie wieder kühl, sie ist temperamentvoll und pulsiert, hat etwas Tosendes und dann wieder ist sie gedämpft und flüstert zart. Sie ist das große i-Tüpfelchen über der Musik von Hayden Thorpe. „Moondust For My Diamond“ ist ein exquisites Album, das mit jedem Hören wächst. Es ist mindestens so wertvoll wie ein Diamant, mit oder ohne Mondstaub.

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