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Gerichtsfotos von Franz Doms

WSTLA Landesgericht für Strafsachen

Franz – schwul unterm Hakenkreuz

Der Recherche-Roman von Jürgen Pettinger bringt Licht in ein dunkles Kapitel der queeren Geschichte.

Von Martin Pieper

„Um 18 Uhr 41 Minuten wird Franz Doms vorgeführt. Der Leiter der Vollstreckungshandlung beauftragt den Scharfrichter der Urteil zu vollziehen."
Landesgericht Wien, Vollstreckungsheft - Franz Doms, 7. Februar 1944

Mit bürokratischer Kälte werden die letzten Stunden des kurzen Lebens von Franz Doms protokolliert. Er ist nur 21 Jahre alt geworden.

Franz Doms ist eines der zahlreichen homosexuellen Opfer der NS-Justiz. Der Journalist und Autor Jürgen Pettinger widmet dem „Fall Doms“ einen Roman und bleibt dabei streng den historischen Tatsachen verpflichtet. Im Rahmen einer journalistischen Recherche im Wiener Landesarchiv ist Pettinger vor sieben Jahren auf Akten gestoßen, die minutiös Franz Doms Weg in die Mühlen der Justiz verfolgen, bis hin zu seinen letzten Stunden in der Todeszelle.

Gerichtsfotos von Franz Doms

WSTLA Landesgericht für Strafsachen

Ein Leben gegen alle Widerstände

Jürgen Pettinger wollte aber nicht nur die Stimme der Täter – ein schauerliches Amtsdeutsch – zu Wort kommen lassen. Der Roman gibt in erster Linie dem Opfer Franz Doms ein Gesicht, eine Biografie und damit vielleicht auch ein bisschen Würde zurück.

Erzählt wird ein kurzes Wiener Leben in den 30er und 40er Jahren. Franz Doms ist in kleinbürgerlichen Verhältnissen aufgewachsen, seine Jugend verbringt er zwischen der kleinen Wohnung am Handelskai und dem Wiener Prater. Schon 1940 wird er erstmals von der Polizei aufgegriffen, er habe Hitler beleidigt und außerdem homosexuelle Kontakte.

Dieser erste Kontakt mit den Strafbehörden verläuft noch glimpflich. 1943 folgt eine zweite Verhaftung und 1944 wird schließlich das Todesurteil vollstreckt. Rund um dieses karge biografische Gerüst beschreibt Jürgen Pettinger ein schwules Leben, dass von Verstecken, Verleugnung und Verfolgung gekennzeichnet war und doch, gegen alle Widerstände, gelebt wurde. Der Autor beschreibt die Orte der Anbahnungen, etwa das Gasthaus Emminger (heute Gasthaus Hansy) am Praterstern, damals ein inoffizieller schwuler Treffpunkt. Auch eine zarte Liebesgeschichte kann Franz Doms in dieser fiktionalisierten Reportage erleben. Sie wird keinen guten Ausgang nehmen.

Franz – schwul unterm Hakenkreuz

Kremayr & Scheriau

"Franz - schwul unterm Hakenkreuz“ von Jürgen Pettinger ist bei Kremayr & Scheriau erschienen.

Erschütternd am Text ist auch der Eifer mit dem die nationalsozialistische Justiz das „homosexuelle Milieu“ verfolgt hat. Eine Stimmung aus Angst und Erpressung prägte das schwule Leben. Jederzeit konnte man von der Polizei auf Verdacht festgenommen werden, immer mit dem Ziel, weitere Personen zu identifizieren und zu verraten. Mit der Aussicht auf Folter oder sogar Tod war es für die Polizei ein leichtes, jede Form von queerer Solidarität im Keim zu ersticken. Schwules Leben fand im Untergrund statt, mit Decknamen und Maskeraden, geheimen Codes und Doppelleben.

Kontinuitäten

Schnörkellos und sachlich, dabei aber durchaus plastisch wird hier eine Biografie ausgebreitet, die viel von den Nöten und Geheimnissen einer schwulen Existenz erzählt, die ein Beispiel für die immer noch nicht vollständig aufgearbeitete Verfolgungsgeschichte queerer Personen in Österreich ist.

Jürgen Pettinger weist im Interview auf die Kontinuitäten dieser Diskriminierungen hin, die weit über das Jahr 1945 hinausreichen. Homosexualität wurde in Österreich erst 1971 straffrei gestellt, und es sollte noch weitere Jahrzehnte dauern, bis es zu einer weitgehenden rechtlichen Gleichstellung kam. Und auch die hat, trotz der „Ehe für Alle“ noch ihre Tücken.

„Franz – schwul unterm Hakenkreuz“ ist auch als Auftrag zu verstehen, sich mit queerer Geschichte in Österreich zu beschäftigen. Gerade weil so vieles im Geheimen stattfinden musste, ist die Quellenlage dünn. Aber zum Glück gibt es dort und da schon seit längerem erste Schritte und Bestrebungen, dieses wichtige Vorhaben anzugehen. Und vielleicht gibt es in Wien ja wirklich demnächst ein öffentliches Denkmal, das an die ermordeten Homosexuellen im dritten Reich erinnert. Die Pläne dafür wandern seit Jahren von einer Schublade in die nächste. Derzeit gibt es – wieder einmal – einen Aufruf an Künstler*innen dafür Entwürfe einzureichen. Es wäre eine späte Genugtuung für Franz Doms.

Im FM4 Interviewpodcast

Martin Pieper hat mit dem Journalisten und Autor Jürgen Pettinger über sein Buch und die blinden Flecken in der historischen Aufarbeitung der Verfolgung von Homosexuellen während der Nazizeit gesprochen. Das Gespräch gibt es ab sofort auch im FM4 Interviewpodcast.

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