Politik und Realityshow sind ununterscheidbar
Eine Kolumne von Todor Ovtcharov
Heutzutage ist es schwer, zwischen politischen Kampagnen und Realityshows zu unterscheiden. Man weiß nicht, wer ein ernstzunehmender Politiker und wer nur ein Showteilnehmer ist. Es ist auch nicht schwer, die Fronten zu wechseln. Ihr erinnert euch vielleicht an die österreichische Ministerin, die Putin zu ihrer Hochzeit eingeladen hatte, zu der er ihr einen Kosakenchor schenkte. Ob sie heute weiterhin mit Kosaken singt, als Aufsichtsrätin einer russischen Ölgesellschaft? „Owls are not what they seem“, meinte David Lynch damals über Twin Peaks.
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Ich denke daran, als ich mir eine Fernsehdebatte für die kommenden bulgarischen Präsidentschaftwahlen anschaue. Unter den Kandidaten findet sich unter anderem einer, der als Spion bezeichnet wird, ein nationalistischer Anführer, der vor einigen Jahren die Film- und Theaterakademie in Sofia stürmte, weil da angeblich Drogen konsumiert und verkauft werden, und eine Turbofolksängerin aus den 1990-er Jahren mit esoterischen Vorlieben. Es fehlen nur vier Sessel mit Juror/innen, die sich umdrehen, wenn ihnen die Nummer der Kandidaten gefällt. Es wäre auch cool, wenn man seine/n Lieblingskandidat/in mittels Anruf oder SMS unterstützen könnte. Das gesammelte Geld aus den Anrufen kann in einen Politikerfonds gehen, der den ausgeschiedenen Kandidaten hilft, sich beim nächsten Mal besser vorzubereiten. Somit gibt es auch mehr Anreize, um sich zu bewerben.
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Das sind gar keine satirischen Vorschläge. Ich bin weit von diesem serbischen Polit-Kandidaten entfernt, der Porschemotoren für alle serbischen Traktoren versprochen hatte. Oder vom Kandidaten in Dänemark, der ständigen Rückenwind für alle Radfahrer forderte. Nein, meine Vorschläge sind ganz ernst zu nehmen und werden uns nur helfen, die Transformation der Politik in eine Realityshow zu erleichtern. Man muss einfach mit dem Trend gehen. Also: the show must go on!
Publiziert am 27.10.2021