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Leonhard Cohen auf der Bühne vor vielen Zuschauern bei einem Open-Air.

Viennale

viennale

1000x „Hallelujah“ auf der Viennale

Kino vor Sonnenaufgang und bis spät in die Nacht ist auf der Viennale möglich. Shirin Neshat und Matt Dillon spielen mit uns ein Klischeememory, während die Musikdoku „Hallelujah: Leonard Cohen, A Journey, A Song“ Lebensweisheiten teilt.

Von Maria Motter

Die „Shrek“-Regisseurin Vicky Jenson lacht schallend auf der Leinwand im Gartenbaukino. Es ist zwischen eins und zwei auf der Viennale, auch das Publikum lacht und in der Musikdoku „Hallelujah: Leonard Cohen, A Journey, A Song” taucht „Shrek“, diese 20 Jahre alte, grüne Animationsfigur, auf. Weil die Regisseurin des animierten Familienhits „Shrek“ sich auch persönlich um den Soundtrack gekümmert und „Hallelujah“ ausgesucht hatte. Als Interpret war Rufus Wainwright gebucht, Vicky Jenson hatte alle „nasty“ Zeilen wie „tied you to a kitchen chair“ eigenhändig für den Film gestrichen. Aber dann gefiel ihr die Stimmlage von John Cale doch besser und Rufus Wainwright mit seinem „gorgeous 22-year-old tenor“ – so Wainwright über Wainwright, lachend – kam nur auf den Soundtrack. Kein schlechter Deal: 2,4 Millionen Exemplare „Shrek“-Soundtrack wurden gekauft und angehört.

Leonhard Cohen

Viennale

Leonard Cohen (1934-2016). „2016! So lang schon!“, denkt jemand im Publikum laut.

Ein Song für alle

„Shrek“ war der erste Film, in dem der von Leonard Cohen geschriebene Song „Hallelujah“ zu hören war. Das ist nur eine Anekdote aus der Doku zum und über das Lied Leonard Cohens, das Millionen Menschen auswendig können. Auch in den Spätvorstellungen gibt es Applaus auf der Viennale. Die Nachtkritik von Susi Ondrušová

Sehr innige Aussagen sind in der Doku „Hallelujah: Leonard Cohen, A Journey, A Song” zu hören, die fast schon als Lebensweisheiten durchgehen können und für die man all die Talking Heads gern annimmt. Es kann ja nicht in jedem Film so viel in der Gegend herumgefahren werden wie in „Land of Dreams“ im Auto oder in „Red Rocket“ am Rad. Wegbegleiter*innen und faszinierte Musikkolleg*innen sprechen über Cohen und diesen einen Song. Leonard Cohen schrieb an ihm jahrelang. Jeff Buckley lernte ihn in einer Nacht.

Klischeememoryspielen mit “Land of Dreams“

„To dreams, happiness and animals“, spricht Isabella Rossellini einen Toast aus in “Land of Dreams”. Rossellini ist dabei gar nicht in der illustren Gästeliste physisch anwesend, sondern auf einem Screen zu sehen. Die Künstlerin Shirin Neshat hat ihren neuen Film mit Co-Regisseurin Shoja Azari in der Pandemie gedreht und Rossellinis Familie war nicht begeistert von der Idee, dass sie nach New Mexico zum Dreh reist. „Land of Dreams“ spielt in der nahen Zukunft, sagt Shirin Neshat vor der Österreich-Premiere gestern und Matt Dillon dankt sehr höflich für die Einladung zur Viennale.

Matt Dillon und Shirin Neshat auf der Viennale.

Viennale/Roland Ferrigato

Matt Dillon und Shirin Neshat Donnerstagnachmittag auf der Viennale

„Es ist ein hoch stilisierter, surrealistischer Film, der sich zwischen Traum und Realität bewegt. Der Film interessiert sich nicht für Glaubwürdigkeit“. Die Geschichte basiere auf Shirin Neshats eigener Geschichte, seit sie mit siebzehn aus dem Iran in die USA kam und zudem ist die Hauptfigur eine Künstlerin.

In „Land of Dreams“ arbeitet die gebürtige Iranerin Simin Hakak (Sheila Vand) für die merkwürdige Agentur „Census for your security“, sie fährt von Haus zu Haus, um Interviews für die Statistik einzuholen. Das erzeugt klarerweise sofort Neugier, in fremde Haushalte schaut man gerne und Simin Hakak befragt die Menschen nach ihren Träumen und fotografiert sie. Zuhause performt sie die Träume der Fremden geschminkt und in passender Kleidung und mit Perücken, dann lädt sie die Clips auf eine Social Media Plattform hoch. Ihr eigener Kleiderständer trägt nur schwarz; der Vater starb für seine Ideale.

Matt Dillon kommt ins Spiel, als ihr die Agentur einen Aufpasser für eine spezielle Aufgabe zur Seite stellt. Doch in „Land of Dreams“ ist kein Platz für Charakterspiel. Wie Abziehbilder erscheinen die Figuren: Ein neureiches Ehepaar, zutiefst eingeschüchterte Native Americans, die Einwanderin aus Mexico und deren Tochter, die gerade einem Mini-Spanferkel eine Cocktailtomate in die Augenhöhle drückt. Der Black American im Film ist Künstler, fehlt noch die Sekte samt Kultführer für das Klischeememoryspiel, zudem gibt es eine „Colony“ von Exilant*innen aus dem Iran.

Szene aus "Land of Dreams": Zwei Männer und ein Mann mit einem alten Mercedes in der Steppe.

Viennale

„Land of Dreams“

Viennale 2021
- FM4 präsentiert „Annette“ am 29.10. um 23 Uhr im Gartenbaukino
- FM4 Homebase zur Viennale vom 27.10. (19-22 Uhr)
- Die Viennale auf FM4

Die Grundidee von „Land of Dreams“ ist vielversprechend, aber auch die Schmähs der Satire kennt man. Da kommt etwa eine Christin gedankenverloren mit Riesenmesser aus der Küche und begrüßt den Besuch. „Land of Dreams“ ist aus Versatzstücken und -motiven gebaut. Am Ende läuft über die Credits auf schwarzem Grund „Apocalypse“ von Cigarettes After Sex, ein Song voll all der Emotionalität, die „Land of Dreams“ ausspart. Schön ist auch, dass Shirin Neshat und Matt Dillon zum Publikumsgespräch nach dem Film kommen. Ob der Film auch bei Ismael Kadares „Palast der Träume“ Anleihen mache, will ein Zuschauer wissen (Neshat hat es gelesen und wollte etwas dazu machen). Und Matt Dillon erzählt, dass er zum ersten Mal in einem Film sang.

Heute spielt es auf der Viennale gegen Mitternacht „Songs For Drella“, nachmittags den wunderschönen „The Power Of The Dog“ von Jane Campion mit einem sich selbst übertreffenden Benedict Cumberbatch, sowie die ziemlich gelungene Verfilmung von Jennifer Clements Roman „Prayers For The Stolen“ ("Noche de fuego) über eine Kindheit unter der Bedrohung von Drogenbanden. Und wer Tilda Swinton auf der Viennale vermisst: Sie ist ja in Apichatpongs Weerasethakuls neuer Arbeit „Memoria“ und in „The Souvenir II“ zumindest in den Filmen dabei!

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