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„Eternals“: Eine Nacht im Esoterik-Shop

Eine Oscar-Gewinnerin im Regiestuhl, ein Starensemble vor der Kamera, ein Blockbuster, der sich um Diversität bemüht wie kein anderer zuvor. Leider wird das neue Marvel-Epos den hohen Erwartungen nicht gerecht.

Von Christian Fuchs

Es gibt da ein Gedankenexperiment, das wohl viele Filmfans schon einmal durchgespielt haben. Wie würde ein Marvelmovie aussehen, wenn ein(e) Regisseur*in aus dem Arthouse-Sektor im Regiestuhl sitzen würde? Ein „Black Panther“ Sequel von Spike Lee wäre dabei noch vorstellbar.

Der FM4 Filmpodcast, zu hören Montag um Mitternacht auf FM4 und schon ab 22 Uhr überall, wo es Podcasts gibt. Diesmal mit Natalie Brunner, Christian Fuchs und Christoph Prenner

Aber „Doctor Strange“ in einer psychedelischen Zwischenwelt á la Gaspar Noé? Ein „Captain Marvel“ Abenteuer von Julia „Titane“ Ducournau voller wilder Gender-Dekonstruktionen? Oder gar ein „Thor“ Film von Terrence Malick, inklusive philosophischer Off-Monologe und malerischer nordischer Landschaft? Unvorstellbar in der Realität.

Chloé Zhao hat den Sprung in den Mainstream dennoch geschafft. Die in den USA tätige chinesische Filmemacherin fasziniert mit einem Background, der Lichtjahre entfernt von kostümierten Superheld*innen-Spektakeln scheint. Ihr Durchbruchsfilm „The Rider“ tauchte auf melancholische Weise ins Reich der Rodeoreiter ein. Mit dem sozialkritischen Roadmovie „Nomadland“ eroberte Zhao endgültig die Festivalszene. Was die bisherigen Werke der Regisseurin eint, ist ein dokumentarischer Zugang, sind Momente der poetischen Stille.

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Überwesen aus dem All

Wie sieht nun ein gigantomanischer Blockbuster aus, den eine Frau gemacht hat, die dermaßen aus dem künstlerischen Kinoeck kommt? Welche Sensibilitäten bringt eine Regisseurin ins überzogene Marvel-Universum mit, deren Filme bislang in der rauen Realität verankert waren? Wird die Cannes-Gewinnerin und Oscar-Preisträgerin Chloé Zhao mit einem Gamechanger die Welt des Comickinos verändern?

Die Ernüchterung setzt schon bald ein, in den 157 überlang anmutenden Minuten dieses Films. „Eternals“ beginnt nämlich bereits so wie viele Marvelfilme leider enden: Mit einer Aneinanderreihung generisch wirkender Actionszenen voller CGI-Effekte, die in ein paar Jahren peinlich ausschauen.

Wir lernen in dieser Eingangssequenz die Titelhelden kennen, eine Gruppe gut aussehender Außerirdischer, die seit tausenden Jahren geheim auf der Erde lebt. In einem uralten kosmischen Konflikt sind die Eternals die Beschützer der Menschheit. Die Überwesen warten dabei auf die Konfrontation mit einer Monstermeute aus dem All, inzwischen dürfen sie nicht in den Lauf der Geschichte eingreifen.

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Stars im Autopilot-Modus

Gespielt werden diese Gottheiten aus einer fernen Galaxis von einem irdischen Staraufgebot. Angelina Jolie (mit versteinertem Antlitz), Richard Madden (farblos), Salma Hayek (bodenständig), Kumail Nanjiani (verblödelt) und Brian Tyree Henry (warmherzig) gehören zum Ensemble. Die sympathische Gemma Chan leitet uns als kämpferische Protagonistin Sersi durch die epische Story.

Noch nie in der Geschichte des Superheldenkinos war ein Cast diverser, ging es so stark um Repräsentation und die Einbindung diverser Ethnien. Aber die politisch korrekte Besetzung wirkt nicht wie ein echter Triumph. Sondern eher wie eine kalkulierte Marketing-Entscheidung des Disney-Konzerns.

Was dem Film auch nicht hilft: Einige der Stars agieren im Autopilot-Modus. Der Plot schreit nach großen Gefühlen, aber Angelina Jolie & Co. verbreiten nur Langeweile. Einzig der eindringliche Barry Keoghan, bekannt aus Filmen von Yorgos Lanthimos oder der Serie „Chernobyl“, verleiht seiner zerrissenen Figur so etwas wie Glaubwürdigkeit.

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Banale Botschaften in pathetischer Verpackung

Spätestens zur Halbzeit beginnt man regelmäßig auf die Uhr zu blicken. Die durchschnittlich inszenierten Actionsequenzen reißen im Kinosaal ebenso wenig aus der Apathie wie die berechenbaren humoristischen Einwürfe, die zum Marvel-Erfolgsrezept gehören.

Das Schlimmste ist letztlich der Look des Films. „Eternals“ fühlt sich an, wie wenn man eine Nacht unfreiwillig in einem Esoterik-Shop verbringen muss. Es wimmelt vor kitschigen Symbolen und pseudo-authentischen Motiven, die dann doch wieder nur wie Plastik made in Hollywood ausschauen.

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Dazu kommen banale Botschaften in pathetischer Verpackung. Das Grundthema von den Außerirdischen, die sich fragen ob die menschliche Existenz gerechtfertigt ist, haben Ridley Scott („Prometheus“) oder uralte „Star Trek“ Folgen entschieden spannender behandelt. Sorry, hochgeschätzte Chloé Zhao, bis auf den überfälligen Kuss zweier Männer in einem Comicblockbuster ist alles falsch an diesem Film.

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102. FM4 Film Podcast: Eternals & Marvels Phase 4

Natalie Brunner, Christian Fuchs und der Filmjournalist Christoph Prenner analysieren und kritisieren den aktuellen Marvel-Blockbuster, der von der Arthouse-Regisseurin Chloé Zhao stammt. Ein Gespräch über Moral, Diversität, billige Computereffekte und das versteinerte Antlitz von Angelina Jolie. Der FM4 Filmpodcast, zu hören Montag um Mitternacht auf FM4 und schon ab 22 Uhr überall, wo es Podcasts gibt.

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