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Jack Nicholson in "One flew over the cuckoo's nest"

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FM4 Filmpodcast

Vom Kuckucksnest bis Gotham City

Wenn in einem Hollywoodfilm eine Figur mit einer psychischen Erkrankung auftaucht, dann war sie lange Zeit entweder ein Gewalttäter oder ein Genie. Über die Darstellung psychischer Erkrankungen im Film reden wir Montag um Mitternacht mit Paul Plener, Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie am AKH an der MedUni Wien.

Von Pia Reiser

„I must be crazy to be in a loony bin like this“, so Jack Nicholson als McMurphy in „One flew over the cuckoo’s nest“. Naja, definiere crazy. McMurphy will nach mehreren Vorstrafen wegen Gewalttätigkeit und Sex mit einer Minderjährigen einer Gefängnisstrafe entgehen und plädiert auf Unzurechnungsfähigkeit. So landet er in der geschlossenen Station einer Nervenheilanstalt.

Der FM4 Filmpodcast, zu hören Montag um Mitternacht auf FM4 und schon ab 22 Uhr überall, wo es Podcasts gibt. Diesmal mit Paul Plener, Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie am AKH an der MedUni Wien.

Milos Formans Film aus dem Jahr 1975 ist einer der Filme, die das Bild von psychischen Erkrankungen, vor allem aber das der Psychiatrie geprägt haben und im selben Zug das Vertrauen der US-Amerikaner*nnen in diese Institution zerschmettert haben. Denn selbst wenn man sich - und das gilt für alle Filme - ja immer in Erinnerung rufen kann, dass das nur ein Film ist, darf man nie vergessen, wie prägend Darstellungen in Filmen sein können.

Bevor es in den Nuller Jahren plötzlich gleich mehrere Serien mit Figuren mit autistischen Zügen gab (von „The Bridge“ über „The Big Bang Theory“ bis zu „Atypical“) war das erste, was vielen zu Autismus einfiel, lange Zeit Dustin Hoffman in „Rain Man“. Und auch wenn das als eine akkurate Darstellung von verschiedenen Formen des Autismus und dem Savant Syndrom gilt, so verfügt die Figur des Ray zudem über ein photographisches Gedächtnis und ist ein mathematisches Genie.

Über mehrere Jahrzehnte gab es in Sachen Darstellung von psychischen Erkrankungen eigentlich nur drei Regeln: Entweder Menschen mit psychischen Erkrankungen neigen zu Gewalt oder Menschen mit psychischen Erkrankungen sind Genies - und Liebe kann alles heilen.

Anthony Perkins in "Psycho"

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„Psycho“, 1960

Vor allem die Art der Darstellung von Menschen mit psychischen Erkrankungen als unberechenbare Gewalttäter*innen wird Filmemacher*innen von medizinischer Seite oft vorgeworfen. Dabei hat die Filmgeschichte in dieser Beziehung eigentlich mit einem recht empathischen Blick begonnen.

Fritz Lang schenkt der Popkultur 1927 mit Rotwang in „Metropolis“ nicht nur die bis heute beliebte Figur des mad scientist, er lässt 1931 in „M - Eine Stadt sucht einen Mörder“ Peter Lorre als Kindermörder einen Monolog über sein für ihn unerklärliches Befinden und Verhalten halten. „Immer muß ich durch die Straßen gehen und immer spür ich, es ist einer hinter mir her. Das bin ich selber! Manchmal ist mir, als ob ich selbst hinter mir herliefe! Aber ich kann nicht! Kann mir nicht entkommen!“ Die Figur des Hans Beckart ist kein Monster, der Film stellt die Frage nach Schuldfähigkeit.

Einer der größten Einschnitte im Genre des Horrrofilms kommt 1960 mit Alfred Hitchcocks „Psycho“. Bis dahin war das Unheimliche, das Böse im Horrorfilm, meistens etwas Übernatürliches. Vampire, Aliens, Werwölfe, Sumpfmonster oder Geister.

Mit dem mordenden Norman Bates definierte „Psycho“ für lange Zeit das Bild der Schizophrenie in der Popkultur, genauso wie später die Slasher-Filme der 1980er Jahre. Eine nebenbei erwähnte Diagnose, ein Kindheitstrauma, eine psychische Erkrankung in der Verwandtschaft reichte als Erklärung für viele Leinwand-Serienmörder.

Ein Film wie „A Beautiful Mind“ (1994) mit Russell Crowe als Mathematiker mit paranoider Schizophrenie ist filmisch nur mäßig interessant, doch immerhin wird hier die Diagnose nicht mit einer gewalttätigen Figur verknüpft. Der deutsche Untertitel des Films - „Genie und Wahnsinn“ - läutet nun eine Ära von vor allem Serien ein, bei denen eine psychische Erkrankung einer Figur mit einer besonderen Begabung auf einem gewissen Gebiet verknüpft ist.

Russell Crowe in "A Beautiful Mind"

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Benedict Cumberbatch bezeichnet sich als Sherlock Holmes in „Sherlock“ als high-functioning sociopath. Und es kommt vermehrt zu differenzierten Darstellungen. Claire Danes als bipolare Ermittlerin Carrie in der Serie „Homeland“ ist meilenweit entfernt von der - ebenfalls bipolaren - unberechenbaren und rachsüchtigen Alex in „Fatal Attraction“ (1987).

Szenenbild "Silver Linings"

Senator

„Silver Linings“

Immer noch ein Meilenstein im Umgang mit den Diagnosen „bipolar“ und „Borderline“ ist David O Russels „Silver Linings Playbook“ aus dem Jahr 2010 mit Bradley Cooper und Jennifer Lawrence. Weil hier keine Leidensgeschichte erzählt wird, die Figuren aber auch nicht zu Held*innen hochstilisiert werden.

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Über all das sprechen wir diesmal im FM4 Filmpodcast mit Paul Plener, Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie am AKH an der MedUni Wien. Von „One flew over the cuckoo’s nest“ über „A Beautiful Mind“ und „Silver Linings Playbook“ zu „Joker“.

Der FM4 Filmpodcast, zu hören Montag um Mitternacht auf FM4 und schon ab 22 Uhr überall, wo es Podcasts gibt.

Am 6. Dezember:
104. FM4 Film Podcast: Psychiater und Therapeuten im Kino

Was haben so unterschiedliche Filme wie „Spellbound“, „Dressed To Kill“, „Analyze This“, „Good Will Hunting“ oder „Shutter Island“ gemeinsam? Man kann den Psychiatern darin nur bedingt trauen. Christian Fuchs und Pia Reiser sprechen erneut mit Dr. Paul Plener, Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie am AKH an der MedUni Wien, diesmal über die zwiespältige Rolle der Therapeuten in Film und Serien.

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