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Leere Einkauftasche liegt am Boden

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Konsum in Krisenzeiten

Weihnachten steht vor der Tür. Die Online-Riesen liefern sich eine Preisschlacht nach der anderen. Auf den Shoppingmeilen haben die Läden zu. Einkaufen wird durch Pandemie und Klimakrise zusehends zu einer Wertefrage.

Die Konsumforscherin Bernadette Kamleitner im Interview mit Barbara Köppel

Radio FM4: Wir haben gerade die „Black Week“ hinter uns, eine Angebotsoffensive, die wir aus den USA übernommen haben, um das Weihnachtsgeschäft anzukurbeln. Was für einen Druck erzeugt das auf Konsument:innen?

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Dienstag, 30. November, 21 Uhr, Radio FM4

Ruf an und diskutier mit: 0800 226 996

Bernadette Kamleitner: Das Wort Angebotsoffensive ist ein sehr passendes. Es erzeugt immer Druck, wenn man sich innerhalb eines bestimmten Zeitfensters entscheiden muss, wenn man das Gefühl hat, danach steht eine Option nicht mehr zur Verfügung. Das bewirkt, dass Menschen Entscheidungen treffen, die sie sonst vielleicht gar nicht getroffen hätten und die zum Teil unnötig sind. In Summe ist es also eine Stresssituation für Konsumenten, aber gleichzeitig auch etwas sehr Aufregendes, weil es so etwas eben nicht immer gibt.

Das Thema ist aber, dass es bei diesen Entscheidungen nicht um 5 oder 10 Euro geht. Hauptsächlich sprechen wir von der Anschaffung von einem neuen Fernseher oder dergleichen. Es sind also durchaus große Summen, die ausgegeben werden, bei denen man sich Zeit nehmen sollte, um zu überlegen, was die beste Option ist.

Bernadette Kamleitner

Bernadette Kamleitner

Prof. DDr. Bernadette Kamleitner leitet das Institute for Marketing and Consumer Research an der WU Wien. Ihre Schwerpunkte sind Konsumentenpsychologie und Besitzforschung.

Radio FM4: Impuls ist ein wichtiges Stichwort beim Einkaufen. Es soll uns glücklich machen, günstig und bequem sein. Gleichzeitig gibt es irrsinnig hohe Ansprüche daran. Es soll auch nachhaltig sein, regional und fair. Kann man es überhaupt jemals richtig machen als Konsument:in?

Bernadette Kamleitner: Es ist regelrecht ein neues Geschäftsmodell geworden, dass man Konsumenten zu vermitteln versucht: „Wir ticken alle Boxen, bei uns geht es schnell, einfach, nicht wahnsinnig teuer und nachhaltig und fair sind wir auch.“ Dass das nicht ganz so funktionieren kann, ist klar, auch den Konsumenten. Es ist tatsächlich ein großes Dilemma.

Der Konsument von heute hat ein viel größeres Bewusstsein dafür, was er alles falsch machen kann, als das noch selbst vor fünf Jahren der Fall war. Wir sind eine sensibilisierte Gesellschaft, die realisiert hat, dass Konsum eine große Verantwortung bedeutet. Die dauerhaft zu schultern, ist gar nicht so einfach.

Radio FM4: Viele wollen auch bewusst einkaufen und können sich das einfach nicht leisten. Was können Sie als Konsumforscherin dazu sagen?

Bernadette Kamleitner: Ja, die reale Einkommensbeschränkung ist tatsächlich ein großes Thema. Wenn man trotzdem verantwortlich einkaufen möchte, dann bleiben einem oft nicht viele Optionen. Allerdings bedeutet nachhaltiger Konsum in vielen Fällen einfach eine Einschränkung. Also einfach weniger kaufen.

Gerade Personen mit niedrigem Einkommen haben sowieso schon einen kleineren ökologischen Fußabdruck, weil sie in Summe einfach weniger konsumieren als Personen, die ein höheres Einkommen haben. Es ist schon legitim zu sagen, wer mehr hat, soll auch einen größeren Beitrag leisten, weil er sich auch sonst mehr leisten kann.

Radio FM4: Wie wirken sich Pandemie und Klimakrise insgesamt auf unser Konsumverhalten aus? Gibt es da schon Daten?

Bernadette Kamleitner: Genaueres wird man erst so fünf Jahre nach der Pandemie wissen. Aber was man auf jeden Fall schon sagen kann, ist, dass es tatsächlich widersprüchliche Tendenzen gibt. Auf der einen Seite wird alles noch digitaler und damit auch ein bisschen globaler. Auf der anderen Seite gibt es aber ein großes Bewusstsein zurück zur Regionalität.

Dadurch, dass Menschen aus der eigenen Routine herausgerissen wurden, haben sich viele die Fragen gestellt: Was brauche ich wirklich, was will ich, was macht mich glücklich? Und auch: Was will ich mit meinem Konsum bewirken? Dadurch sehen wir bewussten Konsum jetzt wesentlich öfter. Gleichzeitig ist diese Krise für viele auch so eine psychische Belastung, dass man dem etwas entgegensetzen will. Da ist natürlich auch Konsum eine Möglichkeit. Nach dem Motto, sich selbst etwas Gutes zu tun. Das kann nachhaltig sein, muss es aber nicht.

Radio FM4: Die zum Teil unterbrochenen Lieferketten sind auch ein großes Thema. Produkte sind nicht mehr jederzeit verfügbar. Auf E-Bikes, Spielekonsolen oder Möbel muss man teilweise sehr lang warten. Das ist ein relativ neues Phänomen in der westlichen Welt, dass man nicht sofort alles haben kann. Wie gehen Konsument:innen damit um?

Bernadette Kamleitner: Tendenziell funktioniert das wie beim „Black Friday“ oder bei der „Black Week“ nach dem System der Verknappung. Das heißt, ich kann nicht alles haben, oder wenn, dann nur in einem bestimmten Zeitraum. In dem Fall sind bestimmte Waren eben erst in einigen Monaten lieferbar.

Sobald solche Knappheitssignale, sogenannte Scarcity-Signale ausgesendet werden, reagieren die Leute darauf, und zwar meistens mit dem Gefühl, etwas ebenfalls haben zu wollen, weil, wenn es viele wollen, dann müsse das ja einen gewissen Nutzen haben. Damit haben wir dann eine Art Teufelskreis, wo die Masse mobilisiert wird.

Bei der „Black Week“ passiert das aus Berechnung, bei der echten Verknappung aufgrund gebrochener Lieferketten hat man häufig denselben Effekt. Leute werden möglicherweise dazu bewegt, Kaufentscheidungen vorzuziehen, obwohl es sinnvoller wäre, die hintanstehen zu lassen.

Radio FM4: Abschließende Frage: Wie kauft man am besten während des Lockdowns ein?

Bernadette Kamleitner: Aus rein nachhaltiger Sicht ist die Antwort: Am besten so gut wie gar nichts. Einfach mit den Dingen auskommen, die man schon hat. Lebensmittel muss man natürlich nachkaufen. Die Supermärkte sind ja alle offen. Viel mehr braucht man aber nicht unbedingt. Weihnachtsgeschenke selbst basteln, bis wir wieder einkaufen dürfen, ist aus dieser Perspektive tatsächlich eine Option.

Denn klar ist: Jede Kaufentscheidung ist auch gewissermaßen eine politische Entscheidung. Ich entscheide mich für einen bestimmten Anbieter, für ein bestimmtes Produkt und gegen andere Anbieter, gegen ein anderes Produkt. Das heißt, wo ich online einkaufe, hat natürlich einen Effekt darauf, wen ich unterstütze, welche globalen oder auch weniger globalen Player ich unterstütze, welche Steuersysteme ich unterstütze, welche Produzenten und Arbeitsbedingungen ich unterstütze. Jeder Einkauf ist politisch, weil wir fast immer den Luxus haben, auswählen zu können. Es gibt so gut wie nie nur eine einzige Option.

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Worauf achtest du beim Einkaufen? Wie hat sich dein Shoppingverhalten in den letzten Jahren verändert? Wie erledigst du deine Weihnachtseinkäufe im Lockdown?

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Am Dienstag, 30. November, ab 21 Uhr auf Radio FM4 mit Rainer Springenschmid.

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