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In der Doku-Serie „Unzensiert - Bushido’s Wahrheit“ erzählt Bushido von seiner Sicht auf seine Beziehung zum ehemaligen Freund und Manager Arafat Abou Chaker und den Einfluss dieser Verbindung auf sein Familien- und Berufsleben. Welchen Gewinn, außer finanziell, sich Bushido und seine Frau Anna-Maria daraus erhofft haben, bleibt offen.

Von Mahdi Rahimi

Man könnte über den musikalischen Wert von Bushido als Künstler diskutieren. Fakt ist, dass Bushido in den letzten 20 Jahren der wahrscheinlich prägnanteste und einflussreichste Deutschrapper war und als erster Rapper Superstar-Status erreicht hatte. Über seinen kulturellen Einfluss in Deutschland muss man deshalb nicht lange streiten. Seine Musik war kompromissloser und harter Straßenrap und dabei gleichzeitig kommerziell höchst erfolgreich. Damit ebnete er den Weg für eine Generation an Rappern, die nach ihm kamen. Allein deswegen ist Bushido (pop-)kulturell relevant und interessant.

„Unzensiert - Bushido’s Wahrheit“ ist als 6-teilige Doku-Serie bei Amazon Prime erschienen.

Einen Teil seiner Aura und seines Images verdankte er seiner Verbindung zu Arafat Abou Chaker, einem Mitglied des Abou Chaker Clans in Berlin, das einen gewissen Status genießt. Wer mehr zum Abou Chaker Clan wissen möchte, der liest am besten den Wikipedia Eintrag. Bushidos Freundschaft zu Arafat entstand Anfang der 2000er Jahre, als Bushido seinen Deal beim Label Aggro Berlin für suboptimal befand und aus diesen aussteigen wollte um zu Universal zu gehen. Dabei half ihm Arafat Abou Chaker, der dabei anscheinend ähnliche Methoden anwandte, wie seinerzeit Suge Knight um Dr. Dre aus seinem Vertrag bei Ruthless Records zu bringen. So weit, so Hip Hop. Fortan war Arafat Manager von Bushido und man regelte alles unter „Brüdern” in der „Familie”.

Irgendwann kam Bushido auf die Idee, dass ein offizieller Vertrag zwischen ihm und Arafat doch eine gute Idee wäre. Dieser Vertrag und die Partnerschaft sind Grund für den Streit zwischen Bushido und Arafat Abou Chaker, der seit ca. 5 Jahren heftig tobt. Die Dimensionen des Streits laufen inzwischen auf der Ebene ab, dass Bushidos Familie unter permanentem Polizeischutz steht und Bushido sein Leben in Gefahr sieht. Eskaliert ist dieser Streit auf die deutscheste mögliche Art und Weise: Es ging um 30cm eines Gartenzauns.

“Gegen meine Bodentrupps hilft dir kein Personenschutz”
(Bushido, Messerstecherei)

Das klingt alles, zugegeben, nach einer sehr miesen Reality TV Soap, was sie ja auch ist. Doch wie immer im Rap gibt es mehrere Ebenen. Bushido, bürgerlich Anis Ferchichi, Sohn eines Tunesiers - der die Familie früh verließ - und einer Deutschen, wuchs zu 100% deutsch-sozialisiert auf. Er zeigt in „Unzensiert - Bushido’s Wahrheit“ Bilder seiner Mutter und seiner Großmutter und er könnte genauso gut Arne Friedrich heißen.

Bushido hat aber nie wie ein „Deutscher“ ausgeschaut, was unter anderem auch Teil des „Streetcred“ von Aggro Berlin war. Sido, B-Tight und Fler bedienten das deutsche Publikum und mit Bushido gab es einen hart aussehenden Araber, der keinen Spaß verstand und das „nicht-deutsche“ Publikum abholen konnte und dem ganzen Label mehr Authentizität auf der „Straße“ gab. Bushido war damit „The Other“. Damit konnte er, vor allem nach seinem Ausstieg von Aggro Berlin, mit der Herkunft seines Vaters, seiner Clique, seines Namens und seines Aussehens als „Fremder“ oder „Kanake“ hausieren gehen und sein Image als „böser, moslemischer Rapper“ aufbauen.

Das sagt leider mehr über Deutschland und die deutschsprachige Gesellschaft aus, in der jemand, der genauso Deutsch ist wie Currywurst, einen Bambi-Integratonspreis bekommt und als „Fremd“ wahrgenommen wird, als über Bushido selbst. (Nicht, dass es in Österreich besser ist, wo von einem Rapper mit einem vorarlberger Vater wie RAF Camora noch immer als Rapper mit Migrationshintergrund berichtet wird.)

Bushido

APA/dpa/Bernd Von Jutrczenka

Doch da dies alles nur Image war und nichts mit der Realität zu tun hatte, kann Bushido eben jetzt auch in der Dokumentation switchen und den „Karl-Heinz“ rauslassen, der sich über die mangelnde Kultur und „plötzliche Religiösität“ dieser nicht-integrierten Familie Abou Chaker aufregen kann. Das Level an Orientalismus, das durch die ganze Serie mitschwingt, könnte in keiner Spiegel-TV-Dokumentation besser gemacht werden. Bushido ist nämlich immer genau das, was seine Umgebung gerade will, weil er sich eben anpassen kann.

Bei Arafat Abou Chaker war er noch ein „Moslem Bossgang“, jetzt ist er ein sich sorgender Familienvater, eingeheiratet in die deutsche Version der Kardashians. Er verkauft es als die Darstellung von Anis Ferchichi, der Person hinter Bushido. Dementsprechend sind sein Publikum jetzt keine Kids mehr, die Rap hören, sondern Bio-Deutsche mit Einfamilienhäusern, die sich TV-Dokumentationen zu Clans anschauen und voll Sorge vor dieser schlimmen Parallelgesellschaft sind. Und Bushido liefert wieder Unterhaltung. Wieviel von dieser Unterhaltung diesmal echt ist, bleibt wieder offen.

„La Familia – Johnny Fontane“ (Bushido – John Wayne)

Bushido war im Endeffekt kein „Gangster“ sondern nur „Johnny Fontane“, ein Künstler der in der „Unterwelt“ Schutz suchte, weil er sonst niemanden, also gute Freunde, hatte. Genauso wie Johnny Fontane zu Don Vito Corleone ging, wenn es mal Stress gab mit irgendwem, ging Bushido zu Arafat. Doch während Johnny Fontane immerhin Italiener war, war Bushido nie wirklich „Araber“.

Bushido konnte immer sein Maul aufreißen und andere Rapper, Entertainer und Politiker dissen, weil er Arafat im Rücken hatte und in einer Welt außerhalb der „deutschen Leitkultur“ wahrgenommen wurde. Doch die Welt von Arafat Abou Chaker ist einfach eine andere, als die von Bushido.

Man könnte den ausgezeichneten Podcast von Mohammad Chahrour und Marcus Staiger „Clanland“ hören um einen besseren Einblick in diese Welt zu kriegen. Bushido war in dieser Welt fremd. Er hat „äußerlich“ hinein gepasst, aber nicht kulturell. Da er eine gewisse Intelligenz hat, konnte er diese Rolle auch gut verkaufen. Er hatte sich aber auch, allem Anschein nach, in diese Welt begeben, um Anschluss und eine Gemeinschaft zu finden. Was er auch bekommen hat. Als er die Gemeinschaft in der Welt von Anna-Maria Lewe, der Schwester von Sarah Connor, fand und mit ihr seine Familie gründen wollte, war die andere „Familie“ ein Problem, weil sie an Einfluss verlor.

Bushido

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Diese neue Welt steht ihm aber irgendwie besser. Alles andere sind Probleme mit seinem ehemaligen Businesspartner, weil man eben niemals „Familie“ und „Geschäft“ vermischen sollte. Vor allem wenn man wirklich durch und durch Deutscher ist und mit einer „Parallelgesellschaft“, die vom deutschen Staat selbst konstruiert wurde, indem man Menschen keine Arbeitserlaubnis, Aufenthaltstitel und Perspektiven gibt und in den Untergrund befördert, nichts zu tun hat.

Heute hat Bushido nicht mehr Arafat, sondern die Polizei im Rücken und ist mit Spiegel-Reportern befreundet, weil das eben mehr eine Welt ist, die er versteht und in der er auch aufgewachsen ist. Darüber wird in „Unzensiert - Bushido’s Wahrheit“ in 6 Folgen ausführlich berichtet und man kann dabei zusehen, wie der ehemalige „Staatsfeind Nummer 1“, und „Nemesis, Taliban, Araber, Terrorist, Anführer Dschingis Khan“ einfach nur ein relativ spießiger Pantoffelheld mit „Vorgarten, Eigenheim und Kita-Gutschein“ ist.

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