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Gerry Foitik vom Roten Kreuz

Österreichisches Rotes Kreuz (ÖRK) / Joseph Krpelan

Was sind die Notfallpläne für die Omikron-Welle?

Die Omikron-Variante des Coronavirus scheint sich zwei- bis dreimal so schnell zu verbreiten wie Delta. Das könnte die sogenannte “kritische Infrastruktur” in Gefahr bringen. FM4-Redakteur Christoph Weiss hat Gerry Foitik, Bundesrettungskommandant des österreichischen Roten Kreuzes und Mitglied des neu eingerichteten Corona-Krisenstabs der Regierung, GECKO, dazu interviewt.

FM4: Sie sind als Bundesrettungskommandant des Roten Kreuzes Mitglied des Krisenstabs Gecko. Wir haben gehört, dass es für den Fall eines rasanten Anstiegs der Neuinfektionen, bedingt durch die Omikron-Variante, Notfallpläne gibt: für Rettung, Strom, Wasserversorger und so weiter. Wie bereitet sich das Rote Kreuz auf einen rasanten Anstieg von Neuinfektionen unter den Mitarbeiter*innen vor?

Gerry Foitik: Das Rote Kreuz ist ja Teil der kritischen Infrastruktur in diesem Land, und wir sind natürlich auf alle möglichen Szenarien vorbereitet - mehr oder weniger gut. Derzeit ist es so, dass die Verbreitung der Omikron-Variante befürchten lässt, dass sehr viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gleichzeitig erkranken und damit nicht Dienst machen können. Wie wir uns darauf vorbereiten: einerseits, solange es geht, versuchen, die Mitarbeiter untereinander so zu isolieren, dass sie sich nicht gegenseitig anstecken, damit nicht Cluster bei uns im Betrieb entstehen. Und wenn sie dann aber angesteckt werden, in der Freizeit oder bei ihren Familien, dann müssen wir schauen, dass wir mit den vorhandenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das Auslangen finden. Und das können wir, indem wir Dienstleistungen priorisieren, das heißt, indem wir wichtige Dienstleistungen stärken und andere, die derzeit oder dann nicht so notwendig sind, entsprechend herunterfahren. Zum Beispiel würden wir dann keine Erste-Hilfe-Kurse mehr anbieten, oder im Rettungsdienst würden wir planbare Transporte, die jetzt im Ausnahmefall nicht unbedingt notwendig sind, zurückstellen zugunsten der Notfälle.

Wenn beim Roten Kreuz zu viele Mitarbeiter*innen erkranken, bieten wir keine Erste-Hilfe-Kurse mehr an und stellen planbare, nicht unbedingt notwendige Transporte zugunsten der Notfälle zurück.

FM4: Am Anfang der Pandemie hat sich ja zum Beispiel beim ORF die ZiB-Redaktion teilweise kaserniert. Die Mitarbeiter*innen der Wien Energie sind an den Arbeitsplatz gezogen, ohne Kontaktmöglichkeit nach draußen, um Infrastruktur sicherzustellen. Steht so etwas den Mitarbeiter*innen etwa der Post, der Supermärkte, der Polizei etc. vielleicht auch bevor?

Gerry Foitik: Das kann ich nicht sagen. Das ist ja Sache der Kritischen-Infrastruktur-Betreiber*innen selbst. Sinn macht so etwas natürlich dort, wo es wenige Spezialisten und Spezialistinnen gibt, die benötigt werden und die aber sonst auch keinen Kontakt haben. Bei Polizistinnen und Polizisten oder auch bei Rettungssanitätern würde das keinen Sinn machen, deren Job besteht ja darin, Kontakt mit den Menschen in diesem Land zu haben. Bei Energieversorgern, beim ORF oder sonstwo kann das durchaus Sinn machen, insbesondere weil dadurch natürlich gewährleistet ist, dass die Mannschaft oder die Frauschaft, die gerade da ist, keinen Kontakt nach außen hat und damit ganz gut vor diesem Virus geschützt ist. Weil dieses Virus überträgt sich ja von Mensch zu Mensch.

Kontaktreduktion ist das Mittel der Wahl.

FM4: Auch Supermärkte gehören ja zur kritischen Infrastruktur und müssen für infektionsbedingte Personalausfälle vorsorgen. Und voriges Jahr hat etwa das Bundesheer in Warenlagern ausgeholfen. Welche Überlegungen gibt es jetzt im Krisenstab hinsichtlich der Nahversorgung?

Gerry Foitik: Die Supermärkte selbst, also die Outlets, die Filialen, sind nicht das große Problem. Von denen gibt es genug. Und da kann man auch priorisieren, indem man etwa an Standorten, wo es mehrere Supermarktketten gibt, nur eine Filiale geöffnet und die anderen geschlossen hält. Schwieriger ist die Disposition, also das Warenlager und die Logistik. Da ist es so, dass natürlich das zur kritischen Infrastruktur gehört und entsprechende Pläne von den Lebensmittel-Einzelhändlern in Kraft sein müssen, damit das gut funktioniert. Auch hier ist die Kontaktreduktion das Mittel der Wahl. Ob das Bundesheer oder andere Hilfseinheiten hier zur Unterstützung angefordert werden können oder müssen, das wird sich zeigen. Ich bin sicher, dass der Lebensmitteleinzelhandel, also die Lebensmittelversorgung der Menschen in Österreich, hohe Priorität hat und alles getan wird und unternommen wird, damit es hier zu keinen Engpässen kommt.

FM4: In manchen Bereichen wurde bereits die Frage gestellt, ob man, bevor etwa die Stromversorgung zusammenbricht, eine Person trotz Corona-Erkrankung arbeiten lässt. Was halten Sie davon?

Gerry Foitik: Das kommt auf verschiedene Umstände an. Also zunächst einmal muss man sich dann überlegen: Wie ist der Schaden? Wo ist der Schaden größer? Ist der Schaden größer, wenn wegen der fehlenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der kritischen Infrastruktur etwa eine solche ausfällt? Oder ist der Schaden größer, wenn man einzelne Mitarbeiterinnen hier trotz Infektion auch arbeiten lässt, nämlich vor Ort arbeiten lässt. Das zweite, was zu sagen ist, ist, dass das natürlich auch abhängt davon, wie weitverbreitet in der Bevölkerung dieses Virus schon ist. Würden sehr, sehr viele Menschen schon infiziert sein, dann macht das weniger Unterschied, ob jetzt einzelne Mitarbeiter/ Mitarbeiterinnen der kritischen Infrastruktur sich noch öffentlich bewegen und zur Arbeit gehen, als wenn das nur sehr wenige sind und diese einzelnen Vektoren, wie man in der Fachsprache sagt, einen großen Unterschied machen können. Das hängt vor allem auch von der Gesamtlage ab und von dem Schaden, der dadurch entsteht.

Mensch auf Trage liegend

Österreichisches Rotes Kreuz (ÖRK) / R.Reichhart

FM4: Der Wiener Gesundheitsverbund holt teilweise Spitalspersonal aus der Pension zurück, um Personalreserven zu bilden. Ist das Ihrer Meinung nach auch in anderen Bereichen und Bundesländern sinnvoll?

Gerry Foitik: Das ist sinnvoll. Dort, wo die Menschen, die erst kürzlich in Pension gegangen sind, die ja noch fit sind und über genügend Wissen und Kompetenz verfügen, hier zu unterstützen, ist das natürlich eine - wenn auch drastische - aber sinnvolle Maßnahme, die Belegschaft, die Anzahl der Mitarbeiter*innen kurzfristig für eine Spitzenbelastung zu erhöhen.

FM4: Und wie erfolgversprechend ist das überhaupt? Werden wirklich viele Pensionisten freiwillig zurück in ihre alte Arbeit gehen?

Gerry Foitik: Das weiß ich nicht, aber ich glaube, wenn die Not so groß ist, ist es gerade in den sozialen Berufen schon so, dass die Menschen einen starken Drang verspüren, hier die Gesellschaft und ihre Patient*innen zu unterstützen. Und es ist ja oft so, dass dann auch wenige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die hier wieder kommen, einen großen Unterschied machen. Außerdem ist es natürlich auch für die Mitarbeitenden, die derzeit aktiv sind, ein Zeichen von Unterstützung und von Wertschätzung. Aber wenn das passiert, und das erhöht nicht nur die Anzahl der Köpfe, die hier arbeiten, sondern das gibt auch vielleicht noch einen Motivationsschub, weil man merkt, dass selbst die Kolleg*innen, mit denen man vor zwei Jahren noch zusammengearbeitet hat, jetzt für einige Wochen wieder in den Dienst gehen.

Das Wichtigste, was man jetzt machen kann, ist, sich impfen zu lassen - ob zum dritten oder zum ersten Mal.

FM4: Und zum Schluss, allgemein: Was können wir in der veränderten Omikron-Situation als Einzelne zur Krisenbewältigung beitragen? Wie kann und soll man sich als Privatperson auf etwaige Ernstfälle vorbereiten?

Gerry Foitik: Also das Wichtigste, was man jetzt in der bevorstehenden Omikronwelle als Einzelperson machen kann, ist, den Impfschutz zu aktualisieren - das heißt, wenn man noch nicht das dritte Mal geimpft ist, sich das dritte Mal impfen lassen, wenn man noch gar nicht geimpft ist, sich jetzt impfen lassen. Das zweite und wichtige sind die Hygienemaßnahmen, allen voran, die Masken in den Innenräumen zu tragen und damit die Hygienemaßnahmen zu befolgen. Und das dritte, was die Vorbereitung auf alle möglichen Ausfälle oder alle möglichen Unbill des Lebens betrifft, da empfehle ich Ihnen die Team Österreich App. Dort gibt es nämlich eine Sektion „Vorsorgen/Vorbereiten“ und da kann man den eigenen Haushalt gut auf alle Eventualitäten vorbereiten. Sei das jetzt irgendein Wintersturm, ein Stromausfall, eine schwere Erkrankung oder sonstwas. Und da kriegt man ganz praktische Tipps, was man tun kann, damit man selbst als Haushalt entsprechend krisenfest ist.

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