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Screenshot von It Takes Two

Hazelight Studios

Das Games-Jahr 2021: Skandale, Indie-Business und Empfehlungen

Im vergangenen Jahr wurde ein weiteres Mal klar, dass die Arbeitsbedingungen in den Büros großer Gameskonzerne nicht die Zukunft der Branche sein sollten. Dagegengehalten wird mit neuen Indie-Vertrieben und natürlich jeder Menge Games von kreativen Köpfen jenseits der wirtschaftlichen Verwertungslogik.

Von Robert Glashüttner, mit Empfehlungen von Rainer Sigl

Die Welt der Videospiele reiht sich immer mehr in die allgemeine Popkulturindustrie ein. Dieses Jahr etwa ist der Streamingdienst Netflix in die Gamesbranche eingestiegen, und so kann man seit ein paar Wochen in der hauseigenen Netflix-App kleine Mobile-Games spielen. Darüber hinaus hat die Firma das Spielstudio hinter dem erfolgreichen Mystery-Indiegame „Oxenfree“ gekauft.

Der Tech-Konzern Google versucht mit seinem Cloud-Dienst Stadia ebenfalls, ein Publikum abseits der bereits existenten Gaming-Gemeinschaften anzusprechen - allerdings mit mäßigem Erfolg, die eigenen Entwicklungsstudios sind 2021 nach wenigen Monaten wieder geschlossen worden.

Menschen beim Gamen / Google Stadia

Google

Die alte Industrie und der neue Games-Markt

Innerhalb der Gamesindustrie gab es dieses Jahr an seltsamen Vorstößen (NFTs), traurigen Skandalen (toxische Firmenkulturen) und diversen Transaktionen und Aufkäufen (etwa wurde Bethesda, Markeninhaber von z.B. „Fallout“ und „Doom“, von Xbox/Microsoft gekauft) keinen Mangel. Das nährt umso mehr den Wunsch vieler Spielemenschen und -entwickler*innen, vom Mainstream hin zu den vielen Ausformungen der Indiekultur zu wechseln.

In diesem Zusammenhang ist der Aufstieg der Indie-Publisher interessant, die seit ein paar Jahren eine neue Zwischenebene zwischen Triple-A und klassischem unabhängigem Entwickeln eingezogen haben - Firmen wie Devolver Digital, Raw Fury, Dear Villagers oder Annapurna Interactive. Wie cool und indie diese Firmen wirklich sind, wird sich in den kommenden Jahren herausstellen. Noch genießen sie einen sehr guten Ruf; es heißt, sie würden sich in die kreativen Schaffensprozesse nicht einmischen.

Enthusiast*innen müssen nicht angelockt werden

Die vielen verspielten Communities haben aber weder Lockangebote von außerhalb der Gaming-Bubbles, nervige News über die Spieleindustrie oder das Gedankenmachen über die Natur von Indie-Publishern nötig. Oft genügt es, einfach tolle Computerspiele zu spielen. Das vergangene Gaming-Jahr hat wieder viele Höhepunkte geboten; Rainer Sigl und ich stellen euch unsere persönlichen Highlights vor. Die dazugehörigen Links führen übrigens alle zu den FM4-Stories der jeweiligen Spiele.

Bildschirmfoto aus dem Computerspiel "Stonefly"

Flight School Studio / MWM Interactive

„STONEFLY“ (Switch, Xbox, Playstation, Windows)

Robert Glashüttner:
Viele sind sich einig, dass das kooperative Action-Adventure „It Takes Two“ dieses Jahr eines der besten Spiele des Jahres war. Wir spielen dabei in einer Welt, in der man selbst sehr klein ist und alles ringsherum erstaunlich riesig. Ich mag „It Takes Two“ (ihr offenbar auch, nicht umsonst hat es den Sprung in eure Bestenliste im FM4 Exit Poll geschafft), doch mehr beeindruckt hat mich ein anderes Miniatur-Abenteuer, und zwar „Stonefly“. Man schlüpft dabei in die Rolle der jungen Annika, einer Bastlerin, die sich in einem vielbeinigen insektenartigen Mech durch eine wilde Natur kämpft. Die Entdeckungsfreude ist groß, und wenn wir gegen Käfer, Spinnen und andere Insekten antreten, begeistert „Stonefly“ durch präzise Steuerung und einfallsreiche Angriffsmöglichkeiten mit unserem ungewöhnlichen Mech.

Valheim

Iron Door

„VALHEIM“ (Windows, Linux)

Rainer Sigl:
Ein knallblauer Himmel, sanfte Hügel mit hohem Gras, lichte Wälder, Morgennebel: Die unendliche Sandkiste im Wikingerspiel „Valheim“ ist so schön, dass ich am liebsten hierhin ziehen würde. Umso mehr, weil ich weiß, dass diese liebliche Landschaft nur das Startgebiet in diesem Fantasy-Jenseits ist, in dem mir ausnahmsweise kaum Gefahr droht. Im Schwarzen Wald nebenan wandern riesige Trolle, auf den schneebedeckten Bergen erfriert man schnell und in den finsteren Sümpfen herrscht sowieso grimmiger Überlebenskampf. Aber hier, wo mein kleines Haus direkt an der Küste steht und täglich von einem unwirklich prächtigen Sonnenaufgang über dem Meer bestrahlt wird, herrscht reine Harmonie und Ruhe; genau das, was ich in einem Jahr wie diesem am nötigsten gebraucht habe.

Bildschirmfoto aus dem Videospiel "Returnal"

Housemarque / Playstation

„RETURNAL“ (Playstation 5)

Robert Glashüttner:
Düster geht es in „Returnal“ zu. Es ist für mich das bisher einzige Next-Generation-Game der neuen Konsolengeneration, das sich wirklich so anfühlt. Wir sind mit Astronautin Selene nach einem Absturz auf einem seltsamen Planeten in einer Zeitschleife gefangen. Immer, wenn sie von Monstern getötet wird, wacht sie umgehend im Moment des Raumschiffabsturzes wieder auf. „Returnal“ ist eine unglaublich packende Mischung aus Shooter, Horrorspiel und Gruselabenteuer und ebenso schwer wie motivierend. Viel habe ich „Returnal“ bisher noch gar nicht gespielt, und doch sind meine Erinnerungen daran markant. 2022 werde ich mich dem genialen Schauerplaneten definitiv wieder stellen.

Mundaun

Hidden Fields

„MUNDAUN“ (Playstation, Xbox, Switch, Win., Mac)

Rainer Sigl:
Irgendwann nach ein paar Stunden im sehr speziellen Horrorspiel „Mundaun“ komme ich nach einem Abstieg in die finstersten Höhlen eines Schweizer Alpenmassivs wieder nach oben, an die frische Luft. Hinter mir liegt ein surrealer Horrortrip in eine Unterwelt, in der sich alpine Sagen vom Teufel und düstere Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg treffen, oben ziehen die - wie alles hier mit Bleistift gezeichneten - Wolken am Himmel. Der Bergsee liegt ruhig da, sich auflösende Nebelfetzen geben den Blick auf seine stille Oberfläche frei. Und dann einer der schönsten, stillen Schaudermomente dieses Spiels, wenn mein unheimlicher Widersacher riesenhaft aus diesem schwarzen Spiegel zu mir aufsieht. Einer dieser Games-Momente, die man nicht so schnell vergisst - allein dafür liebe ich „Mundaun“.

Screenshot aus dem Computerspiel "Inscryption"

Daniel Mullins / Devolver Digital

„INSCRYPTION“ (Windows)

Robert Glashüttner:
Interessant, dass ich Horrorspiele eigentlich gar nicht so mag, und jetzt trotzdem sogar noch ein zweites Grusel-Game in meiner Bestenliste vorkommt. „Inscryption“ ist aber auch äußerst ungewöhnlich: Es ist eine Mischung aus Sammelkartenspiel, Escape-the-room und vielschichtigem Dimensionswechsel. Das Spiel reißt ständig Wände ein und zieht neue hoch, wechselt zwischen visuellen Stilen und erzählt dabei trotzdem eine surreale, aber auch nachvollziehbare, spannende Geschichte. Erst vor kurzem hat der Autor Daniel Mullins einen von Fans oft gewünschten Modus nachgereicht, mit dem man nun noch tiefer in die Mechanik des bizarren Kartenspiels eintauchen kann.

Exo One

Exbleative

„EXO ONE“ (Xbox, Windows)

Rainer Sigl:
Am Ende aller Kräfte, in einer Zeit, als sich Anfang Dezember das ganze Jahr über mir aufgetürmt hat, hat mich „Exo One“ ganz woanders hingeschickt. Das zugleich minimalistische und absurd atmosphärische Spiel lässt mich als Alien-Gefährt über so faszinierende Planetenoberflächen rollen, rasen und gleiten, dass jeder Alltag zumindest für kurze Zeit weit unter mir verschwindet. Rosa Wüsten, Wasserplaneten, ein Band von Meteoriten vor dem Inferno einer riesigen Sonne: Danke für diese Momente, danke für diese Weltraumodyssee, „Exo One“; und überhaupt: danke, all ihr Videospiele, für die vielen Welten hinter dem Bildschirm. Wir sehen uns 2022.

Computermuseum Kautzen

Robert Glashüttner

Besonderer Tipp: Computermuseum Kautzen

Robert Glashüttner:
Und am Schluss noch ein Höhepunkt abseits der Spieleveröffentlichungen: Im Sommer war ich im kleinen Ort Kautzen im nördlichsten Waldviertel, direkt an der tschechischen Grenze. Dort residiert der sympathische IT-Angestellte und Retrogaming-Sammler Andreas Zahrl, der mir voller Leidenschaft sein kleines Computermuseum gezeigt hat. Wenn ihr mal in die Gegend kommt, meldet euch vorher bei Andreas und seht dort unbedingt vorbei. Und schaut am besten jetzt gleich virtuell im Museum vorbei.

Alle Stories der FM4 Spielkultur gibt es unter fm4.orf.at/game.

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