FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Kid Pex / SOS Balkanroute

Radio FM4 / David Riegler

Kid Pex über sein Jahr 2021 in der Flüchtlingshilfe

Der Aktivist und Rapper Kid Pex blickt mit uns auf sein 2021 zurück und erzählt von einem Jahr in der Flüchtlingshilfe, seine persönliche Motivation und seine Musik.

Von David Riegler

Seit der Schließung der Balkanroute sind im Norden Bosniens tausende Flüchtlinge gestrandet - ohne Aussicht auf ein Weiterkommen. Die EU hält die Grenzen geschlossen und der politisch instabile Staat Bosnien und Herzegowina sieht sich nicht in der Lage die Versorgung für alle Menschen zu übernehmen. Viele Geflüchtete werden einfach sich selbst überlassen. Sie leben oft in Zelten oder verlassenen Lagerhallen nahe der kroatischen Grenze, in der Hoffnung, es doch noch in die EU zu schaffen, wo sie oft die Grenzgewalt durch die kroatische Polizei erleben. Wir haben vor dem letzten Wintereinbruch berichtet.

Für Geflüchtete ist die Balkanroute ein Teufelskreis – die Einzigen, die dagegen halten sind die vielen Freiwilligen und NGOs vor Ort, darunter auch die österreichische NGO „SOS Balkanroute“. Der Rapper und Aktivist Kid Pex engagiert sich seit Jahren mit seiner NGO, ist immer wieder vor Ort und versucht auch mit seiner Musik starke Signale für eine menschliche Asylpolitik zu setzen. Wir blicken mit Kid Pex auf sein 2021 zurück.

FM4: 2021 ist bald vorbei, wenn du zurückblickst, wie war dieses Jahr für dich?

Kid Pex: 2021 war, wie die letzten zwei Jahre, sehr anstrengend und emotional intensiv. Seitdem ich SOS Balkanroute vor drei Jahren gestartet habe, hat sich das Leben verändert - das kann man nicht vergleichen mit der Zeit davor.

Wir befinden uns mitten im Winter, auch in Bosnien ist es derzeit sehr kalt. Wie ist die aktuelle Situation vor Ort und wie viele Leute sind derzeit an der bosnisch-kroatischen Grenze?

Kid Pex: Für die Leute ist es genauso schrecklich ist wie die letzten Jahre, vor allem für die, die draußen sind. Worüber wir uns freuen ist, dass die Zahlen etwas geringer sind dieses Jahr. Aber nichtsdestotrotz haben wir eben um die tausend Leute im Nordwesten Bosniens, die draußen sind, die wir zu versorgen haben. Das ist natürlich weiterhin eine Riesenherausforderung. Wir bekommen Informationen, dass im Januar, Februar, März Leute nachrücken werden. Alle, die in Griechenland sind oder woanders am Balkan festhängen, werden sich sicherlich in diese Richtung bewegen. Dadurch ist das nur ein kurzes Durchatmen mit geringeren Zahlen sozusagen.

Haben sich im letzten Jahr auch Dinge verbessert?

Kid Pex: Ich glaube, wenn man jetzt vom System spricht und von der Politik, die dort betrieben wird, haben wir keinen großen Erfolg verbuchen können. Aber durch die drei Jahre Druck, die wir aufgebaut haben und die Aufmerksamkeit, die wir auf dieses Thema lenken, ist schon viel in Bewegung geraten. Und natürlich sind die Spenden und die Infrastruktur vor Ort, die Hilfe für die Helfer*innen vor Ort stetig gewachsen. Und dadurch hat sich auch das Gewicht verlagert. Vor Ort, selbst in der Wahrnehmung von Menschen, die Flüchtlingen helfen, hat sich schon was zum Guten bewegt.

Gibt es so einen Moment, der dir ganz besonders in Erinnerung geblieben ist aus 2021?

Kid Pex: Ein Moment ist mir gestern eingefallen, da bin ich Bilder durchgegangen und dabei habe ich einen achtjährigen jungen Afghanen gesehen, der zu dem Zeitpunkt, wo wir ihn getroffen haben, mit 500 anderen Männern in einer alten verlassenen Metall-Fabrik war. Unser bosnischer Fotograf hat ihm dann noch Schuhe, einen Fußball und ein bosnisches Fußball-Trikot gebracht. Das Glück dieses Jungen zu sehen, wie der dieses Trikot gesehen hat in diesen elendigen Bedingungen und wie er sich darüber gefreut hat... Gleichzeitig freust du dich mit ihm, aber andererseits denkst dir: Was ist die Zukunft dieses Jungen und wieso ist dieser Junge überhaupt hier, drei Stunden von Österreich entfernt. Das ist mir hängengeblieben und sein Name Yasin ist mir hängengeblieben. Und manchmal fragt man sich, wo diese Kinder heute, jetzt gerade sind.

Kid Pex

Radio FM4 / David Riegler

Was erwartest du dir für 2022? Wie wird es weitergehen, wie wir deine Arbeit auch weitergehen?

Kid Pex: Ich habe keinen Grund nach diesen drei Jahren jetzt ein zu großer Optimist zu sein, was den Umgang der EU mit Geflüchteten angeht. Ich glaube, dass sich nichts ändern wird an dem Inhalt unserer Arbeit. Was ich mir erhoffe ist, dass wir hier noch stärker mit österreichischen Gemeinden und der österreichischen Zivilgesellschaft Akzente setzen können. Was wir tun ist auch ein Aufzeigen von dem, was eigentlich möglich wäre, mit relativ wenig Mitteln. Wir haben ja nicht viele Mittel. Was wir hier aufgebaut haben ist ein Ausrufezeichen an die Politik, was alles möglich ist. Und ich glaube, das ist unsere größte Stärke und gleichzeitig unser größtes Ziel, da weiter auch andere zu beeinflussen, andere zu einem menschlichen Handeln zu bewegen.

Du sagst, es gibt keinen Grund besonders optimistisch zu sein. Was motiviert dich trotzdem weiterzumachen?

Kid Pex: Dass ich persönlich glaube, dass es nichts Sinnvolleres gibt. Was uns auch hält, ist dieses Grenzenlose. Nonnen, die mit uns in Bosnien waren, Punks, die mit uns Holz hacken, Imame, die ins Lager sortieren kommen. Das sind alles so Momente, wo man sieht, die Welt ist so groß und unterschiedlich, aber gleichzeitig so klein. Wenn man sich auf das Fundamentalste, wenn man sich auf das Menschliche beschränkt und gemeinsam etwas Gutes tun will, braucht man nicht unbedingt tausende Überschneidungen. Es reicht doch nur eine: Menschlichkeit.

Außerhalb der Flüchtlingshilfe kennt man dich ja vor allem als Rapper. Was hast du fürs nächste Jahr musikalisch geplant?

Kid Pex: Es werden neue Songs kommen, hoffentlich auch bald mein Album. Leute aus der Musik klopfen schon bei mir an und sagen: „Komm, mach endlich was, veröffentlichen wir das, was schon da ist.“ Und das wird passieren. Aber im Winter ist es immer schwierig. Ich habe eben immer mehr im Frühling und Sommer wieder zur Musik gefunden, weil es mir da leichter fällt. Wenn es draußen eiskalt ist, dann ist man mental in Bosnien, weil man auch den letzten Winter dort fast zur Gänze verbracht hat.

2021 war auch ein Jahr der unzähligen abgesagten Konzerte, aber hast du trotzdem ein musikalisches Highlight erlebt?

Kid Pex: Ja, definitiv. Das Popfest in Wien, das dieses Jahr von Esra Özmen und Fuzzman kuratiert wurde, wo es darum ging, Acts mit Haltung einzuladen. Und da habe ich mich natürlich geehrt gefühlt, ein Teil davon zu sein und vor so einer großen Kulisse spielen zu können. Vor Mavi Phoenix noch mal Antifašista zu spielen ist schon eine schöne Sache. Ich habe dieses Jahr viel mehr Festivals gespielt. Trotz dieses großen Festival-Feelings hoffe ich, dass man bald wieder in kleinen Locations spielen kann. Weil im Kleinen finde ich die die Interaktion mit dem Publikum viel intimer als auf so großen Bühnen, die natürlich spektakulär sind. Beides hat seine Vorteile. Aber ich habe dieses Jahr realisiert, dass ich wieder im Kleinen spielen will.

mehr Rewind 2021:

Aktuell: