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Novak Djokovic auf dem Tennisplatz in Melbourne

APA/AFP/William WEST

In der Djokovic-Affäre geht es um viel mehr als um Impfungen

Weiterhin ist unklar, ob der Tennis-Star am Australian Open spielen darf. Mit falschen Angaben hat sich Novak Djokovic selbst keinen Gefallen getan. Doch sein Fall macht Widersprüche sichtbar, die uns seit der Corona-Krise begleiten und zeigt, was passiert, wenn eine kompromisslose Migrationspolitik auf eine Zero-Covid Politik trifft.

Von Ali Cem Deniz

Drei Jahre vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie kämpft Novak Djokovic mit seinem schlechten Gewissen. Er hat sich einer Ellenbogen-Operation unterzogen. Für den Tennis-Star, der sich von Medikamenten und Operationen lieber fernhält und lieber auf Traditionelle chinesische Medizin (TCM) und die Selbstheilung des Körpers setzt, ist der Eingriff eine traumatische Erfahrung. Drei Tage lang habe er nach seiner OP geweint, so Djokovic.

Er erholt sich schnell von dem Eingriff und seinem schlechten Gewissen. In den folgenden Jahren gewinnt er sieben Grand Slam-Turniere und erlebt eine der erfolgreichsten Phasen seiner Karriere. Bis zum Jänner 2022, als der ungeimpfte Tennis-Profi in Australien einreisen möchte. Das Land hat lange Zeit auf eine „Zero-Covid“ Politik gesetzt und verwehrte selbst eigenen Bürger*innen die Einreise.

Plötzlich Symbolfigur

Djokovic darf laut seinen eigenen Angaben aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden, weil er sich erst im Dezember mit dem Virus angesteckt habe und genesen sei. Am 5. Jänner wird er von der australischen Grenzpolizei festgenommen und in ein Hotel für ausreisepflichtige Geflüchtete gebracht. In dieser Einrichtung sitzen Menschen teils jahrelang fest.

Während Djokovics Anwälte gegen seine Festnahme Einspruch erheben, erklärt seine Familie den Tennis-Star in einer Social Media-Kampagne zu einer Art jesus-ähnlichen Märtyrerfigur. Auch die Geflüchteten, die mit Djokovic eingesperrt sind, nutzen Social Media, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen und bitten den Tennis-Star um Hilfe. So wird ausgerechnet Djokovic, dem eine Nähe zu serbischen Nationalisten nachgesagt wird, und der mit Brexiteer Nigel Farage eine enge Beziehung pflegt, zum Symbol der menschenfeindlichen Migrationspolitik Australiens.

Proteste für Flüchtlinge in Australien

APA/AFP/William WEST

Widersprüche der Pandemie

Australiens Migrationspolitik, die einst der ehemalige Bundeskanzler Sebastian Kurz als Modell für Europa bezeichnete, ist heftig umstritten. Den australischen Behörden werden im Umgang mit Geflüchteten schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. In Australien zeigt sich, was passiert, wenn eine kompromisslose Migrationspolitik auf eine harte Linie im Pandemie-Management trifft.

Nicht zuletzt macht die Djokovic-Affäre Widersprüche sichtbar, die uns seit Beginn der Corona-Krise begleiten. Während westliche, liberale Staaten mit dem Argument des Gemeinwohls bürgerliche Freiheiten einschränken, ergreifen rechte Gruppen die Gelegenheit und inszenieren sich als Verteidiger der Freiheit. So ist es nicht nur amüsant, dass sich Nigel Farage jetzt für das Einreise-Recht Djokovics stark macht, sondern eine logische Folge dieser Verschiebungen.

Sportler*innen im Fokus

Dass immer wieder Sportlerinnen und Sportler zwischen die Fronten geraten, ist kein Zufall, denn in der Impfdebatte geht es einerseits um die Fragen der Gesundheit und andererseits um die der körperlichen Autonomie.

Der Fußballer Joshua Kimmich, der NBA-Star Kyrie Irving, die Ski-Fahrerin Franziska Gritsch: Sie alle haben erlebt, wie schnell ihr Impfstatus zum Politikum werden kann. Die idealisierten Körper der Spitzensportler*innen, die als Maßstab für maximale Gesundheit gelten, werden zum Austragungsort der Impfdebatten.

Ob Djokovic seinen ungeimpften Körper einsetzen darf, um am Australian Open teilzunehmen, ist unklar. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass er trotz einer aktiven Corona-Infektion im Dezember Interviews gegeben hat und die Quarantäne-Regeln gebrochen hat. Der australische Einwanderungsminister Alex Hawke will sich mit seiner Entscheidung Zeit lassen. Doch für Djokovic wird die Zeit knapp. Das Turnier beginnt schon in wenigen Tagen.

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