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Schüler demonstrieren am Mittwoch, 26. Jänner 2022, gegen das Wiederaufleben der verpflichtenden mündlichen Matura in Wien

APA/TOBIAS STEINMAURER

Maximilian werner

Über die „verschenkte Matura“: Noch hat sie nicht geschadet

Zwei Monate vor meiner Matura wurde der erste Lockdown verhängt. Die mündliche Matura wurde deshalb ausgesetzt, die Matura insgesamt also erleichtert. Leide ich heute noch darunter? Nein, hoffe ich.

Eine Kolumne von Maximilian Werner

Die Diskussion musste ja kommen. Verlässlich. Mit der Entscheidung von Bildungsminister Martin Polaschek, die mündliche Matura wieder verpflichtend zu machen, schossen die Leitartikel und Kommentare auf Twitter zu diesem Thema hervor. Eine Frechheit nennen es die einen, die eine unfaire Behandlung gegenüber den letzten beiden Jahrgängen orten. Der richtige Schritt zur Normalität ist es für die anderen, die endlich wieder ein bisschen Leistung von Schülerinnen und Schülern sehen wollen. Doch was bedeutet es eigentlich, keine mündliche Matura machen zu müssen? Ich habe es selbst miterlebt.

Zuerst einmal: Die Debatte ist keine neue. Ich erinnere mich noch gut daran, wie im März 2020 die ersten Forderungen zur Absage der Matura eintrudelten. Man muss sich das noch einmal vor Augen führen: 17- und 18-jährige Menschen sollten inmitten einer neuen Gesundheitskrise verpflichtet werden, Klausuren abzulegen, von denen ihnen jahrelang eingetrichtert wurde, es würde sich um „die Prüfung ihres Lebens“ handeln. Nach wochenlang ausgefallenem Unterricht und Ungewissheit, wie gefährlich dieses Virus jetzt wirklich ist.

Keinen Job mit „geschenkter Matura“?

Damals war die dann beschlossene Absage der Matura so etwas wie ein großer Kompromiss, mit dem sich alle abfinden konnten. Doch die Kommentare blieben nicht aus. „Mit dieser geschenkten Matura wird dieser Jahrgang nie einen Job finden“ hieß es oft, „auf ausländischen Unis müsst ihr euch damit gar nicht bewerben“, war ebenfalls zu lesen. Die Befürchtungen haben sich zumindest bis jetzt noch nicht bewahrheitet. Zumindest in meinem Umfeld - und es gibt auch keinerlei Anzeichen für das Gegenteil - war das Maturazeugnis 2020 Türöffner für Studien in Deutschland. Und dort wären die Hochschulen - Stichwort Numerus Clausus - nicht unbedingt für einen laschen Umgang bekannt. Und die Privatwirtschaft möchte ich sehen, wie sie zwei Maturajahrgänge aufgrund verpasster 30 Minuten mündlicher Prüfung vom Berufsleben ausschließt.

So bleibt die Frage, was das - von der Leistungsgesellschaft Österreich verehrte - Zeremoniell der zentralen Abschlussprüfungen noch bringt. Es ist jedenfalls ein guter erster Schritt, die Noten der Abschlussklasse einzurechnen, das nimmt den Druck von dieser einen Prüfung, der ja auch schon vor Covid kritisiert worden ist. Und es bringt auf keinen Fall eine „Entwertung“, vielmehr zeugt es von guten Leistungen, wenn man über ein ganzes Jahr hinweg regelmäßig seine gute Vorbereitung auf Prüfungen präsentieren konnte.

Suggeriert Normalität, wo keine ist

Dass mir persönlich eine mündliche Abschlussprüfung und die Präsentation der vorwissenschaftlichen Arbeit - eben dieses Zeremoniell, kombiniert mit der Fähigkeit, mich aus jeder Situation irgendwie rauszulabern - wahrscheinlich sogar gut gefallen hätte, ändert nichts an der Tatsache, dass das in diesem Jahr mehr als unpassend erscheint. Es suggeriert Normalität, wo keine Normalität ist. Nach fast zwei Jahren eingeschränktem Unterricht, eingeschränktem Sozialleben, eingeschränkten Möglichkeiten, auch im Bildungsbereich. Und es ist immer noch nur eine Prüfung. Fraglich ist nur, ob die Partys danach auch ausfallen müssen - das zu entscheiden ist aber Gott sei Dank nicht Aufgabe des Bildungsministeriums.

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